Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

LEHREN & LERNEN 2020 | Städtische Lern-Villen in Ehrenfeld

trint + kreuder d.n.a erweitern die Geschwister-Scholl-Realschule für den Ganztag

Selten hatten Eltern und Schüler soviel Lust auf einen Neustart nach den Ferien wie aktuell. Wir nehmen den Beginn des neuen Schuljahres zum Anlass und starten die Reihe LEHREN & LERNEN 2020 zum Thema Bildungsbauten. Heute: Teil 1, die Geschwister-Scholl-Realschule in Ehrenfeld.

Die Subbelrather Straße stadtauswärts und kurz vor dem Gürtel links – dort liegt versteckt in einer unauffälligen Nebenstraße ein klassisch kaiserzeitliches Schulhaus, mit seiner Schmalseite der Straßenfront zugewandt. Auf den Freiflächen rechts und links des Altbaus haben trint + kreuder die Zeile vervollständigt und Räume für die Ganztagserweiterung der Realschule geschaffen. Zusätzlich zu Mensa und Aufenthaltsräumen entstanden auch neue Fachklassen für Bio, Chemie, Kunst und Musik, da die bestehenden nicht mehr den aktuellen Anforderungen genügten. Sie werden nun nach Fertigstellung der Neubauten in Klassenräume umgewandelt.

„Ziegelbauten“ einst und heute: Schulhof der Geschwister-Scholl-Realschule Foto ©Barbara Schlei

Roter Backstein für die Wände und sandgelbe Ziegel für Friese und Bänder, Fensterrahmungen und Gebäudekanten – das ist ein typisches Bild für öffentliche Gebäude des 19. Jhs. Die Lehranstalt in der Gravenreuthstrasse ist streng achsensymmetrisch angelegt, ganz im Sinne der damaligen Trennung nach Mädchen und Jungen. Die Schulhöfe zu beiden Seiten des Solitärs wurden von Brandwänden überragt.

„Die Neubauten führen die Idee der Spiegelung weiter,“ zeigt Matthias Breithack auf, einer der Partner bei trint + kreuder d.n.a architekten. Um den beengten Raum optimal zu nutzen, lehnen sie sich in voller Höhe und Tiefe an die Brandwände an und bilden jeweils das Pendant der beiden Schauseiten des Altbaus, in gleicher Breite und annähernd gleicher Höhe. Selbstbewusst modern zeigen sie sich in ihrer Materialität, in ihrer Kubatur mit der plastischen Transformation der Dachformen und in ihrer Fassadenkomposition aus offenen und geschlossenen Flächen.

Der Block nördlich des Altbaus mit Lehrerzimmer, Aufenthalts- und Musikraum Foto ©Veit Landwehr

 

Der südliche Block mit Mensa, Fachklassen und Bibliothek Foto ©Veit Landwehr

Komposition aus offenen und geschlossenen Flächen

Reicher gestaltet als die Straßenfront sind die beiden Längsseiten des Altbaus zu den Schulhöfen hin. Entsprechend wenden die Neubauten ihre „Gesichter“ diesen Schauseiten des historistischen Gebäudes zu. Doch auch an den Straßenfronten der Neubauten gibt sich der Schultypus in großzügigen Öffnungen zu erkennen. Alle Schulräume sind einseitig gefenstert, und dadurch dass die Fensterflächen versetzt zueinander angeordnet sind, wechseln offene und geschlossene Flächen, so dass dem Gebäude eine Abstraktion eingeschrieben ist.  

Spiegeleffekte zwischen Alt und Neu im südlichen Teil des Schulhofs Foto ©Veit Landwehr

Die liegenden Fensterformate im südlichen Block entsprechen den Geschosshöhen des Nachbarn. Der nördliche Block hat wie das alte Schulhaus nur drei Geschosse; mit zwei Fenstern des Treppenhauses setzt er die Lochfassade seines Nachbarn fort, um dann aber alle weiteren Fenster freier über die Fläche zu verteilen. Auch die durchaus überdimensionierten Fensterrahmen aus Betonfertigteilen unterstreichen den öffentlichen Charakter des Gebäudes.

