Köln ohne den Rhein ist undenkbar. Aber trotz aller Liebe der Kölner zu ihrem mächtigen Strom ist Köln auch die am meisten durch Hochwasser gefährdete Großstadt Europas. Einundzwanzigmal stieg der Rhein im letzten Jahrhundert über die Neun-Meter-Marke des Kölner Pegels. Die drei »Jahrhunderthochwasser« von 1926, 1993 und 1995 überstiegen sogar die Zehn-Meter-Marke.
Nachdem der Rhein in den Neunzigern also gleich zweimal innerhalb von 13 Monaten die Altstadt und die südlichen Stadtteile überflutet hatte, wurde beschlossen, den Hochwasserschutz der Stadt maßgeblich zu verbessern. Im Februar 1996 verabschiedete der Rat der Stadt das Hochwasserschutzkonzept für Köln.
Dieser ganzheitliche kommunale Aktionsplan, in dessen Umsetzung 430 Millionen Euro investiert wurden, sah Maßnahmen zur Hochwasserabwehr, zum baulichen Hochwasserschutz, zum besseren Hochwassermanagement und zur Eigenvorsorge vor. Dabei wird der Schutz nicht nur auf ein 100jähriges, sondern sogar auf ein 200-jähriges Hochwasserereignis ausgerichtet.
Pegel 11,90
Konkret bedeutet dies, dass nach Umsetzung aller Hochwasserschutzmaßnahmen alle Stadtteile bis zu einem Pegelstand von 11,30m geschützt sein sollen, in Bereichen mit sensiblen Nutzungen wie Industrie- und Chemiebetrieben sogar bis zu einem Pegel von 11,90m.
Verantwortlich für die bauliche Umsetzung des Hochwasserschutzkonzepts sind die Stadtentwässerungsbetriebe Köln AöR, kurz StEB genannt, bis 2004 noch Amt für Abwasserwirtschaft. Innerhalb von fünf Jahren wurden 65 km Rheinfront durch Dämme, Wälle, Deiche oder im innerstädtischen Bereich durch mobile oder fest installierte Schutzwände gesichert. Zur Lagerung der mobilen Schutzelemente entstanden an mehreren Standorten Logistikhallen. Darüber hinaus wurden erhebliche Maßnahmen im Kanalnetz notwendig um eine Flutung des Stadtgebietes über die Kanalisation zu verhindern. Dazu gehörte neben der Anpassung der bereits vorhandenen 24 Hochwasserpumpwerke auch die Realisierung von sieben neuen Anlagen.
Man muss nur wollen
Begleitend zu den baulichen Hochwasserschutzmaßnahmen wurden im Norden und im Süden der Stadt Retentionssräume für den Rhein geschaffen, wie die Renaturierung der Westhovener Aue oder die Schaffung eines südlich davon gelegenen gesteuerten Überschwemmungsgebietes So wird dem Fluss gesteuert jener Raum gegeben, den er sich sonst an anderer Stelle nehmen würde.
Mit diesem Maßnahmenpaket ist es den StEB gelungen, das Schutzziel von 11,30m Köln Pegel zu erreichen ohne die Stadt hinter Mauern zu verstecken und ohne das gesamte Rheinufer mit technischen Bauwerken zu besetzen. Denn trotz der potentiellen Gefahr, die der Fluss birgt, soll er auch in Zukunft noch positiv erlebbar bleiben.
Für den Hochwasserschutz der Stadt spielen vor allem die Pumpwerke eine große Rolle. Sie stellen sicher, dass auch bei extrem hohen Pegelständen die geklärten Abwasser und das Regenwasser der Stadt in den Rhein geleitet werden können, ohne das es zu einem Rückstau in der Kanalisation kommt. Generell bestehen die Pumpwerke aus einem Tiefbauteil, der die Pumpen einhaust, und einem Hochbauteil für die elektrotechnische Versorgung. So bleibt, wie bei einem Eisberg, der Großteil des gesamten Bauvolumens im Verborgenen. Beide Bauteile müssen baulich gegen jegliche zu erwartenden Hochwasser geschützt sein.
Akzeptanz durch Baukultur
Die Bauabteilung der StEB, die sich als Experte für den Tiefbau betrachtet, hat die Hochbauprojekte extern an Architekten vergeben. Eine glückliche Entscheidung, schließlich war mehr als nur eine simple Gebäudehülle zu entwerfen und die Bauten sollten gestalterisch in ihr Umfeld sensibel eingebunden werden.
