Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Vier Antworten…

Workshop Rechtsrheinisches Köln

Wie sollen sich Stadtbild- und Silhouette entwickeln? Welche Anbindung soll es künftig an den Rhein geben? Wie könnte die binnenräumliche und strukturelle Gliederung des Rechtsrheinischen aussehen? Wie wird es möglich, die monostrukturellen Bereiche (wie z.B. die Messe) und Transittrassen in das städtebauliche Umfeld einzubinden bzw. zu überwinden?

Fragen, die sich mit der Entwicklung des rechtsrheinischen Köln beschäftigen. Denn unumstritten ist es, hier liegt derzeit Kölns größtes städtebauliches Entwicklungspotenzial. Gestritten wird indes seit Jahren über das „Wie“. Hier fordern unterschiedliche Gruppen ein übergreifendes Gesamtkonzept ein, das der Stadtentwicklung Kölns einen Rahmen geben soll.

Antworten sollte ein Workshop bringen, den der Gestaltungsbeirat in Zusammenarbeit mit dem Stadtplanungsamt initiierte, um die Diskussion über eine Gesamtplanung erneut anzustoßen. Denn so Johannes Schilling: „Eine qualitätsvolle Entwicklung kann vor allen Dingen durch definierte Planungsziele kontrolliert werden“.

Wichtigste Maßnahme im Vorfeld des Workshops; zur Vorbereitung wurden all jene abgestimmten und zumeist beschlossenen räumlich wirksamen Konzepte zusammengetragen, die es für das Rechtsrheinische bereits gibt. Angefangen bei Leitkonzepten wie EERI bis hin zu Einzelprojekten die ebenfalls in den Schubladen schlummerten. Damit liegt ein in weiten Teilen politisch abgestimmtes Kompendium für den rechtsrheinischen Kernraum vor, welches die Grundlage für die Bearbeitung nicht nur des Workshops bildete.

Zum Workshop eingeladen waren vier renommierte Architekturbüros: Kees Kaan aus Rotterdam, Holger Rübsamen aus Bochum sowie die Kölner Professoren Johannes Kister und Oswald Matthias Ungers. Die Teilnehmer hatten zwei Wochen Zeit eine Perspektive für die rechtsrheinische Seite zu entwickeln. Erwartet wurde ein Schub für die städtebauliche Entwicklung und inhaltliche Bausteine die den Transformationsprozess des Ortes begleiten werden. Dabei sollten vor allem grundsätzliche und strukturelle Fragestellungen für die ehemals industriell geprägten Stadtteile Deutz, Kalk, Mühlheim und Poll beantwortet werden.

Als Vorlage für die Diskussion liegen nun unterschiedliche Ansätze vor, die vor allem in der Analyse viele Gemeinsamkeiten aufweisen. Entstanden ist Visionäres und Machbares.

500 Kubikmeter am Rhein

Johannes Kisters Vorschlag ist nicht die große Geste, nicht der Masterplan für das rechtsrheinische, denn so sein Statement: „die unterschiedlichen Stadtteile2, von Kister Monaden genannt, „haben ganz unterschiedliche typologische Strukturen.“

Die Vorschläge im einzelnen beinhalten im Schwerpunkt das Thema Wohnen, „es muss herausgearbeitet und gestärkt werden.“ Die Transformation des Deutzer Hafens in Wohngebiete wurde in Anlehnung an Corbusiers „Plan Obus“ für Algier im Detail vorgestellt. „Köln hat ein großes Defizit an geeigneten Wohnstandorten“. Zweigeschossige Kuben, die auf insgesamt 500 m3 eine größtmögliche Vielfalt und Flexibilität menschlichen Wohnen zulassen. Mit der Umnutzung der Mühle, die als identitätsstiftendes Element erhalten werden soll, könnte ein Gegenstück zum „Siebengebirge“, das derzeit vom Büro Kister Scheithauer, Gross umgebaut wird, entstehen.

Zweiter Schwerpunkt der Planungen ist die stärkere Bindung der einzelnen Stadteile an den Boulevard Rhein, der auch durch den weitgehend unbebauten Mühlheimer Hafen erweitert werden soll. Eine weiter wichtige Aussage ist die Schaffung von Zukunftspotenzial in Form von „ruhenden Flächen“, denn so Kister “es muss nicht alles sofort bebaut werden.“ So erhält sich die rechtsrheinische Seite Flexibilität und Offenheit für die Integration funktionaler neuer Aufgaben, daraus könne eine Stärke besonderer Art abgeleitet werden.

