Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Struggling Cities

Stadtprojekte in Japan seit den 1960er Jahren
Eine Ausstellung im Japanischen Kulturinstitut zu Architektur und Stadt im modernen Japan

Am besten nimmt man zunächst den kleinen Katalog in die Hand, wenn man in das Japanische Kulturinstitut kommt, setzt sich direkt am Eingang und genießt lesend den ruhigen Raum. Denn etwas trügt die schlichte, kleine Ausstellung, die den Besucher erwartet. Sie ist voll von großen Themen, auf die man sich zunächst einstellen sollte. In vier Ausstellungskapiteln werden neben der Geschichte großer Stadtplanungen, auch die Utopien für Tokio aus den 1960er Jahren, verschiedene Stadtplanungen aus dem 20. Jahrhundert und aktuelle Statistiken und Fragen rund um die Probleme der Megastadt von heute angesprochen. Ein großes Programm rund um die globale Fragestellung: Mit welchen Herausforderungen und Problemen sind wir im Umgang mit urbanen Räumen heute konfrontiert?

Tokyo is the biggest City in the World

Tokyo ist schon seit den 1970er Jahren die größte Stadt der Welt. Dieser Superlativ von Stadt bildet das Zentrum der städtebaulichen Ausstellung, die sich mit verschiedenen Weltstädten beschäftigt. Seit den 1960er Jahren explodierte in Tokyo die Bevölkerung und die Stadt wuchs in kürzester Zeit auf über 20 Millionen Einwohner an. Die damit verbundenen drastischen Veränderungen brachten zahlreiche urbane Funktionen ins Wanken: Verkehr, Wohnraum, Produktion und Versorgung mussten auf die neuen Dimensionen eingestellt werden. Um den Problemen und Fragestellungen Herr zu werden, entstanden Entwürfe und Studien von Architekten, die sich mit der Stadt der Zukunft beschäftigten. Unter ihnen war die Gruppe der sogenannten „Metabolisten“, die teils utopische, vor allem großformatige Strukturen entwickelten, um ein immer weiter anhaltendes Wachstum der Städte zu untersuchen. Die in der Ausstellung gezeigten „Cities in the Air“ von Arata Isozaki und die „Tower Shape Community“ von Kiyonori Kikutake gehören sicher zu den prominentesten Beispielen aus dieser Zeit. Damit nimmt Japan Anfang der Sechziger Jahre eine wichtige Vorreiterrolle ein für die zahlreichen europäischen Projekte, die sich mit dem enormen Wachstum der Städte, mit Stadtutopien und Zukunftsvisionen beschäftigen. Wenn auch keine dieser Planungen realisiert worden ist, haben sie doch bis heute großen Einfluss.

Doesn´t work?

In der Ausstellung gegenübergestellt werden die Ideen der Metabolisten sowohl einigen historischen Beispielen von Idealstadtplanungen als auch anderen Großprojekten wie zum Beispiel für Skopje von Kenzo Tange oder Chandigarh von Le Corbusier. Auf diese Weise bilden sich wiederkehrende Fragen und Probleme heraus, die eine umfassende Neuplanung von Städten in solchen Dimensionen mit sich bringt. Fast schon scheint hier die Generalfrage gestellt zu werden, ob Städte überhaupt planbar sind oder besser, ob man den Problemen der Megastädte überhaupt mit unseren traditionellen planerischen Vorstellungen begegnen kann. Für eine solche Untersuchung allerdings müsste eine weitere Ausstellung entwickelt werden. So schließt der Bogen von Planungen im Japanischen Kulturinstitut mit einer Analyse zum heutigen Tokyo im Obergeschoss ab: eindrucksvoll sind zum Beispiel in Modellen die verschiedenen Stadtstrukturen durch den Vergleich von sechs verschiedenen Stadtvierteln zu erleben. Kaum glaubt man, dass die Modelle denselben Maßstab haben, so verschiedenen sehen die gezeigten Stadtausschnitte aus.

Struggling Cities

Eine solch breit angelegte Ausstellung muss mit stark verkürzten Darstellungen arbeiten, dem Besucher werden zahlreiche Aufgaben mit auf den Weg gegeben. Da ist der Katalog auch noch nach der Ausstellung sehr hilfreich. Hier kann man noch einmal Zahlen und Statistiken nachlesen, Pläne vergleichen und sich einen Überblick über die gezeigten Projekte verschaffen. Der Fachbesucher freut sich über die sorgfältig ausgewählten Exponate, vor allem die Modelle, die immer wieder eine neue Perspektive auch auf bekannte Planungen oder Stadtsituationen werfen.

Damit ist die Ausstellung vielleicht etwas zu breit angelegt: eine stärkere Konzentration auf Tokyo hätte das Phänomen Stadt vielleicht eher vermitteln können. Es fehlen die Bilder der Fülle, Enge, der Gegensätze und Strukturen, der Faszination und der Farben dieser Stadt, eben eine Vorstellung der Realität, die den Planungen gegenübersteht. Vor dem Hintergrund einer europäischen Dimension von Großstadt muss der Besucher seine täglichen Erfahrungen erst vollkommen hinter sich lassen, um eine Megastadt wie Tokyo begreifen zu können. Aber vielleicht ist das auch eine einseitige Perspektive: kommt die Wanderausstellung „Struggling Cities“ doch gerade aus Shanghai, wo den Besuchern diese Vorstellungskraft ganz sicher nicht gefehlt hat.

Ragnhild Klußmann

Die Ausstellung ist noch bis zum 18.03. 2011 zu sehen

The Japan Foundation

Universitätsstraße 98

50674 Köln

Öffnungszeiten Mo-Frei 9-13 und 14-17 Uhr

Weitere Infos auf den Interneseten des

Japanischen Kulturinstitutes

Kenzo Tange: Plan for Tokyo 1960

Foto: Osamu Murai

Arata Isozaki: Cities in the Air

Modellfoto: Japanisches Kulturinstitut

Kiyonori Kikutake: Skizze Tower Shape Community

Foto: Japanisches Kulturinstitut

Modellfoto Tower Shape Community

Foto: Japanisches Kulturinstitut

Ausstellungseröffnung im Japanischen Kulturinstitut

Foto: R.Klußmann