Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Jenseits des Rheins

“Rechtsrheinische Perspektiven” mit Symposium, Workshop und Ausstellung

Im Rahmen der Regionale 2010 setzte die Stadt Köln eine Veranstaltungsreihe zu dem Thema Entwicklungspotenziale im rechtsrheinischen Stadtgebiet auf. Die Ergebnisse des Symposiums, das im September stattfand, und des Workshops, zu dem am 3. Dezember eine Abschlusspräsentation gegeben wurde, werden im Frühjahr 2011 in einer Ausstellung präsentiert, zu der auch ein Katalog erscheint.

Die “Workshops für das rechtsrheinische Köln” wurden 2004 vom Gestaltungsbeirat der Stadt initiiert. Zu dem jetzt stattgefundenen Termin waren fünf Planungsteams mit Architekten und Landschaftsarchitekten aus Deutschland und den Niederlande aufgefordert, einerseits flächenfokussiert die Stadträume Mülheim Süd, Kalk Süd und Deutz zu betrachten und andererseits themenfokussiert die Komplexe “Trassen” und “Rheinraum.”

Die am Ende des Workshops versprochene “Zwischenbilanz für die Medien” blieb leider aus. Laut Schlußwort von Bernd Streitberger ist es nun Aufgabe der Stadt, aus den vorgestellten Arbeiten Projekte zur Realisierung auszuwählen. Dabei möchte er sich Boris Sieverts Kommentar zu Eigen machen, nicht Partizipation sei der anzuempfehlende Modus für die weitere Entwicklung des Rechtsrheinischen, sondern Zusammenarbeit. Wir haben die teilnehmenden Büros gebeten, ihre Quintessenz aus den Veranstaltungen zu formulieren, die wir hier in gekürzter Form wiedergeben. Vielversprechende Ansätze wurden vorgetragen – um sie alle gedanklich zu durchdringen, müssen die Teilnehmer bestimmt mehr als “eine Nacht drüber schlafen”, wie Streitberger am Ende formulierte.

Themen und teilnehmende Büros

  • Mülheim Süd von Claus en Kaan Architecten, Rotterdam mit greenbox Landschaftsarchitekten, Bochum
  • Kalk Süd von Rübsamen + Partner, Bochum mit Club L94, Köln
  • Deutz von Kister Scheithauer Gross, Köln mit KLA KiparLandschaftsarchitekten,

    Duisburg
  • Rheinraum von Jo Coenen, Maastricht mit Agence Ter, Karlsruhe
  • Trassen von Büro Machleidt, Berlin mit Sinai (Faust.Schroll.Schwarz), Berlin
  • Kurzdarstellungen der beteiligten Büros

    1. Mülheim Süd von Claus en Kaan Architecten, Rotterdam mit greenbox Landschaftsarchitekten, Bochum

    Mittlerweile verschwindet die Industrie. Spielraum entsteht. Der Begriff beinhaltet drei Bedeutungsebenen. Wörtlich genommen kann er Raum für Freizeitfunktionen in der Stadt bedeuten. Mentaler Spielraum generiert neue Gesichtspunkte, Einsichten und Innovationen. Spielraum kann auch strategisch gedeutet werden – als Raum für unvorhergesehene Entwicklungen innerhalb der Stadt.

    Der Workshop 2004 brachte die Schlussfolgerung, dass die Wahrnehmung des Gebietes als aufgeteilt in einzelne Inseln zu deren Isolierung führte. Eine neue Perspektive entsteht, wenn man das Gebiet aus dem Zwischenraum, dem Spielraum heraus betrachtet. Zwei vorherrschende Instrumente zur Aktivierung des Gebiets sind bereits gegeben: die Infrastruktur und die Freiräume und Grüngebiete.

    Die Schwebebahn ist eine Metapher für die Wiedergeburt und Interpretation des Gedankengutes vergangener Ingenieurskunst im Rechtsrheinischen und vermittelt ein Pioniergefühl, die Möglichkeit des Entdeckens, die Atmosphäre von Innovation. Sie ermöglicht es, das Gebiet als Einheit zu betrachten und zu erfahren. Die Frei- und Grünflächen nennen wir „arkadischen Spielraum“. Der Monte Kalk, die Kleingärten und Brachflächen und der Raum unter der Stadtautobahn werden verwandelt in einen Park des 21. Jahrhunderts.

