Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Ungenutzte Möglichkeiten

Ideen gibt es reichlich auf dem Brüsseler Platz zu entdecken – leider werden die nur schlecht präsentiert.

Ihr Platz ist wohl gewählt: Fast genau auf der Sichtachse zwischen Maastrichter und Brüsseler Straße thronen sie, die drei Container aus dem Hause „LHVH“. Übereinander gestapelte Wohneinheiten, die unkompliziert und auf Bestellung Wohnträume erfüllen sollen – so jedenfalls beschreibt es die Infobroschüre, die das Kölner Architekturbüro für die plan-Besucher zusammen gestellt hat. „Diese Container lassen sich überall und in allen Formen und Ausführungen installieren“, sagt Charlotte Barth, die für das plan-Organisationsbüro die Containerbesucher über das Bauprojekt informiert. Doch der Traum vom flexiblen Wohncontainer ist nur schwer nachvollziehbar: Es gibt keine Grafiken oder Bilder, die zeigen, wie das anbaubare Wohnzimmer oder die für kurze Zeit installierte Küche aussehen könnte. Vielmehr ist es der Charme eines plumpen Baucontainers, mit dem die Architekten hier ihre Ideen präsentieren.

Der Brüsseler Platz als Zentrum der plan06

Mit einer Fülle von Installationen und Veranstaltungen hatte das plan-Organisationsbüro aus dem Brüsseler Platz einen „meetingpoint“ gemacht. „Besonders am Wochenende haben sich die Leute hier die Türklinke in die Hand gegeben“, sagt Barth. Auch Plan-Sprecherin Sabine Junker zieht eine positive Zwischenbilanz der Architekturwoche: „Besonders am Brüsseler Platz war sehr viel los, wir sind zufrieden“. Doch die Aktionen inmitten des Gründerzeitviertels krankten bisher an einem Manko: Trotz aller Ideen sind nur wenige Projekte ausreichend dokumentiert.

Ein neuer Standort für die „On air“-Installation

Während Charlotte Barth die Besucher dazu ermuntert, auf einem überdimensionalen Stadtplan, der sich durch den Baucontainer im Erdgeschoss zieht, kleine Plastikcontainer mit Doppelklebeband zu befestigen und damit anzuzeigen, wer gerne wo einen eigenen Container aufstellen würde, haben sich eine Etage höher ein paar Kinder in die Installation „On air“ gehängt. Aus technischen Gründen hatte das französische Projekt nicht im Hof des „Hallmackenreuthers“ seinen Platz gefunden, sondern war zu den Containern umgezogen. Ein „Zusammenspiel von Klang und Licht“ hatte das Organisationsbüro versprochen, ein raumfüllendes, begeh- und beliegbares Netz in drei Metern Höhe – doch das, was hier gezeigt wird, ließe sich auf jedem besseren Kinderspielplatz finden. Nun hängt das Netz am „LHVH“-Container, zeitweise soll es Klanginstallationen geben, wie Junker einräumt – doch täuschen die nicht darüber hinweg, dass man nur eine schlechte Alternative gefunden hat.

Müllhäuser in der Krypta von St. Michael

Spannend ist allerdings das, was die Besucher gleich hinter dem Altar in der Krypta von St. Michael zu sehen bekommen: In 24 Stunden hatten die Berliner Architekten Folke Köbberling und Martin Kaltwasser in der Nähe der Gropiusstadt ein Haus aus Abfallprodukten entstehen lassen, um dort eine Woche lang zu wohnen. Ihr Film dokumentiert nicht nur den Aufbau, sondern auch die Reaktion der Neuköllner auf ihre ungewöhnlichen Nachbarn. Doch aller Profanisierung, die unsere Zeit ergreift, zum Trotz: Wie kann man einen Altar als bloße Abstellfläche für einen DVD-Spieler missbrauchen und einen Kirchenraum nutzen, ohne mit ihm zu arbeiten?

Sonntage als Diashow im „Hallmackenreuther“

„Alltagsethnologisches Material“ hatte der plan-Katalog zur Ausstelllung „C’est dimanche“ versprochen. Französische Künstler hatten in Grenoble Bürger dazu aufgerufen, ihren Sonntag zu dokumentieren. Im „Hallmackenreuther“ sind ihre teils charmanten, teils komischen Aufnahmen als Diaprojektion im hinteren Teil des Cafés zu sehen – jedoch so schlecht ausgeleuchtet und dokumentiert, dass sie wohl nur wenigen Cafébesuchern aufgefallen sein dürften.

Leben in schwankenden Wohnzimmern

Einen besseren Standort wie der oberste „LHVH“-Container auf dem Brüsseler Platz hätte es indes für Agnes Giannone vom „Studio Düsburg“ gar nicht geben können. Im Duisburger Hafen war die Fotografin und Architektin auf Motivsuche gegangen, um auf großformatigen Aluminiumflächen Aufnahmen aus dem Innenleben von Containerkähnen zu zeigen: Spießigkeit auf wenigen Quadratmetern, mit Porzellanfigürchen neben Couchgarnituren und Platzdeckchen auf Fernsehern. Kurzum: Einrichtungsgegenstände, die Sesshaftigkeit an einem Wohnort suggerieren, der ständig unterwegs ist.

Familienkutsche aus Beton

Während die Duisburger Architektin in luftiger Höhe über ihre Projekte informierte, parkte „PassatoBetonato“ gleich zu Füßen der Container. Hier hatte Giannone mit ihrem Partner Martin Bellgardt ein typisches Familienauto auf eher untypische Weise bearbeitet: Die Fahrerkabine war abgeflext und eine Betonplatte aufgelegt worden. Nur scheinbar versucht die plumpe Familienkutsche, den Zwängen der Bürgerlichkeit zu entfliehen – ein Glück, dass es auch in Köln zu einem Zwischenstopp vorbei schaute, denn schließlich ist bald Schluss mit „PassatoBetonato“. Noch 30 Liter Benzin, dann ist der Tank leer – und eine Nachfüllaktion wegen der Betonplatte zwecklos.

Luise Ernst

Gründerzeitarchitektur und moderne Wohnkonzepte auf Zeit: Die plan06 macht den Brüsseler Platz zum Zentrum der Architekturwoche.

Aus technischen Gründen musste die Installation ‚On air‘ zum LHVH-Container umziehen – zu deren Nachteil.

Unter dem Titel ‚Hausbau‘ zeigen die Berliner Architekten Folke Höbberling und Martin Kaltwasser einen Film in der Krypta von St. Michael.

Während das Architektenduo von ‚Studio Düsburg‘ ihren Wagen ‚PassatoBetonato‘ vor dem Container zeigte, waren im zweiten Stock Bilder aus der Serie ‚mobile homes‘ zu sehen…

Das Grenobler Projekt ‚C’est dimanche‘ dokumentiert gelunge Sonntage in Frankreich…

Im ‚Hallmackenreuther‘ waren die Bilder als Diaprojektion zu sehen.