Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Campus Kartause

Kaspar Kraemer gewinnt den Wettbewerb für ein Evangelisches Zentrum am Kartäuserwall

Kolonnaden- und Arkadengänge, hell verkleidet, rahmen den Platz, in der Mitte plätschert ein Brunnen, und ein Campanile steht auch noch da – Bella Italia in der Südstadt, aber nicht für Dolce Vita: Im Campus Kartause werden die Bildungseinrichtungen des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region zusammengefasst, und auch für Wohnungen ist Platz. Die Anwohner freuen sich trotzdem nicht alle. Und das Preisgericht hätte gerne Aspekte verändert, die gerade den Charme des Ganzen ausmachen. Es ist also noch ein weiter Weg nach Italien.

Fährt man von der Ulrepforte aus den Kartäuserwall hoch, liegen rechts die meist eingeschossigen Ausläufer der Häuser am Sachsenring und links quer zur Straße gesetzte Wohnriegel. Kurz bevor dann die für die Südstadt typische Blockrandbebauung beginnt,  geht es links auf den Parkplatz der Melanchthon Akademie. Die Erwachsenenbildung des Evangelischen Kirchenverbands ist in zwei Gebäuden aus den 60er Jahren untergebracht, deren Sanierung nicht lohnend erschien.

 

Heute befinden sich auf dem Gelände ein Parkplatz, circa 20 Bäume und die Melanchthon Akademie. © Google Maps

 

Der Kirchenverband lobte eine Mehrfachbeauftragung unter sieben Architekturbüros aus. Die Jury, in der die Stadt Köln, die Politik, der Evangelischen Kirchenverband, Architekten und Fachleute vertreten waren, vergab an Kaspar Kraemer Architekten mit Andreas Schröder für die Landschaftsarchitektur auf den ersten Platz. Der zweite Preis ging an das Büro npa Nebel Pössel. Weitere Teilnehmer waren design team c mit Studiostadt, Königs Architekten, Spital-Frenking + Schwarz, Thesing & Thesing und V-architekten.

Die Bildungseinrichtungen des Evangelischen Kirchenverbands nutzen den Neubau im Trakt rechts im Bild, im linken und hinteren Teil entsteht vorrangig Wohnraum. © Kaspar Kraemer Architekten

 

Die Blockrandbebauung am Kartäuserwall wird in dem östlichen Eckgebäude aufgenommen. Mit den Gesims- und Traufhöhen und dem Satteldach mit Gauben orientiert es sich an seinem Nachbarn. An der westlichen Eingangsseite ist der Baukörper diagonal vom Straßenverlauf zurückversetzt und bietet so eine einladende Öffnung ins Quartier, zu einem Kaffee unter Bäumen zum Beispiel. Die Gebäude erhalten eine helle, beige-graue Ziegelfassade.

 

Längsschnitte ©Kaspar Kraemer Architekten

 

Stadtkartause

Der Kartäuserorden wurde vom Hl. Bruno von Köln im 11. Jh. gegründet, doch die Kölner Kartause stammt erst aus dem 14. Jh. Ursprünglich zog es die Mönche in abgelegene Gegenden. In den Klöstern lebten sie in eigenen, voneinander unabhängigen Wohneinheiten. Erst im 14. Jh. wurden Stadtkartausen wie die in Köln gegründet, die sich zu Zentren des Humanismus entwickelten. Die Kirche des Ordens nebst Kreuzgang ist an der Kartäusergasse erhalten. Auch die neueren Gebäude im „Kartäuser-Gelände“, das in den 1920ern der Evangelischen Kirche übereignet wurde, nehmen die orthogonale Grundstruktur geschlossener Höfe auf.

 

Viergeschossige Riegel umgeben einen quadratischen Innenhof. Das Preisgericht wünscht für die weitere Entwicklung eine stärkere Entsiegelung der Flächen. © Kaspar Kraemer Architekten

 

Diese Geste zeichnet auch der Neubau mit seinen offenen, U-förmigen Hofstrukturen nach. Auch hier kann man einen Kreuzgang erkennen, in einem quadratischen, nach Süden offenen Innenhof, um den herum sich die Gemeinschaftsfunktionen ansiedeln. Gleichmäßig rhythmisiert und relativ abgeschlossen, entsteht hier ein besonderer Raum: „Würde und Anspruch religiös geprägten Lebens und des protestantischen Glaubens manifestieren sich in dieser architektonischen Grundform des Miteinanders,“ formulieren es Kaspar Kraemer Architekten. In aller Konsequenz ist der Kreuzgang-Gedanke aber nicht zu Ende geführt, der Platz ist Teil des städtischen Wegenetzes und von mehreren Seiten durchquerbar.