    (Text: Claus en Kaan Architecten – gekürzt)

    2. Kalk Süd von Rübsamen + Partner, Bochum mit Club L94, Köln

    Der scheinbar nahe liegenden Lösung, den Raum mit einem abstrakten Leitbild dominant zu ordnen, setzt der Vorschlag von Rübsamen+Partner und club L94 ein dezidiert analytisches, historisch aufmerksames Vorgehen entgegen. Der übergeordnete Zusammenhang der Stadträume von Deutz, Kalk und Humbold-Gremberg ist wesentliches Ziel. Die großräumliche Vernetzung gelingt durch die Schaffung differenzierter Freiraumtypologien, die sich zum Grüngürtel Kalk zusammenfügen und die flickenteppichartigen Grünräume ergänzen. Die stadträumliche Anbindung an Mülheim (N), Poll (S), Bergisches Land (O) sowie Innenstadt (W) geschieht durch die Aufwertung der Kalker Hauptstraße und Olpener Straße sowie Kalk-Mülheimer Straße. Die Verknüpfung der Quartiere erfolgt durch die Ausbildung des Kalker Rundweges. Eingebettet in den Grüngürtel ist eine Reihe von Parktypologien, wie z.B. der Stylepark (er besetzt den Raum unter den Autobahnbrücken sowie Auf- und Abfahrtsrampen als artifiziellen Ort), der Grüne Rücken Kalk sowie der Sportpark Humbold-Gremberg. Kreative Keime in den Quartieren und Nachbarschaften fördern die lokale Kommunikation in Parks, auf Plätzen und in Höfen. Der Kalkberg bekommt mit einer Aussichtsplattform eine völlig neue Bedeutung.

    (Text: Club L94, Köln – gekürzt)

    3. Deutz von Kister Scheithauer Gross, Köln mit KLA KiparLandschaftsarchitekten,

    Duisburg


    Die Kernpunkte des Entwurfes sind die City Gardens, die Aufstockung des Bestandes um zwei Geschosse und die Beruhigung der Stadtstraßen. Die City Gardens bieten halbprivate, halböffentliche Grünflächen vor den Wohngebäuden, verschmälern die Straßen und vergrößern die Freiflächen. Durch die quaderförmigen ‚Stadtgärten‘ wird die Straße zum Park. Die Aufstockung der vorhandenen Gebäude um zwei Geschosse schafft weiteren Wohnraum und verdichtet das städtische Quartier. Die großen Straßen – allen voran der viel befahrene Gotenring – werden auf 2 Spuren verschmälert und beruhigt. Die Fußwege werden in der Breite verdoppelt, es entsteht Platz für eine Baumbepflanzung – aus dem innerstädtischen Verkehrsring wird eine alleenartige Stadtstraße.

    Unser auf diesen drei Kernpunkten basierendes Konzept lässt sich simultan oder phasenweise durchführen und bietet somit auch in wirtschaftlicher Hinsicht verschiedene Variationen an.

    (Text von Kister Scheithauer Gross, Köln)

    4. Rheinraum von Jo Coenen, Maastricht mit Agence Ter, Karlsruhe

    In unserem Entwurf werden die Rheinräume zu einer kontinuierlichen Rheinfront verbunden. Verstärkt wird diese Vernetzung durch den neuen Rheinboulevard. In Ost-West-Richtung werden die Identitätskerne wie Mühlheim, der Mühlheimer Hafen, die Messe City, Deutz und der Deutzer Hafen sowie Poll durch ein feinmaschiges, informelles Wegenetz mit der Rheinuferzone verknüpft. Zwei neue Fußgängerbrücken über den Rhein verbinden im Norden und Süden die Rheinuferzone mit dem linksrheinischen Grüngürtel.

