Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Licht und Bewegung

Theo Wormland verkaufte Hosen, Kunst war seine Passion. Jetzt kümmern sich die Kölner um Otto Piene.

Ausgerechnet in der Hohe Straße, denkt man heute vielleicht und wünscht der kinetischen Lichtplastik „Licht und Bewegung“ einen Standort mit weniger Trubel und deutlich mehr Muße. Doch im Jahr 1966, als die Textikaufhauskette Wormland dort ihr Geschäft eröffnete, setzte der Eigentümer und Kunstsammler Theo Wormland mit der großflächig installierten Kunst am Bau ein Zeichen. Kein Zeichen, das direkt für die Herrenmode stand, die er dort verkaufen wollte, wohl aber eines für seinen Kunstverstand, seine Modernität und nicht zuletzt auch für seine Großzügigkeit, denn er machte den Kölnern ein wirklich großes Geschenk.

Auch Pimkie ist inzwischen wieder ausgezogen. Geschäftshaus Hohe Straße 124-126 © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0

Unendlich Vielfaches

Otto Piene, Mitbegründer der Kunstbewegung ZERO, der damals bereits in New York lebte, verkleidete das viergeschossige Eckhaus (ein Neufert!) vom Erdgeschoss aufwärts vollständig mit einer Haut aus kleinen, quadratischen Edelstahlelementen. Dank ihrer Prismenform und der glänzend polierten Oberfläche verwandelte sich das Haus in einen maßstabslosen Reflektor. Das Sonnenlicht und die Lichter der Stadt zeichnen auf dieser Fläche sich unendlich bewegende, abstrakte Bilder. Auf der Seite der Hohe Straße ergänzte Piene das ungesteuerte Lichtspiel der Hülle mit bewegten, statischen und leuchtenden Elementen. Das dynamische Zentrum bildete ein außermittig platziertes Objekt, das an eine Uhr oder Sonne erinnernt. Edelstahlkugeln und Stahler, an Strahlen montiert, drehten sich in unterschiedlichen Radien, Geschwindigkeiten und Richtungen um ihren Mittelpunkt. Einer Vielzahl von Edelstahlkugeln auf unterschiedlich langen filigranen Stielen ergänzte in scheinbar zufälliger Ordnung. Aus dem Inneren der Kugeln fiel nach einem elektronisch gesteuerten Rhythmus Licht auf die Fassaden-Galaxie, so dass „Licht und Bewegung“ in den Abendstunden noch verstärkt wurden.

Otto Pienes „Licht und Bewegung“ in der Hohe Straße © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0

Kunst verpflichtet

Doch nach Jahren im Betrieb standen die rotierenden Kugeln still, das Licht erlosch. Wormland war ausgezogen, die nachfolgenden Mieter wie „Pimkie“ kümmerte das, was über dem Ladenlokal alterte wenig. Eine erste Bewegung zu Säuberung und Instandsetzung formierte sich um die ehemalige Dombaumeisterin Schock-Werner vor gut acht Jahren. Untersuchungen der Substanz ergaben, dass die Wiederinbetriebnahme möglich sei, doch letztlich scheiterte die Durchführung am Eigentümerwechsel, denn die Wormland-Stiftung in deren Besitz sich das Haus seit dem Tod des Firmengründers befand, beabsichtigte einen Verkauf der inzwischen denkmalgeschützten Immobilie.

Der neue Besitzer erwarb mit dem Haus natürlich auch die Kunst und die zumindest moralische Verpflichtung, sich darum zu kümmern. Die Architektin Claudia Pannhausen, deren Büro Pannhausen + Lindener mit dem Ausbau des Ladenlokals beauftragt wurde, und die Galeristin Martina Kaiser haben nun einen erneuten Anlauf zur Wiederbelebung von „Licht und Bewegung“ unternommen. Damit es betriebssicher läuft, müsse die noch originale Verkabelung ersetzt werden, ein Karussellbauer könne die Motoren instandsetzen, die Beleuchtung müsse auf LED umgestellt werden, einzelne Edelstahlelemente müssten abgenommen und repariert werden, das gesamte Objekt gereinigt. Alles sei machbar, so die Architektin, nur fehle es an Geld für die Maßnahme, das der Eigentümer nicht alleine aufbringen kann. Hier appelliert sie an das bürgerschaftliche Engagement der Kölner und die Großzügigkeit der Kunstliebhaber: Geldspenden für die Sanierung werden in der Galerie Martina Kaiser gesammelt und Hoffnung besteht, dass sich ein „Sachspender“ für den Strom findet.

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Ganz wunderbar fügt es sich, dass auch das Arp Museum Bahnhof Rolandseck dem „Alchemist und Himmelsstürmer“ Otto Piene eine Ausstellung widmen wird. Ab dem 17. März kann man ihm dort in rund 60 Arbeiten, darunter Raster- und Feuerbilder, Keramiken, sowie Licht- und Luftarbeiten auf der Suche nach einer universellen, befreiten künstlerischen Sprache folgen. Dabei bespielt das Museum nicht nur die Innenräume, sondern auch den Außenraum, wo sich die „Inflatables“ entfalten und himmelwärts stürmen. Den physischen Höhepunkt der Ausstellung wird sicher die Nachbildung des „Paris Star“ bilden, die über dem Museum schweben wird. Interessante Bezüge zu den abstrakten Werken von Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp offenbart ein weiterer Teil der Ausstellung.

Uta Winterhager

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