Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Abenteuer Hallen

Wie geht es weiter mit den Hallen Kalk?

 

Der Ort, an den der BDA an diesem Herbstabend einlud, liegt im Niemandsland zwischen Ehrenfeld und Nippes und war bis vor nicht allzu langer Zeit ein Autohaus. Wo einst Toyotas verkauft wurden, betreibt heute das WandelWerk – „Kölns Pop-Up Transformationszentrum für den sozial-ökologischen Wandel“ – ein Zentrum für diejenigen, die sich für die Stadtplanung der Zukunft interessieren und engagieren.

Und das sind einige. Insofern rahmte der Veranstaltungsort die Frage nach der Zukunft der Hallen Kalk mit Hoffnung ein: Der Wandel ist schon am Werk. Fragt sich nur, wann er auch in der zäh verharrenden „Stadt-Verwaltung“ ankommt. Um es vorweg zu nehmen: Ruhe bewahren und weitermachen, ist die Antwort des letzten BDA Montagsgespräches. 

Zustand heute © Foto Robert Winterhager

Neuer Planstand

Aber zunächst die Neuigkeiten aus dem interdisziplinären Planungsteam, die Mariel Kaiser-Crompton und Laura Fuchs von BeL Sozietät für Architektur vorstellen. Das neue Baufeld mit Wohn- und Gewerbeflächen entlang der Neuerburgstraße parallel zu den Bestandshallen wurde gegenüber dem Planstand von 2017 zugunsten eines größeren Grünraums verschmälert. Maximal achtgeschossige Gebäude sollen in kleinteiliger Vergabe abwechslungsreich gestaltet werden. Für die Neubauten und die öffentliche Grünfläche wird derzeit ein Bebauungsplan erarbeitet.

Das Interesse ist groß: Im Saal konnten nur 40 Gäste teilnehmen; den livestream verfolgten über 100 Personen. Foto ©BDA Köln

Beschlossene Sache

Eine der beiden großen Hallen war für die erzbischöfliche Schule vorgesehen, die sich nun für einen anderen Standort entschieden hat. Halle 71, die westlich gelegene, soll zur frei zugänglichen Freilufthalle umgebaut werden. In die Halle 70 wird ein Museum einziehen. Die Planungen koordiniert das Büro BeL Sozietät, das sich 2017 im Verfahren durchgesetzt hatte; das damalige Konzept arbeiteten sie 2019 in zwei öffentlichen Werkstattgesprächen zu einer Machbarkeitsstudie aus, deren Ergebnis als sogenannter „Integrierter Plan“ der Rat im November letzten Jahres einstimmig beschlossen hat.

 

Diese Darstellung zeigt das Ergebnis der Werkstattgespräche mit einer genauen Verortung der Nutzungen. © BeL Sozietät für Architektur

 

Gelockerte Zügel und scharrende Hufe

Der damalige Dezernent Höing war 2017 stolz darauf, im Experiment Hallen Kalk „die Zügel gelockert zu haben.“ Drei Jahre später konnten die Akteure aber noch immer noch nicht zum großen Galopp ansetzen, und das macht ungeduldig und auch müde. Immerhin gab es in der Zwischenzeit einen sehr imageträchtigen Zuwachs: das DOMiD – Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland. Dr. Kathrin Schaumburg erläutert, warum Kalk genau die richtige Wahl ist für dieses Haus der Einwanderungsgesellschaft.

Eine vereinfachte Darstellung der Nutzungen war als „Strategischer Plan“ die Vorlage für die Stadtratssitzung. Ziel ist es, dem Areal eine möglichst große Zugänglichkeit und Öffentlichkeit zu geben © BeL Sozietät für Architektur

 

„Wir reden intern immer von einem Wir-Quartier. Die Halle mit ihrer industriellen Vergangenheit ist für uns genau so wichtig wie das dortige Umfeld. Wir möchten ein Haus schaffen, in dem man immer wieder etwas Neues erleben kann. Das A und O wird Begegnung sein.“ Die Finanzmittel von Bund und Land sind bewilligt: „Wir scharren mit den Hufen, dass wir anfangen können,“ so Schaumburg.

Für das Gemeinwohl

Da sind sie nicht die einzigen. Für den Kulturhof Kalk e.V. sprach Meryem Erkus. In dem Verein haben sich zahlreiche Initiativen zusammengeschlossen, die auf einem Teil des Geländes Räume für sozial und künstlerisch Arbeitende und nachbarschaftliche, Konsumzwang-freie Räume und Freiflächen schaffen wollen. Lange Jahre ehrenamtlicher Arbeit liegen schon hinter ihnen; auf ihren im September 2017 eingereichten förmlichen Nutzungsantrag hat die Stadt bis heute nicht geantwortet.