Köln im Europäischen Maßstab

Mit der Distanz des Nicht-Kölners betrachtet Kees Kaan die Kölner Stadtentwicklung. Ohne Ressentiments gegenüber der rechtsrheinischen Seite zeigt er Köln im europäischen Maßstab, hier verwischen die Konturen zwischen dem rechten- und linksrheinischen Köln.

Auch seine Arbeitsthese geht von der individuellen Entwicklung der einzelne Stadtteile Deutz, Mühlheim und Kalk aus. In den rechtsrheinischen Betrachtungen des Niederländers Kees Kaan liegt der Schwerpunkt auf der Schaffung neuen Wohnraumes. Referenzprojekte aus Amsterdam und Rotterdam vermitteln exemplarische Wohnprojekte. Im Gegensatz zu Kisters städtischen Strukturen sind hier die Areale jedoch kleinteiliger. Der Freiraum der beiden Häfen schaffe Identität für neue Wohngebiet, doch auch zwischen bereits bestehenden Strukturen soll, so die Zukunftsperspektive, neuer Wohnraum entstehen.

Verdichtung ist die Antwort auf die vielen transitorischen Orte, wie Messe, Arena und Bahnhof, die mit dem eigentliche Gebiet nichts zu tun haben, sie werden von außerhalb bedient. Eine Verdichtung der Wohngebiete könne diese Areale „erden“ und identitätsstiftendes Potenzial zu den großen Monostrukturen bilden. Ein „Trick“ könnte die großformatige Messestruktur nach Norden besser in die bestehenden Strukturen einbinden. Eine Spange kleinteiliger Bürohäuser soll die Messehallen „einhausen“.

Parallele Bänder

Holger Rübsamen aus Bochum, der Gewinner des städtebaulichen Wettbewerbes für den Düsseldorfer Medienhafen, schlug in seinen Überlegungen einen anderen Weg ein. Zwei Thesen bestimmten seine Idee: Im Gegensatz zum Linksrheinischen Köln entwickelte sich Rechtrheinisch kein einheitliches Bild. Es wird geprägt von Brüchen und Gegensätzen. Deshalb sein Vorschlag, die Statteilfragmente zu ergänzen.

„Ordnung und Überformung meint, eine langfristig angelegte Strategie“, ein Raster, das von der Deutz-Mülheimer Straße ausgeht, nachhaltig mit einer neuen städtebaulichen Figur zu überformen und neue Quartiere zu schaffen. Bestehende Großgebäude und Siedlungen sollen integriert werden, um die einzelnen Themen zu einem befriedigenden städtebaulichem Leitbild zu führen.

Seine These Landschaftsfluss hat zum Ziel die teilweise fragmentarischen Grünräume zu vernetzten. Der Rheinboulevard soll in das Gesamtkonzept einbezogen werden, der Mühlheimer Hafen jedoch weitgehend frei von Bebauung bleiben, hier greift das Grünkonzept, das als paralleles Band neben dem Band der Bebauung und dem des Rheins läuft.

Die Messe als Initiator für weiter städtebauliche Maßnahmen soll stärker in die Pflicht genommen werden. Denn „wer an so privilegierter städtischer Stelle, Flächen besetzt hat auch eine Verantwortung dem Stadtraum gegenüber“, der vor allem im nördlichen Bereich der Messe zum tragen komme müsse, die nicht nur als Rückseite aufgefasst werden dürfe. Hier forderte er eine Verknüpfung zu Rheinpark.

Stadt-Silhouette

Die Herangehensweise von O.M. Ungers an das Thema war zu nächst historischer Art. Er analysierte andere Europäische Städte mit vergleichsweise ähnlicher Stadtstruktur unter Einbeziehung eines Flusses ins Stadtbild.

Im Vordergrund der Kölner Analyse auch hier die Betonung der unterschiedlichen Typologien der einzelnen rechtrheinischen Stadtstrukturen. Er übernimmt den Begriff der Sternstadt von Max Taut, die von einer Reihe kleinerer Städte in der Stadt gebildet wird. Außer diesen klar definierten Orten gibt es, meist dazwischen, Großstrukturen, wie Autobahnkreuze, die Messe, große Parkplatzflächen, Bahnhof und Kölnarena. Sie existieren und sollen in eine gewisse Ordnung gebracht werden. Hier sein Vorschlag: Das Gebiet sollte als eine Serie von Einzelstädten aufgefasst werde, die es zu intensivieren und deren Eigenart und Besonderheiten es herauszuarbeiten gilt. Er sieht kein gemeinsames städtebauliches Konzept. Das strukturelle Konzept müsse von der sich allmählich entwickelnden Stadtlandschaft ausgehen.

