Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Archetypus Haus

Mit der Neuen Mitte Porz wird die Stadt nicht neu, sondern weitergedacht

Drei Baukörper, als Ensemble gedacht, sollen die die Neue Mitte Porz am Friedrich-Ebert-Platz bilden, so sieht es die städtebauliche Rahmenplanung (siehe: Eine Frage der Größe) von JSWD Architekten vor. Die darin vorgegebenen Kubaturen der überwiegend viergeschosigen Baukörper suggerieren durch giebenständige Ansichten eine kleinteilige, gewachsene Altstadt-Struktur, die einen Gegensatz zu der Betrachtung des Blocks als eine funktionale Einheit bildet. Bewusst wurden hier vertraute Formen und Materialien verwendet, diese jedoch zeitgemäß (also nicht historisierend s. Neue Altstadt Frankfurt) und der Nutzung entsprechend interpretiert.

Grundriss der Obergeschosse 1-3 Haus 1 © JSWD Architekten / moderne stadt

Haus 1: JSWD Architekten

Das von moderne stadt zu errichtende Gebäude flankiert das westliche Portal zur Neuen Mitte und gibt ihr ein Gesicht. JSWD zeigt hier beispielhaft für alle drei Häuser, wie die von ihnen im städtebaulichen Rahmenkonzept entwickelten Gestaltungsvorgaben umgesetzt werden können. An den Stirnseiten von Haus 1 spielt Giebelständiges mit dem Bild altstädtischer Kleinteiligkeit, das mit modernen Lochfassaden kontrastiert wird, die auch Schaufenster und Loggien integrieren. Im Erdgeschoss ist ein Vollsortimenter mit Gastronomie geplant, in den Obergeschossen werden 49 frei finanzierte Mietwohnungen unterschiedlicher Größe um die innenliegende Dachfläche mit Grün- und Spielflächen angeordnet. Die hier angelegte Nutzungsmischung bildet einen wesentlichen Punkt zu Wiederbelebung der Porzer Innenstadt.

Blick von der Hauptstraße auf Haus 1, rechts zwischen Kirche und Neubau erschließt sich die Neue Mitte © JSWD Architekten / moderne stadt

Die Fassaden werden in hellen, farblich variierenden Steinpressriemchen verkleidet, der glatte Dachstein nimmt die Farbigkeit des Ziegels auf. Eine gestalterische Unterteilung der Fassade in Einzelkörper soll durch unterschiedliche Arten der Verfugung erreicht werden. Die Fassaden werden zudem durch Rücksprünge, die mehrere Fenster zusammenfassen, plastisch gegliedert. Die Rahmen der bodentiefen Fenster sind ebenso wie die Stabgeländer vor den Loggien und Fenstern dunkelgrau, im Erdgeschoss sind helle Markisen vorgesehen.

Das Zusammenspiel der Gebäude als Ensemble soll durch eine korrespondierende Gestaltung der Fassaden gestärkt werden. Mit dem Ziel ein im Detail vielfältiges Erscheinungsbild zu erzeugen, wurden für Haus 2 und 3 im Sommer 2018 Qualifizierungsverfahren durchgeführt. Jeweils fünf eingeladene Büros sollten auf Basis der vorliegenden Planungen von JSWD Vorschläge für die Fassadengestaltung der vom öffentlichen Raum sichtbaren Bereiche erarbeiten und Grundsatzaussagen zum Umgang mit der Dachlandschaft machen.


Haus 2: Molestina Architekten

Sahle Wohnen erwarb im Dezember 2017 Baufeld 2 und tritt als Bauherr für das viergeschossige Wohn- und Geschäftshaus auf, das im nördlichen Bereich des Planungsgebiets zwischen City-Center und Wohnbebauung vermitteln soll. Molestina Architekten überzeugten im Qualifizierungsverfahren mit ihrer Auslegung der gewünschten Kleinteiligkeit in den Ansichten der Großform Haus 2.