Die Aufträge für die ersten drei der sieben neuen Hochwasserpumpwerke wurden 2003 direkt an Kölner Architekten vergeben. Bis März 2006 bauten Schlösser Architekten in Zusammenarbeit mit Kazuhisa Kawamura auf dem Gelände einer Schule in Köln-Mühlheim das Pumpwerk »Am Faulbach«, das als Fundament für eine hochwassersichere Turnhalle dient.
Das Pumpwerk Werthweg wurde direkt an das Kölner Büro Lepel & Lepel vergeben, das Pumpwerk Bremerhavener Straße an das Büro Felder.
Obwohl die Bausumme der einzelnen Pumpwerke unter dem Schwellenwert für eine Wettbewerbsausschreibung lag, lobte die StEB von 2004-05 wettbewerbsähnliche Verfahren für die vier weiteren Standorte aus. In Ermangelung von Referenzprojekten ähnlicher Größe in Deutschland musste die StEB eigene Ziele formulieren: Es sollte eine »Perlenkette prägnanter Pumpwerke entlang des Kölner Rheinufers« entstehen, deren gestalterischer Anspruch ihrer technischen Bedeutung und der exponierten Lage gerecht werden sollte. Weil die meisten Pumpwerke in sensiblen Stadt- und Landschaftsräumen liegen, war mit Bürgerprotesten und Auflagen des Landschaftsschutzes zu rechnen.
Understatement und Markenbildung
So sah die StEB in der Mehrfachbeauftragung ein transparentes und öffentlichkeitswirksames Verfahren, das zu einer maßgeschneiderten und wirtschaftlichen Lösung führen würde. Mit Hilfe von Baukultur sollte die die Akzeptanz der Pumpwerke in der Bevölkerung erhöht werden, sowie Markenbildung und Imagepflege für die StEB betrieben werden. Doch wäre eine vorsätzliche Landmarkenarchitektur mit den StEB als Bauherr eine gefährliche Gratwanderung. Als Anstalt des öffentlichen Rechts müssen sie stets die Kosten im Blick behalten, wollen doch die wenigsten Bürger mehr für ihr Abwasser bezahlen, nur weil sie dafür ein baukulturell ausgezeichnetes Hochwasserpumpwerk bekommen.. Im Verhältnis zu den Gesamtkosten der Gebäude mit allen technischen Anlagen sind die Mehrkosten, die durch den ambitionierten Hochbau entstehen, aber relativ gering.
Understatement gebietet zwar den Verzicht auf plakative StEB-Logos an den Pumpwerken, jedoch sind für das nächste Jahr sind kleine Erklärungstafeln und ein interaktiver Hochwasserweg am Rheinufer geplant. Zur Teilnahme an den wettbewerbsähnlichen Verfahren wurden jeweils fünf oder sechs Architektur- bzw. Landschaftsarchitekturbüros aus Köln und Region geladen, die für ein Bearbeitungshonorar von jeweils 5000 Euro einen Entwurf erarbeiteten.
Dass aus einem Technikgebäude ein preisgekröntes Stück Baukultur wird, ist erst durch die positive Zusammenarbeit zwischen Bauherr und Architekt möglich geworden. Rückblickend honorierten alle ausführenden Architekten, dass die StEB für die gesamte Bearbeitungszeit des Projektes einen Projektleiter und ein konsistentes Team eingesetzt habe. Dadurch wurden die Reibungsverluste durch Unklarheiten bei Zuständigkeiten und Kompetenzen, wie sie oft bei der Zusammenarbeit mir Behörden zu verzeichnen sind, extrem gering gehalten.
Das letzte Glied in der Kette wird das Pumpwerk in Köln-Langel von Ute Piroeth sein, dessen Fertigstellung sich wegen Problemen beim Abriss des Altbaus bis Ende 2011 verzögern wird.
Der Text erschien zuerst in db 02/2011 PUMPEN, HEIZEN UND ENTSORGEN unter dem Titel „Man muss nur wollen“
Uta Winterhager
In den nächsten Wochen werden alle sechs Hochwasserpumpwerke in Bauwatch, dem Architekturführer von koelnarchitektur.de, erscheinen.
>>>Hochwasserpumpwerk Schönhauserstraße
Zur Internetseite der Stadtentwässerungsbetriebe Köln, AöR