Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Schwimmbadschicksale

Was kommt nach den Badegästen? Einige Beispiele und eine Aufgabe.

Die Umnutzung, die leerstehende Kirchen vor dem Abriss retten kann, ist in den letzten Jahren zu einer neuen Aufgabe auch für Architekten geworden. Und wie die bereits realisierten Beispiele aus Maastricht, Köln oder Dortmund zeigen, lohnt sich der oft mühevolle Weg durchaus. Aber es sind nicht nur die Kirchen, denen Nutzer und Nutzung abhanden kommen, zunehmend teilen auch zahlreiche innerstädtische Hallenbäder dieses Schicksal. Schwimmbad und Kirche gemein ist darüberhinaus auch der nutzungsbedingt großvolumige Baukörper, sowie eine in vielen Fällen zeittypische baukünstlerisch wertvolle Ausstattung. Sprechen wir über die im Konkurrenzkampf mit den Spaßbädern unterlegenen, aber gestalterisch überaus reizvollen Jugendstilbäder, lassen sich für die Nachnutzung dieser außergewöhnliche Hallen einige interessante Umnutzungen finden:

 

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Als würden die Statuen noch auf Badegäste warten: Musée d’Art et d’Industrie Roubaix, Ansicht mit Blick auf Sonnenfenster © Velvet (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

 

Das Musée d’Art et d’Industrie im nordfranzösischen Roubaix zeigt seit dem Umbau 2000 durch den Architekten Jean-Paul Philippon Sammlung und Ausstellungen in einem außergewöhnlich schönen Art-Déko Schwimmbad. Statt der Badegäste flankieren dort heute Skulpturen in Zweierreihen das große Becken. Auch die Umkleide- und Duschkabinen sowie die Galerien und Balkone der oberen Etagen wurden in das Ausstellungskonzept min einbezogen, das dadurch nicht zur Kulisse der Kunst degradiert wird, sondern selbst gleichberechtigt im Zentrum der Präsentation steht.

 

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Training auf dem Trockenen: Die neue Nutzung des Ehrenfelder Neptunbades ist ein Sportclub © Neptunbad

 

Auch das Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in Duisburg bezog Quartier in einem Jugendstilbad. Dort, wo früher gebadet wurde, liegen heute Boote vor Anker – allerdings auf dem Trockenen. So wurde im Ehrenfelder Neptunbad ebenfalls das Wasser abgelassen, in der verspielten Jugendstilszenerie werden die Körper von heute auf andere Weise ertüchtigt. Dass man in einem Jugendstilbad aber auch einfach baden kann, zeigt das Beispiel der Aachener Elisabethhalle, die nach einer aufwendigen Sanierung nun wieder zum Schwimmen und Schauen einlädt. Wie, das zeigt ein kleiner Film der WDR WESTART Meisterwerke.

 

Kein Spaß im Schwimmbad

Doch die zahlreichen in der Nachkriegszeit bis in die 70er Jahre hinein erbauten Hallenbäder, die dem modernen Badegast zwar Becken, Wannen und Brausen anboten, aber wilde Rutschen, Saunalandschaften und Atlantikwellen vermissen ließen, galten spätestens in den 90er Jahren als unmodern. Der Bauzustand verschlechterte sich zusehends und, da kaum noch in die als wenig zukunftsträchtig erachtete Substanz investiert wurde, nahm auch die Zahl der Badegäste ab. Und irgendwann fällt eine Stadt in Anbetracht ihres knappem Haushalt dann die Entscheidung, das wenig rentable Bad zu schließen.

Konkret geht es hier nun um das Schicksal des Bonner Viktoriabads, das als Nachfolgebau des 1967 aus bautechnischen Gründen abgerissenen Vorgängerbaus errichtet worden war. Der von Goswin Weltring entworfene Stahlbetonskelettbau, in dem es auch wieder einen Heilbädertrakt, eine Mehrzweckhalle, ein Lehrschwimmbecken sowie ein großzügige Eingangshalle gab, wurde 1971 fertig gestellt. Die zeitgemäß schlichten, aber in hochwertigen Materialien ausgeführten Fassaden stehen in einem großen Kontrast zu den prominenten historischen Nachbarn, dem barocken Rathaus auf der einen, dem Kurfürstlichen Schloss (Universitätshauptgebäude) auf der anderen Seite.

 

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Das Kunstharzfenster des Bonner Viktoriabades von Wilhelm Jungherz © Foto: Stefanie Pasternok

 

Nimmt man nicht wahr, dass die schmalen Fensterbänder ungewöhnlich hoch liegen, hätte man das Gebäude von der Franziskanerstraße fast für einen Bürobau halten können. Diese noble Zurückhaltung diente jedoch auch der Inszenierung der Ansicht zum Belderberg (B9), wo das Schwimmbad mit einem 8 x 30 Meter großen Kunstharzfenster auftritt. Dieses inzwischen denkmalgeschützte Fenster, eine bunte abstrahierte Geysirlandschaft, ist das Werk von Wilhelm Jungherz, der damals als künstlerischer Mitarbeiter im Büro von Gottfried Böhm angestellt war. Tagsüber verlieh es der funktional gestalteten Schwimmhalle eine seltsame Magie, abends, wenn in der Schwimmhalle die Lichter noch brannten, konnte man das Schauspiel der Farben und Formen von der Straße aus erleben.

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Die Geysirlandschaft auf dem Trockenen. Dass hier das StadtMuseum seine vielfältigen Exponate zeigt, ist nicht nur vorstellbar, sondern durchaus wünschenswert. © Foto: Stefanie Pasternok

 

Kunst im Schwimmbad

Seit sechs Jahren sind nun die Lichter im Viktoriabad gelöscht, in den trockenen Becken überwintern die Boote des GRC Schülerruderclubs. Und natürlich muss hier ein wenig Wehmut anklingen, denn nicht nur die Autorin dieses Textes, sondern auch ihr ältestes Kind hat hier die ersten Schwimmversuche gestartet. Es gab große Pläne den ganzen Block abzureißen um dort ein Einkaufszentrum zu errichten, zahlreiche Grundstücks- und Immobilienverkäufe wurden getätigt, doch ein Bürgeraufstand erreichte eine große öffentliche Diskussion und schließlich einen Stillstand. Nun stehen einige Ladenlokale im Block leer, weil ihnen bereits gekündigt wurde, andere Händler und Gastronomen harren aus und setzen sich bei Viva Viktoria für den Erhalt des Komplexes ein.

Auch die WERKSTATT Baukultur Bonn engagiert sich für das Viktoriabad und hat vor kurzen einen kleinen Architekturführer herausgegeben, der auf der Grundlage der Abschlussarbeit von Stefanie Pasternok im Bachelor-Studiengang Kunstgeschichte der Uni Bonn entstand. Darin erläutert Stefanie Pasternok nicht nur die Baugeschichte der beiden Viktoriabäder, sondern auch ihrer baukünstlerischen Ausstattung und gibt damit allen, die sich für den Erhalt des Gebäudes einsetzen, eine solide Argumentationsgrundlage.

 

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Edelstahlrelief von Günter Ferdinand Ris über der Hofeinfahrt des Viktoriabades. Angefertigt wurde es 1972 nach einem von der Stadt Bonn ausgelobten Wettbewerb. © Foto: Uta Winterhager

 

 

Seit längerem schon machen sich auch das StadtMuseum und die Gedenkstätte für die Bonner Opfer des Nationalsozialismus – An der Synagoge e.V., sowie das Café Blau Gedanken um ihren zukünftigen Verbleib. Museum und Gedenkstätte bezogen Ende der 90er Jahre als der Schwimmbadbetrieb noch lief, die dazu entkernte und umgestaltete Heilbäderabteilung, das Café die früherere Milchbar im Foyer. Sollte es zu einem Abriss kommen, müssten Ersatzräume gefunden werden, doch die Stadt scheint der Forderung nur schwer nachkommen zu können. Nun, da der Abriss nicht mehr unmittelbar droht, präsentierte der Vorsitzende des Fördervereins StadtMuseum Gisbert Knopp einen ganz neuen Ansatz: „Wie wäre es denn, wenn man die große, seit Jahren leer stehende Schwimmhalle des Viktoriabades unter Beibehaltung des Beckens mit einem offenen dreigeschossigen Einbau als Ausstellungsfläche für das Museum versieht? Eine nicht in die Außenwände eingebundene, unabhängig in der Raumhülle stehende Konstruktion hätte zudem den Vorteil, dass sie nicht in das große, denkmalwerte Fenster einschneidet, sondern es in der ganzen Fläche erlebbar macht: es könnte das erste wandfeste Exponat des Museums werden.“

Dass derartige Umnutzungen gelingen können, zeigen die anfangs erwähnten Beispiele. Um diese Idee aber öffentlich besser kommunizieren zu können, fehlen derzeit noch Bilder (über Geld reden wir später), die das Potential dieser Idee illustrieren würden. Sollten Sie als Architekten oder Studierende Interesse haben sich an dieser Diskussion zu beteiligten, schreiben Sie bitte an die Redaktion, wir leiten Sie gerne weiter.

 

Uta Winterhager

 

Die Architekturführer der Werkstatt Baukultur Bonn können für 5 Euro hier bestellt werden.

 

 

 

 

2 Kommentare

Schön, dass Ihr euch diesem Thema annehmt. 🙂 Dass die aktuelle Wegwerfkultur auch vor seinerzeit ja nicht ohne Mühe, Ressourcen und Aufwand erstellten Gebäuden nicht Halt macht, muss unbedingt verhindert werden. Als „Neubonnerin“ hatte ich leider noch nie Gelegenheit, das Viktoriabad von innen zu sehen. Aber schon von Außen ist die Fassade eindrucksvoll und besonders. Und das Café Blau ist so ein lebendiger, junger Ort im eher bürgerlich-gemächlichen Bonn.

49 geboren besuchte ich regelmäßig das viktoriabad und war stets beeindruckt von diese riesigen Schwimmerskulptur im Eingang. In meiner Erinnerung war er bereit zum Kopfsprung. Gibt es diese Skulptur noch? Auch ein Foto?