Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Architektur im Seniorenstudium

Leidenschaftlich-begeistert bis kühl-interessiert an Architektur zeigen sich die Oberbürgermeister-Kandidaten. In der Sache unterscheiden sich die Standpunkte kaum.

Im HDA-Kubus am Neumarkt kamen die vier Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl zusammen, um über ihre Ziele im Bereich architektonische Stadtentwicklung zu sprechen. Die Vorerfahrung ist unterschiedlich: So ist Ralph Sterck, Kandidat der FDP, lange Jahre Mitglied im Stadtentwicklungsausschuss und im Gestaltungsbeirat, Peter Kurth (CDU) zog gerade erst für die Oberbürgermeisterwahl von Berlin nach Köln.

Reflexhaft politisch

Auf ungewöhnliche Fragen hingegen reagieren alle vier Kandidaten mit den gleichen Politiker-Reflexen. Und so verlief die erste – als provokant geplante – Fragerunde der Moderatoren Ute Piroeth und Stefan Schmitz im Sande. „Was bedeutet für Sie der Begriff Schönheit?“ produzierte lediglich Allgemeinplätze wie: „Es gibt schöne Bereiche in Köln, aber auch Bausünden.“

Ebenso führten die Antworten auf die Fragen nach der persönlichen Wahrnehmung des öffentlichen Raumes nicht zu neuen Erkenntnissen, wie auch die Tatsache dass Jürgen Roters, der Kandidat von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, Kolumba für das bedeutendste Bauwerk Kölns nach dem Zweiten Weltkrieg hält, wohl nicht wahlentscheidend sein wird.

Städtebauliche Kompetenz

Entscheidender ist da schon die Einschätzung der eigenen Kompetenz im Bereich Stadtplanung. Peter Kurth, Jürgen Roters und der Kandidat des Kölner Bürger Bündnis, Martin Müser, sehen sich als in den funktionalen Abläufen kompetent, im Thema aber als interessierte Laien. „Es ist fraglich, ob der Chef einer Verwaltung städtebauliche Kompetenz benötigt“, so Peter Kurth, „man sollte lieber verlässlich mit Kompetenten zusammenarbeiten.“ Ganz anders Ralph Sterck, der sich durch seine Ausschussarbeit als sehr kompetent empfindet und ein großes Interesse zeigt: „Wenn ich als Oberbürgermeister ein bis zwei Mal wiedergewählt wurde, studiere ich Architektur oder Städtebau im Seniorenstudium“, witzelt er.

Rechts oder Links: Die FH

Die Fachhochschule Köln würde ihm wohl derzeit das Studium verwehren – befürwortet Sterck doch klar einen Umzug von Deutz in die Südstadt. Auch Jürgen Roters vertritt diesen Standpunkt, zeigt noch mehr Möglichkeiten auf: „Es ist gut für die FH, in die Südstadt umzuziehen. Ich bin mir sicher, Deutz wird nicht darunter leiden. Und auch die Musikhochschule und die Fachhochschule für öffentliche Verwaltung benötigen Erweiterungen.“ Die Kandidaten verweisen darauf, dass die Standortentscheidung ohnehin vom Land getroffen wird, wünschen sich aber eine Prüfung des Ausgleichs für den rechtsrheinischen Standort und eine bessere Bürgerbeteiligung. Besonders Martin Müser kritisiert: „Die Möglichkeit der Entwicklung in Kalk wurde nicht geprüft. Der Masterplan sieht die Bürgerbeteiligung vor, jetzt aber sind die Bürger an beiden Standorten verärgert. Der FH-Campus ist ein gutes Beispiel, wie man mit dem Masterplan nicht umgehen soll.“

Entscheidungsprozesse

Sonst aber begrüßen die Kandidaten die Bürgerbeteiligung die zum Ergebnis des Masterplans geführt hat als einen für Köln herausragenden Prozess und möchten – mit leichten Prioritätenunterschieden – auch nach der Wahl die Entwicklung Kölns im Sinne des Masterplans vorantreiben. Mit anderen Entscheidungsprozessen innerhalb der Stadt zeigen sich alle vier hingegen überaus unzufrieden und sparen dabei auch nicht mit Kritik am Amtsvorgänger und am Baudezernenten. „Man hat den Eindruck, die Weichen werden eindeutig durch den Baudezernenten gestellt und nicht korrigiert durch den Oberbürgermeister oder entsprechende Gremien“, schildert Jürgen Roters seine Erfahrungen mit Kölner Planungsprozessen. Und Ralph Sterck ergänzt: „Der Stadtentwicklungsdezernent will sich selbst verwirklichen. Leider hat sich die Führung nicht gekümmert, der Oberbürgermeister war nur beim Stadionwettbewerb komplett dabei und kennt die Pläne anderer Entwürfe nicht.“

Rolle des Gestaltungsbeirates

Deshalb möchte Sterck auch im Fall seiner Wahl grundsätzliche Veränderungen durchsetzen und als Oberbürgermeister Vorsitzender des Gestaltungsbeirates werden. Die Anregung des BDA, den Gestaltungsbeirat zu einem Planungsbeirat zu machen und früher in die Entscheidungsprozesse einzubeziehen, greifen die Kandidaten dankbar auf. „Das würde Konflikte vermeiden helfen“, stellt Martin Müser fest, und kann von der Flora bis zum Breslauer Platz zahlreiche Beispiele nennen, in denen die Planungsprozesse in Köln zu teils „desaströsen Ergebnissen“ geführt haben.

Die Kritik am bisherigen Zustand in Köln fällt in der Tat leicht, und alle vier sind Polit-Profis genug, zurückhaltend mit Aussagen zu sein, auf die man sie nach der Wahl festlegen könnte. Das Gespräch jedenfalls, das viele Themen nur streifen konnte, soll fortgesetzt werden. Und der Verlauf des Abends lässt darauf schließen, dass bei den Kandidaten ein größeres Interesse am Thema herrscht als beim derzeitigen Amtsinhaber.

Vera Lisakowski

Kandidaten Oberbürgermeister

Auf der rechten Seite die vier Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl im HDA-Kubus: Ralph Sterck (FDP), Jürgen Roters (SPD und Bündnis 90/Die Grünen), Peter Kurth (CDU), Martin Müser (Kölner Bürger Bündnis) (v.r.). Links die Moderatoren Stefan Schmitz und Ute Pieroeth vom BDA.

Foto: Vera Lisakowski

4 Kommentare

Ich hoffe für Köln, das nach Schramma
auch Streitberger aus dem
Amt scheidet u. gebe allen für Köln im Bereich Stadtentwicklung und Architektur verantwortlichen einen Tip — fahren sie mal n. Rotterdam und o. besuchen sie mal den Bereich Amsterdam – die Gegend um Schipol- im Vergleich wirkt Köln (abges. v. Rheinauh.) wie eine Bruchbude.

für den BDA sind in Köln nur flache Bauten mit viel Flächenverbrauch gute Bauten. Hochhäuser sind poltisch verwerflich?! Warum ist es in anderen Ländern möglich Hochhäuser zu bauen, die, gerade weil sie in die vertikale gehen mit einer Technik ausgestattet werden, die sie energetisch nahezu autark machen.

Zu starke Bürgerbeteiligungen führen in den meisten Fällen zu keinem guten Ergebnis. Was sagen unsere Angelsächsischen Freunde über uns Deutsche–Zitat: Der Deutsche will alles haben, er möchte aus seinen Städten Dörfer und aus den Dörfern Städte machen, nichts gelingt wirklich!