Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Geschichte einer Freifläche

„Rathausplatz“ nennen die Kölner großzügig die Fläche zwischen Spanischem Bau und Wallraf-Richartz-Museum. Es scheint auch logisch zu sein, schließt doch hier das Rathaus mit der Renaissancelaube an. Wer aber genau auf den Stadtplan schaut, wird feststellen: Der Platz hat gar keinen Namen. Er ist schlicht eine Brachfläche, übrig geblieben aus dem letzten Krieg. Doch der Platz ohne Namen hat eine lange Geschichte, vom jüdischen Wohnviertel im Mittelalter zum möglichen jüdischen Museum in der Zukunft. In Wellen schwappen nun schon seit vielen Jahren sowohl die Begeisterung als auch die Entscheidungsangst zum Bau des „Hauses und Museums der Jüdischen Kultur“ an einem so sensiblen Standort hoch und verebben ohne Folgen.

Der Platz zwischen den Straßen

Die Neubebauung dieses Platzes am Rathaus hat eine sehr alte Entscheidungsgeschichte. Als Kriegswunde im Zweiten Weltkrieg entstanden, stellte sich schon seit den siebziger Jahren die Frage nach einer Wiederbebauung dieser damals noch als Lücke begriffenen städtebaulichen Situation. Der erste Wettbewerb, den 1971 bereits das Büro Schürmann gewann, sah noch die Bebauung mit einem Kongresszentrum vor. Schon 1979 folgte der zweite Wettbewerb, der bundesweit offen und zweistufig ausgeschrieben war. Mittlerweile sah man eine Mischnutzung vor, die unter anderem ein jüdisches Museum enthielt. Auch hier ging das Büro Schürmann mit seiner Bebauung aus der ersten Stufe als Sieger hervor. Warum dann die Auslober in der zweiten Stufe die Nichtbebauung forderten und damit das Wettbewerbsziel der ersten Phase umkehrten, kann vielleicht erst aus heutiger Sicht verstanden werden. Denn in der Zwischenzeit war eine grundsätzliche Diskussion um die Bebauung des Platzes entstanden. Braucht das Rathaus nicht etwas Freiraum und einen großen Platz? Ist die kleinteilige und enge Bebauung der Altstadt wirklich auch an dieser Stelle wieder wünschenswert? Sollten in Köln nicht eher innerstädtische Plätze und Grün gefördert werden? Statt aber diese Fragen auf fachlicher Ebene zu diskutieren und in einer städtebaulichen Studie zu überprüfen, versandeten alle Ideen und Wettbewerbe im Kölner Nichts. Ein neuer Workshop 1995 bestätigte zwar noch einmal die Planung vom Büro Schürmann, bildete aber eher die Grundlage für den Neubau des Wallraf-Richartz-Museums.

Haus und Museum der jüdischen Kultur

Erst die Anregungen für ein jüdisches Museum brachten diesen Platz und seine Bebauung wieder verstärkt ins Spiel. Denn alle Bemühungen um ein solches Museum waren aus der historischen Sichtweise heraus wieder an diesen Ort geknüpft. Die „Gesellschaft zur Förderung eines Hauses und Museums der jüdischen Kultur in Nordrhein-Westfalen e.V.“ erläuterte 1997 die vielfältigen Bezüge des Standortes zur jüdischen Geschichte in Köln. Hier befand sich das Zentrum des jüdischen Lebens: Die zahlreichen, größtenteils unterirdischen, Überreste von jüdischen Wohnhäusern, Hospital, Synagoge und vor allem die vom Platz aus sichtbare Mikwe – ein jüdisches Ritualbad – waren fraglos überzeugende Argumente für ein jüdisches Museum an diesem Ort. Zudem integrierte sich das Konzept in die geplante „via culturalis“ und gab damit noch das Zeitfenster der Regionale 2010 vor.

Im Jahr 2000 beschloss der Rat der Stadt daher ein Expertenhearing zum Standort und im Jahr 2002 gab es ein Symposium zu den Zielen und Inhalten eines solchen Museums. Doch bis heute blieb die konkrete Frage zum Standort trotz aller Argumente und Entscheidungen letztlich ungeklärt.

In der Zwischenzeit arbeitete der Verein an einer konkreten Lösung. Neben der Organisation und der gesamten Finanzierung dieses Projektes wurde auch die architektonische Planung weiter vorangetrieben. Im Jahr 2003 erhielt das Büro Schürmann von dem Verein einen Planungsauftrag. Es folgten weitere Gesprächsgruppen und Diskussionsrunden, mit dem Ziel, das Projekt als Kernstück der „via culturalis“ zu realisieren.

Handlungsbedarf

Mittlerweile sollte auch in Köln ein solcher Prozess in der Politik langsam Handlungsbedarf provozieren. Stattdessen aber wurden in den letzten Monaten erneut von allen Seiten sehr wohlwollende und dennoch unentschiedene Äußerungen laut. Man sprach in der CDU von Bürgerbeteiligung, einem 1:1 Modell des bestehenden Entwurfes auf dem Rathausplatz, alternativ von einer Infobox oder Computersimulation, um den Entwurf des Büros Schürmann zu veranschaulichen und damit zu einer Entscheidung zu kommen. Dieser Vorschlag ist inzwischen vom Tisch, ein „geeignetes Qualifizierungsverfahren mit renommierten Teilnehmern“ aber noch nicht. Die jüngste Rafinesse: Der Stadtrat sprach sich dafür aus, für die archäologische Zone und das Haus und Museum der jüdischen Kultur einen gemeinsamen Wettbewerb zu veranstalten. Natürlich soll auch dem Büro Schürmann die Möglichkeit zur Teilnahme gewährt werden. Wie aber die Kosten für die Wettbewerbe umgelegt werden, ist noch unklar. Und von den Kosten für die bisherige Planung spricht sowieso niemand.

Und nun?

Hat man in Köln einfach nur Angst, über eine Bebauung auf dem Rathausplatz zu entscheiden? Es scheint so, selbst in dem Antrag, der in der Ratssitzung am 18. Mai angenommen wurde, sprach man sich noch nicht eindeutig für eine Bebauung des Platzes aus. Von einem „gesonderten Beschluss“ ist die Rede – wenn denn alle Maßgaben umgesetzt sind. Und auch eventuelle Proteste seitens der Bürger zu einem so empfindlichen Platz im Zentrum Kölns möchte keine der Fraktionsparteien verantworten. Deshalb soll eine „breite öffentliche Debatte“ stattfinden. Und wie lang sich klare Entscheidungen in Köln damit hinauszögern lassen, wurde schon häufiger bewiesen.

Ragnhild Klußmann

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juedisches platz

Die Freifläche zwischen Spanischem Bau und Wallraf-Richartz-Museum

Foto: R.K.

juedisches portalsgasse

Blick durch die Portalsgasse auf die Rathauslaube

Foto: R.K.

juedisches schuermann

Das Modell des Büros Schürmann: links das Wallraf-Richartz-Museum, mittig das geplante jüdische Museum

Rechte: Büro Schürmann