Als Oskar Tietz im Jahr 1900 unter dem Namen seines Onkels Hermann Tietz sein erstes großes Warenhaus in Berlin eröffnete, war das eine Sensation. In Scharen strömten die Bürger in das prunkvolle Gebäude in der Leipziger Straße, um das Warensortiment aus aller Welt aus nächster Nähe bewundern und kaufen zu können. Heute, über einhundert Jahre später, ist von dem einstigen Glanz der Her(mann)Tie(tz)-Kaufhäuser schon lange nichts mehr zu spüren. Jeder kennt die Warenhaus-Typologie, die zwischen den 60er und 80er Jahren fast flächendeckend installiert wurde: groß, introvertiert, funktional. Wichtigstes Element: die Integration von Parkhäusern in den Baukörper sicherte den Besuch zahlreicher Kunden aus dem Umland. Häufig wurden die Kaufhäuser eingebettet in städtebauliche Sanierungsmaßnahmen. Handel bringt Wandel, ja. Ein probates Mittel also, desolate Innenstädte mit verheißungsvollem Warenangebot aufzuwerten und somit urbane Fixpunkte zu generieren. Und trotzdem, die oft abweisende und stereotypisierte Gestaltung der Fassade der damaligen Zeit, ließ schon nach kurzer Zeit Kritik laut werden.
Es kam, wie es kommen musste: verändertes Konsumverhalten, das Aufkommen innerstädtischer Shopping-Center und natürlich der Online-Handel zwangen den Konzern bereits seit den 80er Jahren wieder und wieder in die Knie: mit der Schließung aller 73 Filialen bis zum Jahr 2009 wird das bittere Ende der Warenhauskette dann endgültig besiegelt. Vor allem in Nordrhein-Westfalen, mit 34 Filialen, sind es gerade die betroffenen strukturschwächeren Mittel- und Kleinstädte, die bis heute mit dem Leerstand dieser stadtbildprägenden Immobilien zu kämpfen haben. Die Hertie-Häuser bilden gewissermaßen das Epizentrum einer Problemstellung von besonderer stadtentwicklungspolitischer Tragweite: nicht nur der Handel in unmittelbarer Umgebung ist von Umsatzverlusten betroffen, sondern vor allem den benachbarten Immobilien droht ein gravierender Wertverlust.
Auch das rechtssrheinische Porz, nicht gerade durch seine architektonischen Highlights bekannt, wurde mit einem solchen Prachtstück durchrationalisierter Handelsarchitektur beglückt. Wie viele seiner Leidensgenossen ist inzwischen auch das Porzer Hertiehaus zu einem erkrankten Stadtbaustein verkommen. Ähnlich wie Lünen, Detmold oder Hamm, handelt es sich bei Porz ebenso um keine sogenannte A-Lage, was das Zögern der privaten Investorenschaft in den letzten Jahren verdeutlicht. Aber als Zentrum des nicht unbedeutenden Stadtbezirks und vor dem Hintergrund des Wachstums der Stadt Köln, schlummert in der Revitalisierung des Standortes durchaus ein Potential, das es zu reaktivieren gilt.
Spät, aber hoffentlich nicht zu spät, entschied die Stadt Köln bei der Reparatur des Ortes eine Schlüsselrolle zu übernehmen und kaufte 2014 die heruntergekommene Immobilie. Die städtische Stadtentwicklungsgesellschaft moderne stadt wurde daraufhin mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt, die sie in Zusammenarbeit mit dem Kölner Architekturbüro JSWD Architekten ausarbeitete. Im März dieses Jahres wurden in einer Bürgerinformation in Porz durch den OB Jürgen Roters, den Baudezernenten Franz-Josef Höing und den Geschäftsführer der modernen stadt Bernd Streitberger die aus der Studie hervorgehenden vier Varianten zum Umgang mit dem Areal vorgestellt. Wie kann es gelingen, eine neue Dynamik des Einzelhandels in Schwung zu bringen? Welche städtebaulichen Eingriffe könnten Nährboden für neue Nutzungen sein? Das waren die Fragestellungen der Studie.
