Köln, Hohe Straße: Wasser plätschert ganz in der Nähe der stillen Gasse zwischen Weltstadthaus und Antoniterkirche – ein neues Wasserspiel? Ein bärtiger Mann drängt sich mit gesenktem Kopf in eine Mauernische. Keine Wasserspiele also, hier plätschert etwas anderes aufs Pflaster. Der Mann steht in der so genannten Pissecke am Weltstadthaus.
Ein paar Meter weiter, im Menschengedränge der Fußgängerzone, ist von dem Flair solcher Ecken nichts mehr zu spüren: die Peek & Cloppenburg Filiale beeindruckt nicht nur durch ihre Größe und Form, besonders durch die gläserne Außenwand wirkt das Gebäude sehr nobel und klar – und strahlend sauber. Durch das Glas sind die dahinter liegenden Streben aus Holz klar erkennbar. Sie erstrecken sich bis in die Kuppel des Gebäudes.
Köln Ehrenfeld, Leostraße: Ein unauffälliges viergeschossiges Haus mit weiß gekachelter Fassade steht hier im Wohngebiet zwischen Subbelrather und Venloer Straße. Es ist ein Mehrfamilienhaus aus der Gründerzeit, in einigen Fenstern hängt Selbstgebasteltes der Kinder. Von außen lässt nichts auf das ungewöhnliche Zentrum aus Holz schließen.
NRW Holzbaupreis 2006
Die beiden unterschiedlichen Gebäude sind zwei von vier gleichberechtigten Gewinnern des diesjährigen Holzbaupreises NRW: Das Weltstadthaus wurde für seine Holzlamellenschale ausgezeichnet, das Mehrfamilienhaus in Ehrenfeld für seine maßgefertigte „Holzkiste“, die sich über drei Ebenen erstreckt und gleichzeitig als Treppe, Geländer, Raumteiler, Schrank und Regal fungiert. Drei der vier Preisträger haben einen Bezug zu Köln.
Hintergrund und Preisverleihung
Am 23.03.2006 fand in Münster die Preisverleihung des Holzbaupreises NRW statt. Landesminister Eckhard Uhlenberg überreichte den Gewinnern ihre Auszeichnung. Unter 47 eingereichten Projekten hatte die sechsköpfige Fachjury unter dem Vorsitz von Prof. Peter Cheret vier Preisträger ausgewählt, außerdem vergab sie fünf Anerkennungen.
Teilnahmeberechtigt waren Architekten, Bauherren, Tragwerksplaner und Holzbaubetriebe. Sie durften ihre Bauten mit Standort in NRW vorschlagen, wenn diese zum großen Teil aus dem Werkstoff Holz sind – und vor nicht länger als fünf Jahren fertig wurden. Der Holzbaupreis NRW ist 2006 zum zweiten Mal verliehen worden und geht auf eine Initiative des Landesbetriebes Wald & Holz NRW, des Holzabsatzfonds und des Landesbeirates Holz NRW zurück. Er ist mit 5000 Euro dotiert.
Die vier Preisträger ohne Platzierung:
Holzlamellenschale des Kaufhauses Peek & Cloppenburg in Köln
Bauherr: Peek & Cloppenburg, Düsseldorf
Architekten: Renzo Piano Building Workshop, Paris
Tragwerksplaner: Knippers Helbig, Stuttgart
Holzbau: Hess Wohnwerk, Kleinheubach
neo_leo – Umbau eines Mehrfamilienhauses in Köln
Bauherren: Marlies und Michael Schmitz-Kneuper, Köln
Architekten: lüderwaldt verhoff architekten, Köln
Tragwerksplaner: Naumann & Partner Ingenieurgesellschaft, Köln
Holzbau: Zimmerei-Holzbau Stephane Erulin, Köln in Zusammenarbeit mit Konstruktionsbüro für Holzbau, Stephan Tewes, Much
Haus am See in der Nordeifel
Bauherren, Architekten: mvmarchitekt + starkearchitektur
Michael Viktor Müller, Köln und Sonja Starke, Heimbach
Tragwerksplaner: Planungsbüro Meiger, Köln
Holzbau: Adams Holzbau-Fertigbau, Niederzissen
Informations- und Besucherzentrum Tiergarten Schloss Raesfeld
Bauherr: Trägerverein Tiergarten Schloss Raesfeld, Raesfeld
Architekten: Farwick + Grote, Ahaus
Tragwerksplaner: Prof. Dr.-Ing. L. Strathmann, Telgte
Holzbau: Martin Kamperschroer, Borken
Kurzbeschreibung der Projekte Haus am See und neo_leo
Haus am See: Wochenendhaus in der Eifel
Das Haus am See liegt im Nationalpark Nordeifel direkt am Ufer des Staubeckens Heimbach. Die Vorderseite des Hauses zeigt zum Wasser, auf der Rückseite befinden sich ein steiler Hang und anschließend die Laubwälder des Nationalparks. Für das Grundstück gilt ein Bebauungsplan der 70er Jahre, der für den Uferbereich ein Wochenendhausgebiet vorsieht. Der Bebauungsplan verbietet Holz, Eternit und Kunststoffverkleidung und schreibt Eingeschossigkeit, Satteldach und helle Fassaden vor.