 

Raumprogramm Kartäusercampus

Die bisher auf zwei Standorte verteilten Bildungseinrichtungen des Kirchenverbandes werden im „Haus der Bildung“ zusammengelegt: die Melanchthon-Akademie, die Familienbildungsstätte, das Jugendpfarramt, das Schulreferat und das Pfarramt für Berufskollegs. Sie sind im östlichen Baukörper untergebracht. Im Erdgeschoss gelangt man in ein großzügiges, längsgestrecktes Foyer und in die gemeinsamen genutzten Räume wie den Veranstaltungssaal, die Bibliothek und den „Raum der Stille.“

Im zweiten Bauabschnitt liegen Büros, aber vor allen Wohnraum: 41 Apartments für Studierende und 18 öffentlich und frei finanzierte Wohnungen mit drei bis fünf Zimmern sind geplant. Hinzu kommen diakonisch betreute Wohngruppen und eine evangelische Kommunität mit zwölf Personen.

 

Zuviel Kulisse?

Der Westflügel soll über einen „Campanile“ erschlossen werden, der auch ein sichtbares Zeichen der Gesamtanlage sein soll. Das Preisgericht war hin- und hergerissen: „Der Turm zur Erschließung der Studierendenwohnungen verwundert zunächst und wird kontrovers diskutiert. Er ist Blickfang und überzeugt für die Raumbildung des Platzes, wird jedoch auch als nicht authentisches Bühnenbild empfunden.“

Viergeschossige Riegel umgeben einen quadratischen Innenhof. Das Preisgericht wünscht für die weitere Entwicklung eine stärkere Entsiegelung der Flächen. © Kaspar Kraemer Architekten

 

Weiter formulierte die Jury: „Die Arbeit besticht durch eine klare städtebauliche Raumbildung und eine funktional und räumlich überzeugende Grundrissorganisation. Sie schafft es, dem Campus ein unverwechselbares, in vielen Punkten kohärentes und hochwertiges Gesicht zu verleihen und weist die nötige Robustheit auf, um im weiteren Planungsprozess zu bestehen.“ Neben diesem runden Lob wurde für die weitere Entwicklung allerdings eine stärkere Entsiegelung der Freifläche angemahnt.

Auch zum Äußeren der Gebäude gibt es Hausaufgaben: „Die Fassadengestaltung ist überaus feingliedrig und wohltuend im Maßstab. Dabei wirkt sie sehr nah an historische Vorbilder angelehnt, was überwiegend kritisch, weil zu wenig zukunftsweisend beurteilt wird.“ Die teilweise historisierende Ausprägung soll zurückgenommen werden.

 

Ein weiter Weg

Es ist beklagenswert, dass das Preisgericht ausgerechnet das kritisiert, was den Charme des Entwurfs ausmacht. Schaut man sich den computeranimierten Film zum Projekt an, taucht man ein in eine schöne Architekturphantasie, die stimmig ist, WEIL sie historisiert, WEIL sie sich einen Campanile traut und WEIL die Piazza gepflastert ist – in der Idealstadt Pienza wachsen auch keine Pinien aus den Bodenplatten. Wie die Architekten nun all dies „weiterentwickeln“ und „anders lösen“ ohne den Entwurf, den die Jury prämiert hat, bis zur Unkenntlichkeit zu verwässern, wird die Herausforderungen der kommenden Planungsstufen sein.

Der Baubeginn ist für 2023 geplant, aber bis dahin ist es ein weiter Weg. Der Stadtrat muss den Satzungsbeschluss für den Bebauungsplan fassen. Im Vorfeld soll die Öffentlichkeit beteiligt werden, und das wird sie tun, denn die Anwohner beklagen, dass der Bau zu massiv wird und die „Frischluftschneise“ zugebaut wird…. Fortsetzung folgt, demnächst hier!

Ira Scheibe

 

Zur Internetseite Campus Kartause des Evangelischer Kirchenverband Köln und Region


Anwohner sind gegen die Neubebauung

 

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