Schnitt und Ansicht Haus 2 © Molestina Architekten
Ansicht von Süd-Osten auf die Stadtseite von Haus 2. Im Hintergrund die bestehende Wohnbebauung © Molestina Architekten

Zehn „Häuser“, ablesbar an ihren Giebeln und der Gruppierung der Fenster, gliedern die Anlage, die einen grünen Blockinnenraum umschließt. Die Erdgeschosse sollen als Ladenlokale genutzt werden, während in den drei Obergeschossen 52 geförderte 1-2 Zimmer-Wohnungen für ältere Menschen geplant sind. Der Giebel an der Süd‐West‐Ecke ist mit 24 Metern am höchsten und betont damit den Kreuzungspunkt der drei geplanten Neubauten. Voraussetzung zur Realisierung des Entwurfs ist eine kostensparende Bauweise für eine „eine hochwertige, langlebige Fassade mit geringem Wartungsaufwand“.
Molestina Architekten wählten demzufolge eine konventionelle Bauweise mit einem hohen Standardisierungsanteil. Doch auch in diesem Rahmen fanden sie kleine Gestaltungsspielräume, um zum Beispiel durch die Verwendung von zwei unterschiedlich farbigen Mörtelsorten die Tonalität der Vollklinker-Ansichten zu variieren.

Haus 3: Kaspar Kraemer Architekten

Durch den Abriss des Dechant-Scheben-Hauses wird die denkmalgeschützte Kirche St. Josef wieder freigestellt. Die neuen Räume für die Gemeinde werden im Erdgeschoss von Haus 3 geplant. © Kaspar Kraemer Architekten

Kaspar Kraemer Architekten überzeugten im Qualifizierungsverfahren für Haus 3, das von der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft (Aachener SWG) gebaut wird. Die Bauherren wünschten eine „qualitativ wertige Architektursprache und bevorzugen einfache, wartungsarme Detaillösungen“.

Erdgeschoss-Grundriss Haus 3. Blau markiert ist der Pfarrsaal mit Nebenräumen, grün das Pfarrbüro von St. Josef. Gelb unterlegt sind Ladenlokale © JSWD

Der Neubau wird den Kopf eines bereits bestehenden Blocks bilden, der sich von Süden auf den Friedrich-Ebert-Platz schieben wird. Die Aachener SWG plant in Haus 3 eine Mischung aus kirchlichen und gewerblichen Nutzungen im Erdgeschoss und 30 frei finanzierten 2-5 Zimmer-Wohnungen in den Obergeschossen zu realisieren. Nach dem Abriss des Dechant-Scheben-Hauses wird die Kirchengemeinde St. Josef neue Räume im Haus 3 beziehen. Das Pfarrbüro und der Pfarrsaal mit Nebenräumen werden über zwei getrennte Eingänge vom Friedrich-Ebert-Platz erschlossen, ie Gruppenräume liegen an der Josefstraße. In den übrigen Bereichen des Erdgeschosses sind Ladenlokale geplant.

Die vier giebelständigen Hauser der Nordansicht von Haus 3 sind als Familie erkennbar und ordnen sich einem harmonischen Gesamtbild unter. © Kaspar Kraemer Architekten / Aachener SWG

Die Fassadengestaltung orientiert sich auch hier am Duktus der von JSWD gesetzten Parameter, um über die Kleinteiligkeit die gewünschte Ensemblewirkung zu erzeugen. Die dem Platz zugewandte Nordfassade des Gebäudeblocks zeigt vier Giebel mit unterschiedlicher Dachneigung, die vier „Häuser“ ruhen auf Stützen und erscheinen als Einzelhäuser, die die Idee des Baublocks jedoch nicht unterwandern.

Über den derzeit laufenden freiraumplanerische Ideenwettbewerb mit Realisierungsteil Friedrich-Ebert-Platz werden wir berichten, sobald es eine Entscheidung gegeben hat.

Mit der Weiterentwicklung der im Rahmenplan festgesetzten Gestaltungsparameter kann es gelingen, die Porzer in ihrer Mitte endlich heimisch werden zu lassen. Große Figuren schaffen eindeutige Räume, eine kleinteilige Gliederung einen menschlicheren Maßstab. Nun bleibt noch zu wünschen, dass Läden und Gastronomie ausreichend Gründe geben werden, zu Kommen und Bleiben.

Uta Winterhager

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