Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Unter Spannung

Bewegung in der Stadt: Pferderennen auf dem Unterwerk im Sionstal

Eine Gruppe von Pferden, Reiter auf ihrem Rücken, zieht plötzlich an den auf die im Sionstal auf die Severinsbrücke auffahrenden Autos vorbei. Wie aus dem Nichts tauchen sie auf und schon sind sie wieder verschwunden. Dies ist ein seltsames Spiel mit Tempo und Bildern an einem Ort, der das nicht erwarten lässt. Die Szene der Parade spielt sich auf der Fassade eines sogenannten Unterwerks ab. Diese technischen Bauwerke, in denen 10.000 Volt Wechselstrom in 750 Volt Gleichstrom umgewandelt wird, um damit die Oberleitungen der Stadtbahn zu versorgen, sind zahlreich – etwa 50 davon gibt es im Stadtgebiet – und so groß, dass eine Familie darin wohnen könnte. Grund genug für die Stadt, die KVB per Auflage zu verpflichten, sich um ihr Erscheinungsbild zu kümmern.

 

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Foto: © Christoph Seelbach, Köln

 

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Mit Knick auf der Verkehrsinsel: Lage des Unterwerks Im Sionstal. Grafik © Ute Pieroeth Architektur

 

Was geht

Im Auftrag der KVB hat Ute Piroeth gemeinsam mit dem Berliner Künstler Wolfgang Rüppel nun das Unterwerk „Im Sionstal“ gestaltet. Als eines von drei Büros durfte sie sich für diesen Auftrag bewerben, ihre beste Referenz ganz offensichtlich das Hochwasserpumpwerk in Langel. Doch im Sionstal ging es nicht nur um Fassadenkosmetik für einen Funktionsbau. Piroeth konnte auch bei der Platzierung des Gebäudes auf der Verkehrsinsel und nach längeren Diskussionen auch auf seine Form Einfluss nehmen. So wurde das 21 Meter lange Bauwerk – hochwassersicher – schräg auf der von der Brückenrampe eingefassten Grünfläche platziert. Um die Raumkante noch deutlicher auszubilden, hatte Ute Piroeth einen Knick in den schmalrechteckigen Grundriss gezeichnet. Diesen aus dem Prototypen heraus mit den zur Verfügung stehenden Standard-Betonzellen zu planen, war eine Herausforderung, ist aber schließlich gelungen.

 

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Foto: © Christoph Seelbach, Köln

 

Immer in Bewegung

Das Unterwerk hat vier Schauseiten, eine Rückseite gibt es nicht, Türen und Lüftungsöffnungen wurden gut versteckt und die Pferde laufen auf ewig im Kreis. Für den Künstler Rüppel stellt die bewegte Gruppe der Pferde und Reiter einen inhaltlichen Bezug zum Zweck des Bauwerks, zur Bewegung in der Stadt her. Aus mehreren einzelnen Bildern, die er im Netz gefunden hat, stellte er eine Collage zusammen, rasterte das Bild mit einer Rasterweite von 6 cm im Vierfarbmodus und erzeugte damit ein seltsam verfremdetes Motiv. Denn die Quadrate des Rasters zerrissen im Bearbeitungsprozess zu gelbem, türkisen, pinkem und schwarzem Konfetti, erst mit zunehmendem Abstand tauchen Reiter und Pferde grau aber scharf im Farbnebel auf. Wie viel Bild der Betrachter sieht und erkennt, hängt demzufolge unmittelbar von seinem Standpunkt ab.

 

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Foto: © Christoph Seelbach, Köln

 

 

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Foto: © Christoph Seelbach, Köln

 

Das Bild sitzt jedoch nicht direkt auf der Fassade des Trafohauses, sondern auf einer vorgehängten Hülle aus Vierkantprofilen. Die Aluminiumelemente wurden in einem nicht einfachen Verfahren zunächst zweifarbig weiß und rostbraun pulverbeschichtet. Dann wurde das Motiv auf die Schmalseiten gedruckt. Zufällig befindet sich einer von zwei Plottern, der auf bis zu 70 mm starke Untergründe drucken kann, in Bonn. Die bedruckten Profile wurden in einem 45 Grad-Winkel montiert, sodass sie zwei Seiten zeigen können. Die eine wird zum Bildträger, die andere zeigt den rostbraunen Ton und verliert sich im Schatten des Zwischenraumes.

An vielen Stellen kann Köln schöner werden, das hören und sehen wir immer wieder. Hier allerdings wurde die Chance ganz wunderbar genutzt, nicht nur etwas Unansehnliches zu kaschieren, sondern den fast verschenkten Raum einer Verkehrsinsel mit den zeitgemäßen Mitteln der Baukunst zu einem besonderen Ort zu machen.

 

Uta Winterhager

 

 

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Foto: © Christoph Seelbach, Köln