Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Die Suche nach dem sakralen Ausdruck

Der Umbau der Christuskirche ist abgeschlossen. Was bleibt von der Skulptur in der Stadt?

Es gibt Momente, die machen uns Architekturmenschen traurig. Wenn man sieht, dass jemand etwas Großes vorhatte, etwas das richtig gut hätte werden können, etwas, das alle Beteiligten unheimlich viel Kraft gekostet hat, am Ende aber nicht geklappt hat. Zeit, Geld, Kommunikation, die Gründe sind vielfältig und in der Tat oft auch zu verstehen. Doch die hohe Kunst der Architektur besteht eben darin, gegen alle Widerstände etwas zu schaffen, dem der Kompromiss nicht ins Gesicht geschrieben steht. Wissen was geht und wo es geht, ein Gespür für den Ort und die Funktionen zu entwickeln, ist eine hohe Kunst, die manchmal auch Verzicht fordert.

 

Maier+ Hollenbeck, Chistus Kirche Köln
Das zum Kirchenraum hin offene Turmzimmer entspricht dem Originalzustand von 1894. Foto © Axel Hartmann

 

Weil Kirche heute anders ist

Der neogotische Turm der Christuskirche ist der zweithöchste in Köln. Zwar überragt er die Häuser des Belgischen Viertels um mehr als fünfzig Meter, doch im dichten städtischen Gefüge am Rand des Stadtgartens nutzt ihm seine Größe wenig, erst wenn man unmittelbar davor steht, nimmt man ihn wahr. Dennoch ist dieser Turm ein Zeichen, auch weil er stehen blieb, als im Zweiten Weltkrieg das Kirchenschiff vollständig zerstört wurde. Zunächst wurde er mit einer Notkirche, später mit einer einfachen Hallenkirche (Architekten Schulze und Hesse) ergänzt, damit die Gemeinde hier wieder Gottesdienste feiern konnte. Bekannt war die Kirche vielen Kölnern aber auch, weil in ihrem Basement auch BAP, die Bläck Fööss und Joy Division Musikgeschichte geschrieben haben. Doch dies alles war – außer vielleicht dem Turm – nicht für die Ewigkeit gemacht, sodass die Gemeinde mit Pfarrer Christoph Rollbüchler die Gelegenheit ergriff, sich auf zweierlei Weise neu zu positionieren und den inhaltlichen Gemeindeaufbau mit dem Kirchbau abzustimmen. 2008 lobte die Gemeinde einen Wettbewerb für einen Umbau der Kirche und einen Neubau angrenzender Wohn- und Geschäftsbauten aus. Ein ungewöhnliches Vorhaben mag man denken, doch zeigt die evangelische Kirche in Köln mit dem Ernst-Flatow-Haus und den Planungen für das AntoniterQuartier, dass dies immer mehr zur gängigen Praxis wird, denn, ganz abgesehen von ihrer sozialen Verantwortung, haben auch die Gemeinden einen Haushalt, um den sie sich kümmern müssen.

 

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Entworfen wurde der Bau zunächst ohne Inhalt (und damit auch ohne Zwänge) – Gips-Skulptur eines frühen Zustands © Maier / Hollenbeck

 

Gewonnen haben den Wettbewerb die Architekten hollenbeck.plato, ausgeführt wurde der Bau nun von der Arbeitsgemeinschaft Klaus Hollenbeck Architekten MAIER ARCHITEKTEN. Klaus Hollenbeck begleitet dieses Projekt schon seit über 20 Jahren, der Entwurf geht bis in sein Studium zurück. So ist sein abstrakter Ansatz, die Bauaufgabe über eine Skulptur zu lösen, auch vollkommen nachvollziehbar. Auch das Bild der Kirchmauern ist schlüssig, neigen sich doch zwei identische Wohnriegel ganz leicht auf den Turm zu, den sie an einer ihrer Stirnseiten mit schützender Geste fassen. In den Raum dazwischen schiebt sich das kompakte neue Kirchenschiff in dessen Achse ein Sakraler Garten die Kirche in den Außenraum öffnet. 5200 Quadratmeter Raum sind hier entstanden, darin sieben Gewerbeeinheiten, das Gemeindezentrum und 21 Mietwohnungen mit einer Größe von 50 bis 100 Quadratmetern, unter denen es keine zwei gleichen gibt. Und doch muss man, wenn man sich dem Bau nähert, innehalten. Es ist egal von welcher Seite man kommt, immer stellt sich die Frage, warum sie sich das angetan haben.