Die Deutz-Mülheimer-Straße, die für die Entwicklung des Areals sehr wichtig ist „sehen wir als Boulevard zur Aue hin mit einer Einzelbebauung höherer Gebäuden, bis zu 70 Metern, durchlässig in die Stadt und zur Aue aber als eindeutige Silhouette wahrnehmbar“. So könnten an beiden Häfen Kanten entstehen, damit wurde das Thema der Stadt-Silhouette zum ersten Mal thematisiert.

Ebenfalls Kölnspezifisch sei die nahezu zusammenhängende Auenlandschaft, zwischen den beiden Häfen. Ein in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt liegendes Erholungsgebiet. Um die „Barriere Rhein“ besser überbrücken zu können schlägt Ungers in Verlängerung der Ringe zwei sogenannte Living Bridges vor. Dies sollen Fußgängerbrücken mit hoher Aufenthaltsqualität sein, die es für Innenstadtbewohner attraktiv machen in das Naherholungsgebiet Rheinaue zu gelangen.

Barbara Schlei
Redaktion

work Kister3 72

Prof. Johannes Kister, Köln

Die Identität der einzelnen Stadtfelder, der sogenannten „Monaden“, soll erhalten bleiben und individuell weiter entwickelt werden.

work Kister2 72

Prof. Johannes Kister, Köln

Entlang der Deutz-Mülheimer Straße beinhalten die Vorstellungen städtische Blockstrukturen, die auch die S-Bahn mit einbeziehen und die Umstrukturierung verschiedener Industriebrachen in Wohnstrukturen.

work Kaan

Kees Kaan, Rotterdam

Sein „Patchworkplan“ unterteilt großzügig die Areale in Messe, Campus, Eventflächen, Park sowie neue und bereits existierende Siedlungen.

work Rübsamen3 72

Holger Rübsamen, Bochum

Für das rechtsrheinische Köln zeichnet er das Bild des „Stadt-Bandes“: ein Band städtischer Bebauung, eingebettet zwischen der westlichen grünen Auenzone und dem östlichen Landschaftsstreifen.

work Rübsamen2 72

Holger Rübsamen, Bochum

„Ödland, z.B. zwischen den Bahntrassen, ist artifizieller Raum, der Freiraum bildet für neue Nutzungen.“

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Prof.O.M. Ungers, Köln

Die ‚Sternstadt‘, die von einer Reihe kleinerer Städte in der Stadt gebildet wird, soll individuell je nach Typologie weiterentwickelt werden.

5 Kommentare

Hallo Frau Schlei!
Ich schreibe z.Z. zum Workshop-Thema meine Diplomarbeit – mein Schwerpunkt behandelt die Maßnahmen der Stadt Köln zur Aufwertung (Strukturverbesserung) der rechtsrheinischen Stadtteile Deutz, Mülheim, Kalk. Ich wäre Ihnen daher sehr dankbar, wenn ich nähere Informationen zu diesem Workshop erhalten könnte. Vielleicht könnte ich zu einem Gespräch vorbei kommen? Damit würden Sie mir bestimmt sehr helfen! Vielleicht sind Sie ja auch an meinen Ergebnissen interessiert?! Vielen Dank im voraus und
viele Grüße
Wibke Niels
(Diplom-Geographie an der Uni Köln)

Hallo,
ich habe von dem Workshop schon in der Zeitung gelesen…Seit einem Jahr behandeln wir im Rahmen eines Vertiefungsentwurfs der Fakultät für Architektur der FH Köln den Deutzer Hafen. Gegen Ende des Semesters werden wir die erarbeiteten Entwürfe in Plänen und Modellen in der FH präsentieren. Die genauen Daten kann ich gerne noch nachreichen…vielleicht möchten Interessierte ja mal vorbeischauen…Muss jetzt weiterzeichnen…Schöne Grüße,
Alexander Unsin.

Hallo,
wie wärs mit einem
Internet Forum. Also mich wundert, daß es zum derart heiss diskutierten Thema kein städtisches Forum gibt! Wäre sehr von nöten…
Die „Volksexperten“(Bürger)sind wohl nicht gefragt, obwohl wir hier leben und die Entscheidungen ausbaden müssen.
mfG
S. Thelen
http://www.sonnenhunger.de