Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Schlagerfestival im „Weisheitstempel“

Die Oper zieht in ihre nächste Ausweichspielstätte und zeigt Mozarts ‚Zauberflöte‘ in der Aula der Universität.

Es ist nicht das prächtige Entree, das Opernbesucher gewohnt sind. Dunkel ist der Durchgang unter dem vorspringenden Erker, bevor es durch die Glastüren in den großzügigen Eingangsbereich im Hauptgebäude der Kölner Universität geht. Die enge Pförtnerloge ist zur Abendkasse umgebaut, die Garderobe von Opernmitarbeitern okkupiert. Auch ein improvisiertes Foyer mit einer Getränketheke gibt es, etwas schwer zu finden, am Ende der breiten Gänge mit Neonbeleuchtung. Es ist in dieser Ersatzspielstätte also alles da, was zur Oper gehört – aber auch alles, was zu einer Uni gehört: Die Schwarzen Bretter mit den Aushängen, Tische für die Wahl zum Studentenparlament, Studenten, die von ihren Vorlesungen kommen, Hinweisschilder zu Hörsälen und ein etwas gammeliger Gesamteindruck.

Nachkriegsspielstätte

„Darauf, wie es hier aussah, habe ich damals nicht geachtet“, erzählt Liselotte Lisakowski, „das war für mich etwas ganz besonderes, hier habe ich schließlich meine allererste Oper gesehen.“ Zwischen 1945 und 1957 hatte die Kölner Oper schon einmal Zuflucht im Hauptgebäude der Universität gefunden. Die alte Oper am Habsburgerring konnte nicht mehr bespielt werden, sie war im Krieg beschädigt worden, wenn auch nicht so stark dass sie hätte abgerissen werden müssen. Trotzdem entschied man sich für einen Neubau und zog für die Interimszeit in das 1934 fertiggestellte, funktional schlichte Universitätsgebäude des Architekten Adolf Abel im Inneren Grüngürtel. Auch die Universität hatte Kriegsschäden, man nahm aber bereits 1945 den Vorlesungsbetrieb wieder auf – und bot den einzigen Saal in Köln mit Bühne und ausreichend Platz für Zuschauer. Zwölf Jahre währte das ungeliebte Provisiorium, bevor die neue Oper von Wilhelm Riphahn am Offenbachplatz 1957 mit Carl Maria von Webers „Oberon“ eröffnet wurde.

„Was ich damals gesehen habe, weiß ich nicht mehr. Ich glaube, es war ‚Tosca‘ und es muss so 1955 gewesen sein“, berichtet Liselotte Lisakowski, „die Eltern meiner Freundin hatten ein Abo und konnten wohl nicht, ich selbst hätte mir das gar nicht leisten können.“ Die Erinnerung an die Aula der Universität hingegen ist noch präsent: „Es gab Klapptische, die krachten dann während der Vorstellung immer runter – das war sehr störend.“ Die Tische wie auch die harten Klappsitze gibt es – in einer erneuerten Version – immer noch. In Grau und Weiß wirken sie wie ein Fremdkörper im sonst in Holz gehaltenen ansteigenden Saal mit rund 1.000 Plätzen.

Doppelte Bühne

Über einen Orchestergraben verfügt die Aula nicht, so hat Bühnenbildnerin Hyun Chu einen Teil der Bühne in einem großzügigen Halbrund über die ersten Zuschauerreihen gezogen und vor der eigentlichen Bühne des Saales eine Aussparung für das Orchester gelassen. Die halbrunde Plattform scheint mit nicht identifizierbaren Flecken den leicht heruntergekommenen Eindruck der Universität fortzusetzen – erst mit dem richtigen Licht schimmern die „Flecken“ golden. Auch der Beginn der Oper „Die Zauberflöte“ macht zunächst eher den Eindruck einer Schulaufführung: Zur Ouvertüre spielen drei Jungen – Solisten des Tölzer Knabenchores – auf der kargen Bühne, danach wird Tamino von einer riesigen Schlange aus einer Art Frischhaltefolie bedroht und Papageno singt „Der Vogelfänger bin ich ja“ in sehr rustikalem Kostüm mit Vogelbauer auf dem Rücken.

Erst mit dem Auftritt der Königin der Nacht verliert sich dieser Eindruck, der Vorhang der hinteren Bühne öffnet sich zu einem dunkelblauen Stoffhimmel mit hellen Lichtern. Die Königin der Nacht sendet Tamino und Papageno aus, ihre Tochter Pamina zu retten, die vom Fürsten Sarastro entführt wurde. Hierzu gibt sie ihnen ein magisches Glockenspiel und eine Zauberflöte mit. Im Verlauf dieses letzten Singspiels von Wolfgang Amadeus Mozart wird klar, was es mit der Universität verbinden könnte: Sarastro bestimmt, dass Tamino zum Priester des Weisheitstempels geweiht werden soll. Außerdem müssen er und Papageno drei Prüfungen bestehen, bevor sie mit den für sie bestimmten Frauen, Pamina und Papagena, vereint werden.

Kontakt mit den Zuschauern

Die eher schlichte und kaum über die Vorlage hinausgehende Inszenierung von René Zisterer lebt vom Kontakt mit dem Publikum. Immer wieder spielen die Darsteller zwischen den Zuschauern, was zwar akustisch wie optisch gerade für die vorderen Reihen nicht optimal ist, aber Nähe schafft, die man sonst selten in der Oper erlebt. Die Sänger wie auch das Orchester bieten an diesem Abend eine durchweg ordentliche Leistung und die Aula ist klanglich ansprechender als man bei einem Vorlesungssaal vermuten würde. Geradezu überwältigend wird der Klang, wenn der Chor nicht auf der Bühne sondern auf der Empore oder beim Finale an den Seiten des Zuschauerraumes singt. Und die Arien der „Zauberflöte“, die auch Opernunkundigen bekannt sind, tragen ihren Teil zum Gelingen des Abends bei. „Aus dem Saal haben sie doch viel rausgeholt, irgendwann hatte man die Umgebung vergessen“, befindet auch Liselotte Lisakowski, „nur die harten Sitze sind bei einer längeren Veranstaltung doch ein bisschen unbequem.“ Die Zuschauer, die eigene Sitzkissen mitgebracht hatten, waren hier eindeutig im Vorteil. Aber wenigstens Tische sind bei dieser Veranstaltung nicht runtergekracht.

Vera Lisakowski

Reise in die Türkei

Mit Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ eröffnet die Oper ihr Ausweichquartier in Mülheim, das Palladium.

Krönung in der Kantine

Obwohl die Oper ihr eigenes Haus wider Erwarten noch nutzen kann, werden in dieser Spielzeit auch andere Orte bespielt. Wir gehen auf eine musikalische wie architektonische Reise mit der Oper.

Informationen der Oper Köln zum Stück

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Die Aula im Hauptgebäude der Universität.

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Papageno (Milijenko Turk) tritt mit Vogelkäfig auf dem Rücken auf.

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Jeanette Vecchione als Königin der Nacht vor dunkelblauer Kulisse.

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Lothar Odinius als Tamino, die drei Knaben werden von Solisten des Tölzer Knabenchors gespielt

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Lothar Odinius als Tamino und Mojca Erdmann als Pamina endlich vereint