Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Ein neues Bild von Kirche

Das neue AntoniterQuartier von trint + kreuder, mit einem Kirchplatz, um den sich ein Quartier mit Handel, Gastronomie und Wohnungen entwickelt, ist fertig.

Zu eng, wenig funktional und teilweise nur als Abstellfläche genutzt: Die evangelische Gemeinde der „AntoniterCityKirche“ hatte sich für ihr rund 3300 qm großes Grundstück an der Schildergasse eine Neuordnung gewünscht, mit einem Kirchplatz, um den sich ein Quartier mit Handel, Gastronomie und Wohnungen entwickeln sollte. Pünktlich und (fast) im Kostenrahmen ist das Projekt jetzt fertig geworden, mit dem trint+kreuder d.n.a. den Wettbewerb 2015 gewonnen hatten. Eine Abfolge städtischer Räume ist entstanden, von der Aufweitung an der Schildergasse zwischen Weltstadthaus und Kirche zum urbanen Kirchplatz an der Südflanke des spätgotischen Gotteshauses und schließlich zum ruhigeren, inneren Kirchhof, der von den Räumen des Gemeindezentrums vierseitig umschlossenen ist.

 

Ein großzügiger Kirchplatz schafft Platz für die Antoniterkirche und ihr Wechselspiel mit dem Nachbarn. Foto ©Barbara Schlei

Dass sich Mut und Mühen gelohnt haben, zeigt sich schon, bevor man auch nur ins Gebäude tritt: Die Kölner Innenstadt hat einen neuen Kirchplatz geschenkt bekommen! Zum Stadtraum hin öffnet er sich in ganzer Breite und gibt der spätgotischen Antoniterkirche Raum, um ihre Wirkung zu entfalten. Im Osten und Norden drängt sie sich zwischen die Häuser und Schaufenster der Schildergasse, im Westen wurde sie beim Bau der Nordsüdfahrt ihrer Fassade beraubt, aber ihre Südflanke steht nun frei. Die Tore zum Platz werden zur Nacht geschlossen, tagsüber verschwinden sie hinter einem mittig gesetzten Mauerstreifen.

Da sein, ohne sich aufzudrängen

Der Neubau, für sich genommen, lässt nicht erkennen, dass er ein kirchliches Gebäude ist. Und genau das war der Wunsch von Pfarrer Markus Herzberg und dem Presbyterium: „Trint + kreuder waren im Grunde diejenigen, die am besten verstanden haben, was wir wollten: Wir als Evangelische Gemeinde wollen uns darstellen, aber wir wollen uns nicht aufdrängen. Das Erdgeschoß um den Platz herum wird sich mit gastronomischen Angeboten beleben, und das Foyer unseres Citykirchenzentrums ist in der Brücke prominent platziert. Wir sind da, aber wir stehen nicht im Vordergrund.“

 

Einheitliche Materialien – Betonsteinpflaster als durchgehender Platzteppich, sandsteinfarbene keramische Fliesen und Beton – stärken den baulichen Zusammenhalt des Quartiers. Foto ©Christian Richters

 

Blick von der Brücke in den inneren Hof mit umlaufendem Fensterband, Sitzbänken und V-Stützen. Foto ©Barbara Schlei

Brücken bauen

An drei Seiten liegende Flügel bilden gemeinsam mit der quer über den Platz gespannten Brücke einen Kreuzgang-ähnlichen, inneren Hof aus. „Vorgegeben war ein schwieriges Raumprogramm, viele verschiedene Funktionen mussten miteinander verknüpft werden: Veranstaltungsbereiche und Foyer, Gastronomie und das Gemeindeamt. Das ließ sich nur mit dem Kunstgriff der Brücke verwirklichen“, erläutert der Architekt Kay Trint. In diesem „schwebenden“ Gebäuderiegel liegt das Foyer, den Übergang zum inneren Hof überbrückend und damit eine deutliche Einladung aussprechend. „Dass unser Foyer eine Brücke ist, ist ein schönes Bild für das, was wir tun,“ unterstreicht Pfarrer Herzberg.

 

In einem großzügigen Bogen nimmt sich das Weltstadthauses zur Kirche hin zurück und bildet den ersten der drei kleinen Plätze aus. Foto© Christian Richters

Klare Haltung

Nach außen schirmt sich der Block durch einen kräftigen Gebäudewinkel ab, der zur dynamisch geschwungenen Glashülle des Weltstadthauses von Renzo Piano eine klare Haltung einnimmt. Der siebengeschossige Baukörper ist einerseits der großzügigen Hoföffnung entgegengesetzt und gleichzeitig Pendant zum westlichen Gebäudeabschluss des Weltstadthauses, das zur Gasse hin ebenfalls einen geschlossenen Blockrand ausbildet. Auch nach Süden in Richtung Cäcilienstraße wird im AntoniterQuartier die städtebaulich mögliche Höhe ausschöpft, so dass dieser hohe Gebäudewinkel das Blockinnere gegen den Straßenlärm etwas abschirmt.