    Eine Neuordnung der Verkehrsströme zwischen der Deutzer- und der Severinsbrücke und im Bereich des Gotenrings, sowie eine Reduktion der Verkehrsbewegungen in diesen Abschnitten sind erforderlich, um eine Vernetzung zu ermöglichen. Durch den Abbau der Barrierewirkung dieser Verkehrsflächen wird die historisch gewachsene Ost-West-Verbindung zwischen Neumarkt, Heumarkt und Deutzer Freiheit intensiviert. Diese Achse kann als Impulsgeber weiter nach Osten über die Lanxess-Arena bis nach Kalk gedacht werden.

    Im Norden und Süden wird die Rheinfront durch den Mühlheimer und den Deutzer Hafen charakterisiert. Ausgangspunkt ist, dass die Hafennutzung mittel- bis langfristig nicht aufgegeben wird. Die rechtsrheinische Rheinfront und Rheinräume werden langfristig zur neuen grünen Lunge Kölns transformiert.

    (Text von Jo Coenen & Co Architekten – gekürzt)

    5. Trassen von Büro Machleidt, Berlin mit Sinai (Faust.Schroll.Schwarz), Berlin

    Bisherige Pläne zu einer engeren Vernetzung der beiden Rheinseiten sahen zumeist die Schließung des linksrheinischen Grüngürtels auf den rechtsrheinischen Gebieten vor. Die heutige Ausgangssituation legt diesen idealisierten Schluss nicht mehr nahe. Die bestehenden Trassenkörper sind im Zusammenhang mit ihren Begleiträumen wie Kleingärten, Schrottplätze und Brachflächen in der Lage, die Verbindungsfunktion in einer neuen Interpretation zu erfüllen. Die Herausforderung lautet, diese trennenden Räume als lineare Verbindungselemente für Fußgänger und Radfahrer zu erschließen.

    Sie werden oft als Resträume behandelt und bergen doch mit einer Größe von rund 160 Hektar ein enormes Flächenpotential für die Arrondierung der bestehenden Quartiere und für eine Erlebbarkeit der Trassen als Verbindungsräume. Entlang der heutigen Trassen entsteht ein Rundweg, der zudem durch direkte Anschlüsse in alle Himmelsrichtungen die linksrheinische Kernstadt über zwei neue Fußgängerbrücken mit den rechtsrheinischen Quartieren und dem weiter östlich gelegenen Landschaftsraum verbindet. Die Umgestaltung und Rückstufung einiger Verkehrswege vermindert zudem die Barrierewirkung dieser Trassen, eine auf ehemaligen Planungen beruhende Tramlinie entlang von Severinsbrücke und Fachhochschule zum Gremberger Wäldchen ergänzt die Überlegungen zur Einrichtung einer Ringbahn für das rechtsrheinische Köln.

    (Text von Sinai – gekürzt)

    Ira Scheibe

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    Vier Antworten…

    04.05.2004

    Workshop Rechtsrheinisches Köln

    Die Schwebebahn ist für Claus en Kaan Architecten eine Metapher für die Wiedergeburt vergangener Ingenieurskunst im Rechtsrheinischen.

    Monte Kalk, Kleingärten und Brachflächen betrachten Claus en Kaan Architecten als „arkadischen Spielraum“.

    Für Kalk Süd entwerfen Rübsamen + Partner und Club L94 drei Parktypologien: den Stylepark, den Grünen Rücken Kalk und den Sportpark Humboldt-Gremberg.

    “Städtisches Gärtnern” für Deutz steht auf der Agenda von Kister Scheithauer Gross, Köln und KLA KiparLandschaftsarchitekten.

    Rheinraum

    Ein Anliegen von Jo Coenen, Maastricht und Agence Ter für die Uferzone ist es, links- und rechtsrheinische Naherholungsgebiete stärker zu verknüpfen

    Die Büros Machleidt und Sinai schlagen vor, das Radwegenetz zu einem grünen Radring in Form einer Zitrone zu ergänzen.

    1 Kommentar

    gerade der entwurf der schwebebahn; aber auch die idee der aufgestockten häuser in deutz mit postmodernen dachkonstruktionsanleihen; alles herrliche ideen. leider aber nicht in köln – so etwas futuristisches werden die piefigen herren der stadt aber leidet niemals goutieren.