Grundriss und Schnitt © trint+kreuder d.n.a architekten

Eine ganz neue Erscheinung – dank Notfalllösung

Eingang zum südlicher Teil des Schulhofs Foto ©Barbara Schlei

Aus dem Gedanken der Zeilenfüllung leitet sich auch die Materialität der Neubauten ab. Die Wandflächen bestehen aus Ziegeln, die den gelblichen Ton der Architekturelemente und Formsteine des Altbaus zitieren. Über das Gelb legt sich als ruhiger Grundton das Grau der Häuserzeile. Die Farbe Rot der Ziegel bleibt allein dem Schulhaus des 19. Jhs vorbehalten.

Aus der Nähe löst sich die Struktur des Mauerwerks auf und die Fäche wirkt plastisch. Foto ©Barbara Schlei

„Wir hatten für das schlämmverfugte Mauerwerk natürlich eine Musterfläche angelegt, und alles war prima“, erzählt Kay Trint. „Aber als wir das nächste Mal kamen, war alles dunkelgrau verputzt, und von Durchschimmern konnte keine Rede mehr sein. Mir blieb fast das Herz stehen. Uns blieb nichts anderes übrig als der Versuch, die Flächen zu schleifen. Dadurch haben wir jetzt eine ganz neue Optik gewonnen mit einem leicht plastischen Effekt.“ Und so verdanken sich die schönen Wände der Geschwister-Scholl-Schule einer kreativen Problemlösung, die bestimmt Schule machen wird. 

 

 Mensa im Erdgeschoß Foto ©Veit Landwehr

Räume, die was aushalten

Robust, modern und bescheiden zeigen sich auch die Innenräume für die Ganztagsschule. Sichtbeton, Holzfenster mit Betonwerkstein-Einfassungen, „Sauerkrautplatten“, Türen und Garderobenleisten aus Lärchenholz, schmale Neonröhren und Linoleumböden bestimmen das Bild. Ursprünglich war das Gebäude für eine Vollbelüftung vorgesehen; aus dieser Planung stammen die quer zur Fassaden verlaufenden Träger. Das Gebäude ist gemäß den Anforderungen an Passivhäuser wärmegedämmt; geheizt wird auch mit Überkapazitäten aus dem Altbau.

In den Obergeschossen sind die als Polygonzüge angelegten Dachformen gut wahrnehmbar. Details aus den Treppenhäusern Foto ©Anais Niesbach

In beiden Erweiterungsbauten stapeln sich die Nutzungen übereinander: die Mensa und das Lehrerzimmer in den Erdgeschossen, in den Mittelgeschossen die Aufenthalts- und Fachräume und in den Obergeschossen die Bibliothek und der Musikraum. „Es gefällt mir gut,“ resümiert Matthias Breithack, „dass nicht alles in einem Gebäude stattfindet, wie in klassischen, seriell organisierten Schulen. Wir haben eher städtische Villen, die sich um ein Treppenhaus drehen, mit sorgsam komponierten Fassaden, die an abstrakte Malerei erinnern.“

Fachklasse und Flur Fotos ©Anais Niesbach

trint + kreuder haben sich gute Noten verdient: Markant und modern rahmen die neuen Bauten den würdigen Altbau, geben ihm einen Rahmen, füllen die Leerstellen in der Zeile und definieren den Schulhof neu. Nach den Ferien startet endlich der Betrieb in den neuen Räumen. Von Traufhöhen, Kubaturen und Sichtbetonklassen müssen die Schüler nicht unbedingt wissen. Die Architektur aber, indem sie ihnen durch ihre sorgfältige Ausführung vermittelt, dass sie ernst genommen und wert geschätzt werden, mag ihnen Hülle und Hintergrund für ein gutes Lernen sein. 

 

Ira Scheibe

trint +kreuder d.n.a

 

  • Bauherr: Gebäudewirtschaft der Stadt Köln
  • Architekt: trint+kreuder d.n.a architekten Part GmbB
  • Landschaftsarchitekten: Ingenieurbüro Ingrid Rietmann
  • Verfahren: Mehrfachbeauftragung 2011
  • Baujahr: 2015-2019
  • BGF: 2030m²
  • Baukosten: 4 Mio €