Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Schau der Luftschlösser

Eine Ausstellung in Bonn zeigt die spektakuläre Architektur-Utopie des Guggenheim-Imperiums.

Rot leuchtet die Spirale zwischen den Säulen der Rotunde unter einer der Peichlschen Pyramiden der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle. An einen Tempel der Kunst soll es erinnern – und an die Keimzelle des Weltkonzerns Guggenheim: Die Spirale wird nach unten hin enger, wie das 1959 eröffnete Guggenheim Museum in New York.

„Ich möchte einen Tempel des Geistes, ein Denkmal“, umriss Hilla von Rebay 1943 ihre Vision für das „Museum of Non-Objective Painting“. Damals war sie noch die Kuratorin der Sammlung abstrakter Kunst, zu der sie den Industriellen Solomon R. Guggenheim überredet hatte. Als das Museum nach langer Planungs- und Bauzeit eröffnet wurde, waren der Stifter sowie der Architekt Frank Lloyd Wright bereits verstorben und Hilla von Rebay als Direktorin abgesetzt. Das Museum aber schrieb Architekturgeschichte, ein kühnes Meisterwerk, expressiv und individuell. Zu seiner Zeit höchst ungewöhnlich und wegweisend für die Museumsarchitektur bis heute.

Folgerichtig ist das New Yorker Museum Ausgangspunkt der Ausstellung „Guggenheim Architecture“, die bis zum 12. November in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle zu sehen ist: Ein Modell des Gebäudes im Maßstab 1:50 und sehr sehenswerte Originalzeichnungen Frank Lloyd Wrights empfangen den Besucher.

Hollein legte den Grundstein

Für Thomas Krens, Direktor der Guggenheim Foundation, gab es aber einen ganz anderen Ausgangspunkt, die Architektur des Guggenheim weiterzuentwickeln: „Ausgelöst wurde es eher zufällig durch Hans Holleins Planung für ein Museum in Salzburg“, erzählt Thomas Krens. Der Entwurf aus dem Jahr 1989 gräbt sich tief in den Fels des Mönchsbergs, ein „geniales Konzept“ wurde Hollein bescheinigt – und doch wurde es nie realisiert. In Thomas Krens aber reifte der Gedanke an ein weltumspannendes Netz von Guggenheim Museen. „In einer idealen Welt hätte man jedes Mal die Möglichkeit ein neues Gebäude zu bauen, wenn die Sammlung wächst“, beschreibt er seine Vision für die Guggenheim-Kollektion, „die zwar nur 60 Jahre alt ist, aber viel zu groß, um alles zu zeigen.“ An dieser Vision arbeitet Krens seit den 1990er Jahren, in schneller Folge entstanden immer neue Planungsideen für Museen an den unterschiedlichsten Orten.

Das bekannteste Projekt – und das einzige, das wirklich gut läuft – ist wohl das Guggenheim Museum im spanischen Bilbao, entworfen von Frank O. Gehry. Das 1997 eröffnete Museum wird als eines der wichtigsten Bauwerke des 20. Jahrhunderts gefeiert. Die geschwungenen Formen der Architekturskulptur aus Stein, Glas und Titan wurden schnell zum Wahrzeichen der langweiligen Industriestadt Bilbao – und zum Touristenmagneten. Der „Bilbao-Effekt“ ist seitdem in aller Munde und immer mehr Städte wünschen sich eine ähnliche Attraktion. Dementsprechend groß ist der Raum, der diesem Projekt in der Ausstellung gegeben wird, einige Entwurfsmodelle zeigen den Entstehungsprozess der endgültigen Form. Zu kurz kommt allerdings der innovative Weg Gehrys vom Modell zur Zeichnung – wer nicht weiß, dass Gehrys Entwürfe im Modell entstehen und dann computergesteuert abgetastet werden, wird es hier auch kaum erfahren.

Spektakuläre Architektur

Insgesamt sind 24 Museumsentwürfe für Guggenheim in der Ausstellung zu sehen, zum Teil verschiedene Wettbewerbsbeiträge für ein Projekt. Die Weltelite der Architekten ist hier versammelt: Neben Frank Lloyd Wrights New Yorker Museum, Hans Holleins Planungen für Salzburg und Wien und Gehrys Museum in Bilbao werden unter anderem Museumsmodelle und Pläne von Coop Himmelb(l)au, Rem Koolhaas, Jean Nouvel und Zaha Hadid gezeigt. Realisiert wurden nur wenige der Projekte, viele Pläne wurden wieder aufgegeben oder die Häuser mussten schon kurz nach ihrer Eröffnung schließen – eine Galerie der spektakulären Luftschlösser.