 

 

Plätze unterschiedlicher Qualität und kluge Wegebeziehung machen die große Qualität des neuen Quartiers aus. Grundriß 1. Obergeschoß © trint + kreuder d.n.a. architekten
Schnitt mit Weltstadthaus und Kirche © trint + kreuder d.n.a. architekten

 

In den oberen Geschossen sind auf circa 1900 qm Fläche Wohnungen unterschiedlicher Größe entstanden, die frei am Markt vermietet werden. In etwa dieselbe Fläche steht am Blockrand oberhalb von Café und Gemeindeamt für Büros und Praxen zur Verfügung. Über diese Einnahmen soll sich das Objekt selbst erwirtschaften und sich zu Anfang der 2040er Jahre amortisiert haben. Die Gesamtbruttogeschossfläche im Quartier umfasst rund 9.900 Quadratmeter.

Unter den zahlreichen Angeboten, die das Quartier macht, ist sogar ein archäologisches: In der Tiefgarage sind die Grundmauern einer römischen Bibliothek erhalten; bei öffentlichen Führungen können sie besichtigt werden. Sie wurde überraschend bei den Ausschachtungsarbeiten entdeckt. Die vorab durchgeführten Probebohrungen hatten genau daneben getroffen.

„Der liebe Gott mag keine Raufaser“

 „Hier ist alles aufgegangen, was wir geplant haben.“ trint + kreuder haben auch die Einbauten des AntoniterQuartiers entworfen. In den Vitrinen im Foyer werden Fundstücke der römischen Bibliothek zu sehen sein, die bei den Ausschachtungen entdeckt wurde. Foto © Christian Richters

 

Das Gebäude lädt ein zum Aufenthalt – mit seinem ganzen Wesen. Es fängt an bei der Atmosphäre, die durch die feine Materialauswahl erzielt wird: „Die Konstruktion und die Materialität des Gebäudes sind von Einfachheit geprägt,“ beschreibt Kay Trint. Die Farbigkeit des Neubaus ist auf den Naturstein der Kirche abgestimmt. Sandsteinfarbenes Betonsteinpflaster schafft einen durchgehenden Platzteppich. Die Wände bekleiden Riemchen aus bedruckten, keramischen Fliesen. Das Erdgeschoß markieren verputzte V-Stützen, die diesem Bereich zurückhaltend, aber unverwechselbar Identität geben. Leicht lasierter Sichtbeton dominiert in den Innenräumen; Glas, Eichenholz, Metallelemente und Betonwerkstein vervollständigen den Materialkanon.

 

Der Veranstaltungssaal … Foto © Christian Richter
 …und unterschiedlich große Büroeinheiten öffnen sich mit Blick auf den Dachgarten. Foto ©Barbara Schlei

 

Im ersten Stock mit seinen öffentlichen und halböffentlichen Räumlichkeiten umzieht ein Fensterband den Innenhof. Die Fensterbänke bieten sich als Sitzgelegenheiten an, und sehr gerne nimmt man Platz und freut sich über all die vielen Durchblicke und die klar gestalteten und eingerichteten Räume. Jeglicher Versuch des Verhübschens, der kirchlichen Gemeindezentren ja gerne anhaftet, wurde hier konsequent vermieden, denn, dessen ist sich Pfarrer Markus Herzberg sicher, „der liebe Gott mag keine Raufaser.“

Durch sorgfältige architektonische Planung und Gestaltung in enger Abstimmung mit der Bauherrin, der evangelischen Kirche, entstand an der Schildergasse mit ihrem strömenden Hin- und Her kaufberauschter Menschen ein Ort, an dem es nicht um Preise geht, sondern um Werte. Mittendrin zeigt sich dieses neue Bild von Kirche, und es ist für alle offen.

Ira Scheibe

  • Entwurf und Einbauten: trint + kreuder d.n.a. architekten
  • Ausführungsplanung: PFEFFER Architekten + Ingenieure GmbH
  • Generalunternehmer: Ed. Züblin AG
  • Innenarchitektur: Annette Meijerink Innenarchitektur und Design
  • Landschaftsarchitektur: Greenbox Landschaftsarchitekten

Die geplanten Eröffnungsfeiern mit einem vierwöchigen Veranstaltungsprogramm mussten aufgrund der Corona Pandemie abgesagt werden. Ende August wird voraussichtlich die Gastronomie starten, und es werden sukzessive öffentliche Veranstaltungen der Gemeinde angeboten. Weitere Infos gibt es auf der Internetseite des Antoniter Quartiers.

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