 

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Heute steht der Sakralen Garten noch jedem offen, doch bald wird sich zeigen, ob Zaun und Tor nötig sein werden. Foto © Axel Hartmann

 

Kann die Skulptur die Funktion ertragen

Irgendwann kommt man beim Planen und Entwerfen an den Punkt, wo Architekt und Bauherr sich entscheiden müssen, wie viel von der ersten großen Idee, von der Skulptur, von dem Bild sich tatsächlich bauen lässt, woran man festhalten kann. Zwei Kirchmauern zu errichten, die den Sakralraum bergen oder, anders betrachtet, erst entstehen lassen, ist schön und grade in einem lebhaften städtischen Umfeld überzeugend. Dass diese Kirchmauern nun nicht in der Gestalt eines gewöhnlichen Geschosswohnungsbaus auftreten dürfen, sondern als Skulptur mit gekrümmten und gewölbten Flächen entworfen wurden, ist nachvollziehbar. Schwierig wurde es damit, als die anspruchsvollen Flächen und Volumen Funktionen übernehmen mussten. Die Fassaden sind weiß geputzt, sodass der Neubau nah an der Gipsskulptur und deutlich vom Kirchturm unterscheidbar bleibt. Es ist deutlich zu sehen, dass die Architekten sich hier viele Gedanken machen mussten. Die verschiedengroßen Öffnungen folgen keinem Raster, keiner Ordnung, die die Geschosse zählbar und den abstrakten Baukörper zum Wohnhaus machen würde. Auch die Loggien, die an Stelle von Balkonen eingeschoben wurden, liegen demzufolge niemals direkt übereinander. Doch die Skulptur, die hier entstehen soll, funktioniert nur als Gesamtheit und duldet keinen Kompromiss. Kunststofffensterrahmen möchte man hier nicht sehen. Auch keine Fensterbänke – dass sie, genau wie die Loggien, nach Innen entwässert werden, um Schlieren und Auslässe zu vermeiden, spielt dann schon fast keine Rolle mehr. Der Aufwand, den diese Planungen in Konstruktion und Technischem Ausbau erforderten, war gewaltig und verursachte Kosten, die, da die Gemeinde mit einem begrenzten Budget baute, an anderer Stelle eingespart werden mussten, was sich leider nicht verbergen lässt.

 

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Auch der Sakrale Garten ist ein Ort für Gottesdienste. Foto © Axel Hartmann

 

Dass die Wohnriegel an ihren Stirnseiten geschlossen sind und die Mieter nur übereck auf den Stadtgarten blicken, ist ebenfalls dem Konzept geschuldet. Denn so erscheint der Kirchgarten von zwei neutralen weißen Volumen gefasst und der Blick fällt auf die mit Cortenstahl verkleidete Chorwand des Kirchenraumes. Diese überragt die Flügelbauten zeichenhaft um einige Meter, unzählige kleine kreuzförmige Lochungen nehmen ihr ein wenig die Massivität. Richtig schlüssig ist die Wahl des an diesem Ort fremden Materials nicht, doch verleiht sie diesem halböffentlichen Raum doch eine gewisse Stärke und Robustheit.