Das Architektenpaar Michael Viktor Müller und Sonja Starke wählte für die Außenfassade silbermetallic lackierte Aluminiumschindeln, die alle Konstruktionen plus Dach fugenlos wie eine Schuppenhaut umschließen. Das Erdgeschoss wird durch eine Funktionsschiene mit Küche, Abstellraum und Treppe in zwei gleich große Räume geteilt: den Seeblickraum und den Eichenwaldraum.
Das Architektenteam begreift den Baukörper als Gesamtvolumen, den es mit einem Verbindungsraum, mit einer Röhre, durchbricht. Diese Röhre lässt sich mit Faltschiebeelementen öffnen, so dass dann quasi ein Außenraum im Hausinneren entsteht, der die See- mit der Waldseite verbindet. Die Röhre ist komplett mit Parkett ausgekleidet. Das Parkett kontrastiert mit der schuppenartigen Außenhülle aus Aluminium. Die Wohnfläche insgesamt beträgt 136,50 qm. Im Untergeschoss gibt es einen Arbeits- und einen Abstellraum, im Obergeschoss das Bad sowie ein Schlaf- und ein Gästezimmer.
neo_leo: Umbau eines Mehrfamilienhauses in Ehrenfeld
Aus zwei übereinander liegenden Wohnungen und dem Dachgeschoss wurde eine dreigeschossige Maisonettewohnung. Dafür wurden alle Ebenen komplett entkernt und saniert, die Dachkonstruktion durch einen gaubenähnlichen Ausbau ergänzt. Das neue Dach und die Gaubenkonstruktion wurden als Sparrendach in konventioneller Holzbauweise errichtet.
Ein Kran setzte den neuen Treppenkern aus Holz durch das ausgebaute Dachgeschoss in die Wohnung. Dieser Treppenkern ist eine präzise maßgefertigte Konstruktion aus großflächigen Holztafeln, die komplett in der Werkstatt vorgefertigt wurde. Die Konstruktion dient nicht nur als Treppe, sondern auch als Geländer, Raumteiler, Schrank und Regal. Außerdem gliedert sie die Wohnung, als „orangerot leuchtende Skulptur“ (Architekt Dirk Lüderwaldt). Die Holztafeln wurden über Eck verzahnt und verschraubt und in einem gleichmäßigen Raster gelocht. Die Löcher dienen als Grifflöcher, die ein Geländer überflüssig machen. Blickkontakte sind über die Geschosse hinweg möglich. Alle Ebenen bilden durch verschiedene farbig angestrichene Wände ein Gesamtgefüge, das homogen erscheint. Der Hohlraum im Treppenauge ist farbig lasiert und verbindet mit einem warmen Rot alle Nutzungsebenen, wenn er von oben (Dachoberlicht) und unten (Einbauleuchten) angestrahlt wird.
Sehr verschiedene Projekte also, die mit dem Holzbaupreis ausgezeichnet wurden. Hat der Holzbau in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren aber tatsächlich so sehr an Popularität gewonnen, wie die Initiatoren behaupten?
Wir sind jedenfalls schon auf die Preisträger des Holzbaupreises 2007 gespannt – und hoffen natürlich, dass Köln dann wieder ähnlich gut abschneidet!
Britta Weißbrod