Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Mit großer Geste

Das Gemeindezentrum Hippolytushaus in Troisdorf von Atelier Brückner lädt alle ein

Es gibt Projekte, die muss man besuchen, um sie zu verstehen. Weil es zum Beispiel eine Form gibt, die nicht dem üblichen Kanon entspricht. In Fall des Gemeindezentrums Hippolytushaus in Troisdorf entwarf Atelier Brückner (Stuttgart) den Grundriss in Form eines – ja was eigentlich – dreibeinigen Kreuzes? eines Sterns mit drei stumpfen Spitzen? Hier kommt das Vokabular der Autorin an seine Grenzen, beantwortet werden muss auch, warum diese schwer zu benennende Figur für Ort und Nutzung so zwingend war.

Lageplan Hippolytushaus Troisdorf © Atelier Brückner, Stuttgart

Schutz bieten

Antworten geben der Ort und der Bau in der Zusammenschau. Die Kirche St. Hippolytus liegt in Troisdorf-Mitte, ihr Eckgrundstück wird an der langen Südseite von einer Bundesstraße und einer Bahntrasse begrenzt, Abschirmung war hier gewünscht, gleichzeitig aber auch eine Willkommensgeste. Diesen grundsätzlich widersprüchlichen Anforderungen wurde Atelier Brückner (direkt beauftragt vom Erzbistum Köln) mit dem Entwurf einer zweiteiligen Erweiterung, einem Kindergarten und einem Pfarrheim, gerecht.

Das katholische Pfarrzentrum Hippolytushaus am Stadteingang von Troisdorf, Ansicht von Süden © Foto: Daniel Strauch

Sie platzierten das im ersten Bauabschnitt realisierte Familienzentrum Hippolytusgarten direkt an der kritischen Grundstücksgrenze, so dass das eingeschossige bumerangförmige Gebäude das Areal visuell und akustisch abschirmt. Die Gruppenräume und Spielflächen des Kindergartens orientieren sich vollständig auf den nun geschützt liegenden Innenbereich des Grundstücks.

Obergeschossgrundriss Hippolytushaus Troisdorf © Atelier Brückner, Stuttgart

Das nun fertig gestellte Hippolytushaus liegt als Solitär zwischen Kirche und Kindergarten an der Hippolytusstraße, dem eigentlichen Kirchhof. Dessen Rolle soll das neue 1.200 qm große Pfarrheim mit seinen großzügigen Veranstaltungsräumen im Erdgeschoss und den Büros der Kirchengemeinde im ersten Obergeschoss nun bildhaft übernehmen: ein neuer Ort der Begegnung. Dass sich hier Wege kreuzen, bildet der anfangs kurz beschriebene dreiarmige Grundriss ab.

Ansicht aus dem Kirchgarten © Foto: Daniel Strauch

Einladen und leiten

Wie drei Pfeilspitzen wurden drei rundum mit Holzlamellen verkleidete massive Bauteile auf eine Mitte hin ausgerichtet. Die Zwischenräume wurden mit großen, über beide Etagen hochgezogenen Glasflächen geschlossen und bilden so einen großen, teilbaren Innenraum aus. Die Haupterschließung erfolgt über den Vorplatz der Kirche direkt in den lichten Innenbereich, der für verschiedene Zusammenkünfte, kulturelle Veranstaltungen und das Tafelcafé der Gemeinde entsprechend aufgeteilt werden kann. Jeder Raum orientiert sich hier nicht nur auf die gemeinsame Mitte, sondern öffnet sich mit ihrer Trichterform schwellenlos zum Außenraum.

Erdgeschoss Hippolytushaus, Öffnung ins Grüne, draußen links der Spielbereich des Kindergartens © Foto: Daniel Strauch
Erdgeschoss Hippolytushaus, schaltbare Räume © Foto: Daniel Strauch

In der Etage darüber liegen die zehn Arbeitsplätze der Pastoralgemeinschaft, sowie ruhige Besprechungsbüros und ein großer Versammlungsraum in den lichten Zonen. Sämtliche Nebenräume, Sanitär und Erschließung finden in den geschossenen Bereichen Platz.

Kommen und bleiben

Bemerkenswert ist die Konsequenz, mit der die Architekten die Holzverkleidung innen wie außen fortgeführt haben, Fenster und Türen, aber auch Durchlässe für die Heizung ohne Störung integriert wurden. Sehr kontrolliert, sehr reduziert wirkt der Bau, in dem es nur Weiß, Grau und Holz gibt, aber dennoch wirken die Räume, in denen vieles denkbar ist, sehr einladend.

Fast schwebt die hölzerne Hülle über den Grund. Hier der Rückschwung an der Straßenfront mit Fluchttür © Foto Uta Winterhager

Das Hippolytushaus soll ein Tor zur Stadt sein. Dass diese Kirche sich als Teil der Stadt versteht, zeigt sie mit großer Geste, indem sie drei Tore öffnet. Deutlicher kann man eine Einladung kaum aussprechen. Es ist aber auch ein sehr mutiger Bau, mit dem die Hippolytusgemeinde sich hier präsentiert, nicht nur die extravagante Form, auch das Material, das flache Dach sind vollkommen ortsfremd. Kein Fehler aber an dieser Stelle, denn das Ensemble hat eine deutlich anziehende Wirkung und vielleicht darf man der Kirche auch das Recht zugestehen, sich zu unterscheiden von all dem Profanen, das sie umgibt.

Uta Winterhager