 

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Blick aus dem Altarraum auf Eingang, Orgelempore und Turmzimmer. Das Motiv der Fensteröffnungen wird als Blindfemster im Innenraum fortgeführt. Foto © Axel Hartmann

 

Atmosphärische Verbindung

Ganz anders ist das Erleben des Kirchenraumes, den die Besucher über den nun neu benannten Dorothee-Sölle-Platz durch den historischen Eingang im Turm betreten. Dunkel ist es dort, doch das von vorne einfallende Licht übernimmt die Führung. Unter der Empore sieht man sich noch im historischen Teil der Kirche, nur wenige Schritte weiter öffnet sich unerwartet hell und modern der Sakralraum in dessen Mittelachse der Altar steht. Durch das ausgewogene Verhältnis von Höhen und Tiefen, dem Spiel von Kunst- und Tageslicht mit Schatten und Lichtpunkten, entsteht hier an der Schnittstelle von Altem und Neuem etwas durchaus Bewegendes, ein Raum mit Atmosphäre, der wohl durchdacht ist, aber nicht angestrengt wirkt. Die originalen Farbfassungen, die Empore, das wiederentdeckte und nun geöffnete Turmzimmer, das nun den Blick auf das Rosettenfenster freigibt, erzählen von früher, der Kirchenraum selbst ohne Stufen und Schranken zeigt sich offen und frei von hierarchischer Ordnung.

Aus der Jurybewertung für die Fensterentwürfe von David Schnell: „Anklänge an Gegenständlichkeit, Assoziationen von Landschaft und Architektur … Gleichzeitig eine pixelartige Auflösung, Verschiebungen, Neuordnungen zu einem transzendenten Farbraum“. © Künstlerische Entwürfe: David Schnell, courtesy Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin, 3D-Visualisierung Architektur und Kirchraum: Sven Röttger, Architekt

 

Am Sonntag, dem 25. September 2016 wird die neue Christuskirche feierlich eingeweiht. Für den ersten Advent ist dann die Weihe der von dem Leipziger Maler und Grafiker David Schnell gestalteten Fenster geplant. Schnells abstrakte, in zarten Rot- und Rosatönen gehaltenen Entwürfe für das Rosettenfenster und die schmalen Fenster, die Flanken und Kirchenschiff bzw. Turm trennen, konnten in dem dazu ausgelobten Ideenwettbewerb zunächst die Jury und anschließend das Presbyterium überzeugen, da „Formensprache, Bildkomposition und Farbigkeit einen klaren Bezug zum historischen Kirchturm mit der Orgelempore im Innenraum wie zum modernen Kirchenschiff des Neubaus herstellten“. Durch diese außergewöhnliche Facette wird der Kirchenraum erst vollständig sein.

 

Uta Winterhager

 

1 Kommentar

Dieser Bau ist so unsäglich schlecht, daß einem die Augen weh tun, man gewöhnt sich auch nach Monaten nicht daran. Wenn da etwas von Skulptur stehen soll, dann manifestiert sich daein völlig unorganischer Unkörper aus schlechtem, billig wirkenden Material. Ein urbaner Unort ist enstanden, der in einem Gewerbegebiet der Kölner Peripherie nicht weiter auffallen würde und lieber niemals hätte gebaut werden sollen. Die Akkustik tut ihr übriges, im sogenannten Andachtsraum, der die zweimal zerstörte Kirche ersetzten soll, wird es wohl nie ein gescheites Konzert mehr geben geschweige denn daß dort Andacht aufkommen kann. Alles ist vermasselt und schlecht, man kann über die Verweildauer der armen Trockenwohner, die zu Wuchermieten dort eingezogen sind nur spekulieren. Selbst die Graffitie-Künstler meiden diese Objekt mit seinen Schrägvorlagen. Eine Riesenchance für das wunderbare und vorher wohnliche Viertel wurde vertan, ein sozialer, kultureller und geistiger Treffpunkt mutwillig und profitgierig zerstört statt ihn resourcensparend zu renovieren. Alles ist hässlich und auf dem flachen Geschmacksniveau einer ländlichen Kreisparkasse, sogar die Gartengestaltung ala „Bonsai Buchenwald“, an einer völlig unmotiviert aufragenden Rostwand. Dieser Innenhof vermittelt das atmosphärische und seelenleere Desaster der Bauherren in drastischer Weise. Selbst Wildpinkler und kiffende Jugendliche meiden diesen Ort.