Möglichkeiten
Dem grundsätzlich möglichen Erhalt des Gebäudes, stehe eine städtebaulich schwer vertretbare Disposition gegenüber, so die Bestandsaufnahme der Studie. Der rechteckige Baukörper mit seiner funktionalen, abweisenden Fassade bilde eine visuelle und strukturelle Barriere zwischen der Porzer City und dem Friedrich-Ebert-Platz und verhindere dessen Anbindung als urbanen Marktplatz an die Innenstadt. Die wuchtige Fußgängerbrücke über der tieferliegenden Hauptstraße und ihre unübersichtliche Treppenanlage verunkläre die Laufachse Richtung Rhein und das an die St-Joseph-Kirche angebaute Dechant-Scheben-Haus verschließe den Platz und bilde mit seinen Passagen nicht akzeptable Angsträume.
In jeweils zwei Varianten untersucht die Studie sowohl der Erhalt der Hertie-Immobilie als auch ihren Abriss. Die von der Stadt Köln, der modernen stadt und den Bürgern favorisierte Variante B1 sieht den Abriss des Herties und die städtebauliche Neuordnung durch drei neue Baukörper mit insgesamt etwa 36.200 qm BGF vor. Der Rückbau des Dechant-Scheben-Hauses könnte die St-Joseph-Kirche als identitätsstiftenden Baustein wieder freilegen und damit einen von drei Seiten erreichbaren Marktplatz zulassen. Eine neue, schlanke Fußgängerbrücke lädt zum Spaziergang Richtung Rhein ein.
Lauf- und Sichtbeziehungen werden klar strukturiert und ermöglichen neue Einzelhandelskonzepte in den Erdgeschosszonen. In den oberen Ebenen sind ausschließlich Wohnungen vorgesehen. Die Baukörper stellen zum jetzigen Zeitpunkt lediglich städtebauliche Volumen dar und sind architektonisch noch nicht weiter präzisiert. Die Giebeldächer in den Skizzen von JSWD Architekten deuten aber bereits eine mögliche Auflockerung an. Diese Variante, so heißt es in der Vorlage für den Ratsbeschluss im September, “verbindet (…) einen guten Städtebau und eine hohe Ausnutzung mit einer Vielzahl von innerstädtischen Wohnungen (…).”
Am vergangenen Dienstag wurde bei der Vorstellung der Studie durch die beiden Geschäftsführer der modernen stadt Andreas Röhrig und Bernd Streitberger im Haus der Architektur Köln betont, dass die Varianten noch keine abgeschlossenen städtebaulichen Lösungen darstellen. Sollte die moderne stadt, die mit vergleichbaren Revitalisierungen bereits oft ihr Können unter Beweis gestellt hat, das Areal direkt von der Stadt kaufen können, würde mit Unterstützung kommunaler Mittel und Mitteln der Städtebauförderung zügig mit der Aufbereitung der Flächen begonnen werden. Danach würde, wieder in Zusammenarbeit mit Bürgern, ein städtebauliches “fine-tuning” vorgenommen werden, auf dessen Basis die Erstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes, die Vorbereitung von Baufeldern und die Ausschreibung von Investoren- und Architektenwettbewerben stattfinden kann.
Dass es sich hier nicht um einen Einzelfall, sondern um eine deutschlandweite Sanierungsaufgabe handelt, zeigt auch eine Studie der Landesinitiative StadtBauKultur, die erst kürzlich veröffentlicht wurde. Untersucht wurden hier best-practice Beispiele von Umnutzungen ehemaliger Warenhäuser. Vielleicht wird ja demnächst auch in Köln ein weiteres Beispiel behutsamer Stadtreparatur und der so dringend benötigte, erschwingliche Wohnraum geschaffen. Den Porzer Bürgern wäre es jedenfalls zu wünschen. Im September 2015, wird der Stadtrat nun endlich über den weiteren Verlauf des Projektes abstimmen. Bleibt zu hoffen, dass die Akte Hertie auch nach der anstehenden Oberbürgermeisterwahl prioritär behandelt wird.
Annelen Schmidt
Link zum Projekt auf der Homepage der Stadt Köln:
Link zur kompletten Machbarkeitsstudie:
Link zur Studie der Landesinitiative StadtBauKultur NRW: