Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Zwischenstände

Kölner Projekte der Jahrtausendwende:
Erwartungen – Ziele – Erfahrungen – Perspektiven

„Radikale aber auch faszinierende Veränderungen kommen auf die Städte des neuen Jahrtausends zu“, so eröffnete Prof. Carl Fingerhuth, ehem. Stadtbaumeister von Basel und Mitglied des Gestaltungsbeirats der Stadt Köln, die Diskussion des Abends, zu dem der Bund Deutscher Architekten in Kooperation mit dem RVDL eingeladen hatte. Diskutiert wurden städtebauliche Strategien für die Zukunft im Allgemeinen, sowie Erwartungen, Erfahrungen und Perspektiven für drei große städtebaulichen Kölner Projekte im Speziellen.

„Wir bauen nicht die grüne Wiese zu, sondern entwickeln Brachflächen“ so Klaus O. Fruhner Dezernent für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Stadtplanung, deshalb läge das größte Potenzial für die Stadtentwicklung derzeit im Rechtsreihnischen, hier wo in den letzten Jahren 150 Hektar Industriefläche brach gefallen sind und wo die Projekte Technologiespange Mühlheim-Kalk und ERI (Erweiterung der rechtsrheinischen Innenstadt) entwickelt werden. Der Begriff „rechtsrheinische Innenstadt“ steht als Synonym für die Aufbruchstimmung im rechtsrheinischen Köln, aber auch dafür, Zielsetzungen für städtebaulichen Projekte zu definieren und Perspektiven vor Ort zu entwickeln. Besonders im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Investoren und wirtschaftlich potenten Unternehmen vor Ort wurde der Bogen über das Euroforum Nord und Süd, den neuen Deutzer Bahnhof und das CFK-Gelände in Kalk gespannt.

Deutz, die Keimzelle

Als Keimzelle ganz oben auf der Prioritätenliste und mit 150 000 m² Bruttogeschossfläche größte Maßnahme des ERI Projektes, steht die Umsetzung des Areals rund um den Bahnhof Deutz (ICE-Terminal) und besonders die Veränderungen bezüglich der Messe, deren neue Magistrale sich vom Bahnhof durch die Messe in Richtung Zoo ausdehnt. Die erste Bauphase für den Terminal ist in vollem Gange und seit dem 15. Dezember 2002 fährt über Köln-Deutz der ICE zwischen Köln und Frankfurt im Stundentakt. Die Eröffnung des kompletten Terminals ist für 2005/2006 vorgesehen. Mit dem mehrfach umgeplanten Großprojekt entsteht in Köln der dritte ICE-Haltepunkt, ein komplett neues Messe-Entree und ein Kongresszentrum. Rings um den neuen Bahnhof Deutz sind mehrere Hochhäuser geplant. „Obwohl das Projekt teurer geworden ist, werden wir die sehr ansprechende Planung durchziehen“ betont Stadtentwicklungsdezernent Fruhner und beschwört damit die einvernehmliche Übereinstimmung innerhalb des politischen Lagers und der Handelnden auf Seite der Messe. Für ihn hat vor allem die Stärkung des Messestandortes Priorität. „Im Wettbewerb der Messestädte müssen wir uns besser stellen. „Sein Ziel bis 2005 ist es, einen „stadtnahen Standort zu schaffen“ und durch die jüngsten Planungen „die Stadt bis an die Messe heran zu holen“. Gemeint ist damit der Platz zwischen Bahnhofsausgang, Kongresszentrum und dem neuen Messeeingang, der als „urbaner Ort“ in Deutz verstanden werden soll.

Prof. Prinz, einer der drei Architektenvertreter des Abends mahnt die Bedeutung des öffentlichen Stadtraumes an, der nicht nur zufällig aus Restflächen entstehen dürfe. Hier müsse die Stadt mehr darauf achten „sich aus dem Kontext heraus zu entwickeln“. Zum Thema Hochhäuser wollte er sich gar nicht äußern da soll „zunächst erst mal eine Idee entwickelt werden.“ Ob dafür noch genügend Zeit bleibt ist fraglich, denn nach Fruhners Terminplan „kommt der Bebauungsplan“, in den bereits das neue Kongresszentrum und die Stellung der Hochhäuser eingearbeitet wurde „im Sommer zum Satzungsentwurf“, bezüglich der Planungen in Deutz das einzig Neue des Abends.

Orte mit Möglichkeiten

Ganz im Zeichen der Messeplanung steht auch die weitere Entwicklung von Euroforum Nord und Süd. Zwei Wettbewerbe, schon in den 90ern durchgeführt und entschieden „liegen seitdem auf Eis“, so Fruhner „bis die Logistik der Messe geklärt ist“, dies bedeutet, konkrete Planungen können erst in Angriff genommen werden, wenn die Messegesellschaft keinen Anspruch auf das Gebiet anmeldet. Anstelle des optionalen Messe-Logistikzentrums könnten 700 Wohneinheiten und fast die gleichen Fläche für Büronutzungen entstehen. Bis wann die Messe AG die Standorterweiterung entscheiden soll, blieb indes offen. In diesem Zusammenhang stellte Professor Christl Drey, GH Kassel, die Frage nach der Verantwortung der Städte für große freiwerdende Flächen und warnte vor der Entstehung von Monostrukturen und der Fragmentierung zwischen den Verkehrsknotenpunkten. Sie empfiehlt einen „räumlich arbeitenden Städtebau, der klare Baufelder formuliert in Kombination mit einem robusten öffentlichen Raum“.

CFK: erst shoppen, dann wohnen

Mit pragmatischem Optimismus stellte Stadtentwicklungsdezernent Fruhner auch das dritte Konzept des Abends vor. Nach fast zehn jährigem Planungsverfahren für das Areal der ehemaligen Chemischen Fabrik in Kalk (35000 m² Baufläche), auf dem Wohnhäuser, Bürgerpark, Shopping-Mall, Science-Museum und ein Kino entstehen sollen, musste die Planung „leicht modifiziert werden“, so Fruhner „weil es für die Umsetzung des Wettbewerbes keine Investoren gab“. Dennoch könne nun ein Teil des Projektes auf den Weg gebracht werden. Denn entlang der Kalker Hauptstraße soll in diesem Jahr mit den Baumaßnahmen des 1. „investitionsfreundlichen“ Bauabschnittes begonnen werden. Das Extrakt des neuen Planungsstandes, das als Entree ins Stadtviertel gedachte Einkaufszentrum und dessen Gestaltung, umschiffte er dabei mit gekonnter Rhetorik und vertröstet auf den unbestimmten Beginn des zweiten Bauabschnittes, der vor allem die Wohnbebauungen und den Bürgerpark im hinteren Teil des Areals beinhaltet.

In der fragmentarischen Umsetzung sieht Prof. Prinz vor allem die Gefahr für die weitere Entwicklung des Stadtteils. Denn „trotz pragmatischeren Zielsetzungen“ gebe es wenig greifbare bauliche Perspektiven im Wohnungsbau. Hier setzt auch seine Kritik an der öffentlichen Hand an „die aufgehört hat kompetent einzugreifen und keine glaubwürdigen Inhalte formuliert“. Darüber hinaus konnte auch er nur noch resigniert feststellen: „da sind Fakten geschaffen worden, mit denen wird man sich abfinden müssen“. Als Anregung schlug er vor wenigstens den Bürgerpark nicht brachliegen zu lassen, sondern in demokratischer Partizipation ungenutztes „Arbeitspotenzial“ vor Ort einzusetzen um wenigsten einen saisonalen Übergangszustand zu erreichen.

Wichtige Voraussetzung für die Verwandlung dieser dunklen Flecken in strahlende Orte sei – und das war die Botschaft des Abends an die Handelnden „Qualitätssicherung der Planung und der städtebauliche Grad an Öffentlichkeit“. Schon allein um dies zu erreichen lohnen sich die Anstrengungen mit „frühzeitig aufgestellten Spielregeln“ (Drey) ganzheitliche Gestaltungskonzepte zu entwickeln.

In der praktischen Umsetzung dieser Erkenntnis knüpfte auch der Diskussionsabend an, jedoch überraschten nicht die Diskussionsbeträge, sondern vielmehr die Hilflosigkeit angesichts einer Planungskultur städtebaulicher Konzepte besonders im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit Investoren und wirtschaftlich potenten Unternehmen vor Ort. bs