Da ist es für die gute Kommunikation zwischen Akteuren und Stadt auch nicht sehr hilfreich, dass der Finanzausschuss am 30.10. die Freigabe von bis zu 50.000 Euro bewilligen soll, damit moderne stadt „die städtische Immobilie Dillenburger Straße 65 zur potenziellen Nutzung als Kreativhaus“ untersucht – und damit den Büroriegel, den der Kulturhof Kalk e.v. als wichtigen Posten für sein wirtschaftliches Konzept vorgesehen hat. Das mag, wie Niklas Kienitz geraderückt, „kein Präjudiz für eine konkrete Verwendung sein.“ Ein Signal, dass man gemeinsam auf die Suche nach den besten wirtschaftlichen Lösungen gehen will, ist es aber auch nicht.

Will die Stadt sich wandeln? Platz dafür wäre genug. © Foto: koelnarckitektur.de

Rechts um den Dom herum oder linksherum?

Genau das aber mahnt Rolf Novy-Huy von trias an, eine der involvierten Stiftungen, die neben den zukünftigen Akteuren auch zu Wort kamen. Trias hat 43 Projekte in Erbbaurechtsvergabe im Portfolio, doch Novy-Huy möchte nicht ein bestimmtes Finanzierungsinstrument anempfehlen, sondern ein gemeinsames Ringen um die besten Lösungen: „Und ob wir dann rechts um den Dom herum laufen oder lieber links, ist letzten Endes egal.“ Für die Hallen Kalk sieht er „gute Rahmenbedingungen mit den Beratern von startklar a+b und der Montag Stiftung Urbane Räume.“

Als deren Vertreter erläutert Stefan Anspach: „Wir halten diese Fläche für extrem wichtig, für Kalk und für die Stadtgesellschaft. Solche Freiräume sind notwendig für den sozialen Zusammenhalt.“ Mit einem Initialkapital-Projekt im Areal möchte sich die Montag Stiftung Urbane Räume gerne einbringen. Anspach zeigt sich optimistisch, alles geht seiner Einschätzung nach Stück für Stück in die richtige Richtung. 

Schwer zu lenken

Das Liegenschaftsamt aber will offenbar weder rechts noch links um den Dom herum und scheint im Navi ein anderes Ziel einprogrammiert zu haben als das der gemeinwohlorientierten, möglichst kleinteiligen Grundstücksvergabe mit der Kultur als Akteur für Stadtentwicklung. Leider stand kein Vertreter des Liegenschaftsamtes für Anfragen zur Verfügung.

Brigitte Scholz als Leiterin für Stadtentwicklung und Statistik berichtet, dass im September 2020 ein sogenannter „Dialogprozess“ zwischen der Stadt und den Akteuren startete. Derzeit wird ein Bauzustandsgutachten erstellt und eine Wertermittlung für das Areal vorgenommen. Der Satz „wir brauchen Zahlen“ klang wie ein Mantra in ihren Ausführungen immer wieder auf. Die Frage, ob diese Analysen nicht schon vor drei Jahren fällig gewesen wären, … geschenkt!

Niklas Kienitz, Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, glaubt an das Projekt: „Wir wollen in Kalk etwas anders machen. Es geht um die Perspektive aus Kalk selbst heraus und darum, diese unterschiedlichen Elemente miteinander zu verbinden.“

Und es geht um noch viel mehr. Will Köln sich als Stadt zeigen, die in der Lage ist, sich zu wandeln? Das wäre ein wirklich wertvolles Signal in diesen Zeiten.

Ira Scheibe

 

Impulsvorträge

BeL Architektursozietät; Dr. Kathrin Schaumburg, DOMiD e.V. Migrationsmuseum; Rolf Novy-Huy, Stiftung trias; Meryem Erkus, kulturhof kalk e.V.

Podium

Brigitte Scholz, Leitung Amt für Stadtentwicklung und Statistik; Kerstin Asher, startklar a+b GmbH; Stefan Anspach, Montag Stiftung Urbane Räume gAG; Niklas Kienitz, Vorsitzender Stadtentwicklungsausschuss (CDU) und die Vortragenden

Moderation

David Morsi, Urbane Liga

 

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