Sehenswert sind besonders die zahlreichen Modelle, sie illustrieren die Idee vom „wahrhaft globalen Museum“, wie Thomas Krens es preist. Größenwahn könnte man ihm auch unterstellen, besonders beim Anblick der Entwürfe für das geplante Museum in Guadalajara, Mexiko. Über einer 600 Meter hohen Schlucht soll das Guggenheim dort entstehen, allerdings ist es bis heute weder politisch noch finanziell abgesichert. Der mexikanische Architekt Enrique Norten ging als Sieger aus dem Wettbewerb für das Museum hervor. Sein Entwurf: Ein futuristischer, gläserner Turm, der sich über Stadt und Schlucht erhebt – denkbar ungeeignet für ein Museum, aber eine Zeichen setzende Landmarke in der geplanten Guggenheim-Welt.

Unspektakuläre Ausstellung

Und das ist auch die Ausstellung: Eine Darstellung der Welt, in der Thomas Krens gerne leben würde, ohne Bezüge zur Museumswelt außerhalb von Guggenheim. Viel Architektur ist hier zu sehen, aber wenig Substanzielles. Die meisten Modelle bieten eine reine Außenansicht. Die wenigen Pläne sind ungeschickt auf schrägen Stellwänden angebracht, was genaues Betrachten unmöglich macht. Entwurfsskizzen geben zwar einen Einblick in die Arbeitsweise der Architekten, erschließen sich aber ohne Erläuterung nicht. Höchst amüsant sind allerdings die Skizzen für das Guggenheim in Wien auf Briefpapier eines Den Haager Hotels oder von Jean Nouvel für das Museum in Rio de Janeiro auf einer Kiste, die einstmals kubanische Zigarren enthielt. Wer in dieser Ausstellung mehr als nur einen Überblick bekommen möchte, muss auf die Filme zurückgreifen, die zu jedem der Projekte gezeigt werden – Interviews mit den Architekten bieten Hintergrundinformationen, die über die Ausstellungsstücke nicht transportiert werden.

Das größte Manko der Schau ist aber das Gesamtkonzept. Wie bei guter Architektur sollte auch in einer Ausstellung die Grundidee später im Raum erlebbar sein. Hier scheint es keine Grundidee zu geben, der Besucher wird nicht geführt, sondern durch kreuz und quer stehende Ausstellungsstücke von Modell zu Modell gesogen. Zusammenhänge sind erst im Nachhinein erkennbar und die Projektionen an die sonst kahlen Wände sind schlicht überflüssig. „Ursprünglich war das Vorhaben ein differenzierteres“, bekennt auch Kurator Peter Noever etwas unzufrieden. Es scheint als symbolisiere die Ausstellung selbst in dieser Disziplin die Architekturwelt von Guggenheim: spektakulär gescheitert.

Vera Lisakowski

Öffnungszeiten:

Sonntag, Montag und Donnerstag 9 bis 19 Uhr

Dienstag und Mittwoch 9 bis 21 Uhr

Freitag und Samstag 9 bis 22 Uhr

Eintritt 12 Euro, ermäßigt 7 Euro (Gesamtschau)

Ein Kurzführer ist für 6,50 Euro erhältlich.

Homepage der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland

guggenheim spirale

Die rot leuchtende Spirale im Eingangsbereich der Ausstellung.

guggenheim ny wright

1:50 Modell des Guggenheim in New York von Frank Lloyd Wright.

guggenheim ny wright z

Originalzeichnungen von Frank Lloyd Wright auf schrägen Stellwänden.

guggenheim salzb hollein

Der nicht realisierte Entwurf Hans Holleins für den Salzburger Mönchsberg.

guggenheim bilbao gehry

Verschiedene Entwurfsstadien für das Guggenheim in Bilbao.

guggenheim ny gehry

Ein riesiges Modell von Manhattan mit dem Entwurf von Frank O. Gehry für ein neues Guggenheim Museum, nicht realisiert.

guggenheim mexiko norten

Der Museumsturm von Enrique Norten für das Guggenheim in Guadalajara, nicht realisiert.

guggenheim ny gluckman

Nicht realisierter Entwurf von Richard Gluckman für das neue Guggenheim in New York.

guggenheim tokio nouvel

Entwurf für das temporäre Museum in Tokio von Jean Nouvel, nicht realisiert.