Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Sinnvoll und machbar

Erkenntnisse aus der 2. Runde des Werkstattverfahrens „Historische Mitte“

Mercator-Stadtplan_1571
Der Mercator Stadtplan zeigt die Situation um 1571

Eine Eigenheit „historischer Chancen“ ist es, dass sie so schnell nicht wiederkehren. Deshalb sind sie mit äußerster Sorgfalt zu überdenken. Die Stadt Köln ist sich der Tragweite ihrer Planungen für die Historische Mitte anscheinend wohl bewusst, denn sie nimmt sich viel Zeit, um Machbarkeit und Möglichkeiten auszuloten. Nach der ersten Runde eines Werkstattverfahrens, die im Oktober abgeschlossen und öffentlich präsentiert wurde, gab es am 12. Dezember eine weitere Präsentation der Studien und Entwürfe. Die dreizehn Teilnehmer der ersten Runde, in der grundsätzlich untersucht werden sollet, ob eine Bebauung an der südlichen Kante des Roncalliplatzes überhaupt machbar sei, waren nun eingeladen ihre Entwürfe mit einem verschlankten Raumprogramm zu vertiefen um die Frage zu beantworten, ob die Maßnahmen auch sinnvoll seien.

Ja, es sei sinnvoll, darüber waren sich OB Jürgen Roters und Baudezernent Franz-Josef Höing nach Abschluss des Werkstattverfahrens einig und so hatte es der Dompropst formuliert, sogar dringend geboten.

Die Kirche zeigt also keine Berührungsängste, schließlich wird sie einer der Bauherren sein, da das Kurienhaus nach seinem Abriss durch einen Neubau ersetzt werden muss. Die vollständige Freistellung des Domes wie Schinkel und Stübben sie gerne gesehen hätten, ist demzufolge immer mehr ein gestalterisches, denn ein sakrales Thema gewesen.

Ein Sieger wurde nach dem Abschluss des Werkstattverfahrens nicht gekürt, wohl aber zeigt die Stadt eine gewisse Sympathie für das Offenhalten der Südkante des Roncalliplatzes. Wahrscheinlich fand die Pressevorstellung auch nicht zufällig vor den Plänen von Caruso St. John statt. Bis zum Sommer möchte Höing einen Realisierungswettbewerb ausloben, dessen Grundlage die 10 aus dem Werkstattverfahren entwickelten Leitlinien, die der Juryvorsitzende Peter Zlonicky vorgestellt hat, bilden sollen. Die Neubebauung soll als Ergänzung verstanden werden, sie soll den Museen sowie dem Kurienhaus eine eigene Identität/Adresse geben, soll die Wegeverbindung zwischen Roncalli-Platz und Kurt-Hackenberg-Platz betonen und die in ihrer Verlängerung liegende Fuge zwischen RGM und Neubau gestalten sowie die Beziehung zum Rhein /untere Römerstraße deutlich machen. Sie soll die Ecke der Domplatte besetzen und im Zusammenspiel mit dem Entwurf von Günther Vogt (Zürich) die Qualität des Kurt-Hackenberg-Platzes erheblich verbessern. Die Straße am Hof soll schmal bleiben und auf einen weiten Platz führen, die Höhenentwicklung der Gebäude muss er umliegenden Bebauung und der Topografie entsprechen.

 

Die 13 Entwürfe, die am vergangenen Freitag erst der Presse und anschließend den interessierten Bürgern vorgestellt wurden, zeigen drei unterschiedliche Ansätze im Umgang mit der räumlichen Fassung des Roncaliplatzes.

 

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Zum Roncalliplatz zeigt der lange Riegel eine glatte flächige Fassade, auf der Altstaadtseite reagiert er auf die mittelalterliche Kleinteiligkeit. Grafik: Staab Architekten, Berlin

 

Schließung des Roncalliplatzes

Lederer Ragnarsdottir Oei (Stuttgart), Meck Architekten (München) und Staab Architekten (Berlin) stellten Planungen vor, die den Roncalliplatz an seinem Südende mit einem langen Gebäuderiegel abschließen, in dem alle drei Funktionen (Stadtmuseum, Erweiterung des Römisch-Germanischen Museums RGM und das Kurienhaus) untergebracht werden. Diese langen, abgetreppten oder graden Riegel rücken so recht nah an das Dom Hotel heran und bilden eine deutliche Grenze zur Kleinteiltigkeit des südlich davon zu finden mittelalterlichen Stadtgrundrisses. Jedoch schließt keiner der Büros den Roncalliplatz vollkommen hermetisch ab, alle drei gliedertne ihren Neubau in der Achse der Via Culturalis mit einem Durchgang.

 

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Den Auftakt bildet die de, Kurt-Hackenberg-Platz zugewandte Marktterrasse, das Kurienhaus bildet den Schlusspunkt des Neubaus und Markiert die südseite des Roncalliplatzes. Grafik: Kaspar Kraemer Architekten, Köln
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Filigrane Hülle für das Kurienhaus, räumlich und formal deulich von den Museumsbauten getrennt, dazwischen eine breite Fortführung der Via Culturalis. Grafik: Peter Kulka Architektur, Köln/Dresden

 

Teilweise Schließung des Roncalliplatzes

Bestimmt ist es kein Zufall, dass sich gleich vier Kölner Büros entschieden haben, den Roncalliplatz nicht vollständig zu schließen. Peter Böhm Architekten, Kaspar Kraemer Architekten, Peter Kulka Architektur und Schaller Theodor Architekten, wollte die Südkante der Domplatte als Markierung erhalten, strebten aber eine größere Durchlässigkeit der Bebauung an, in dem sie einen kleineren Solitär für das Kurienhaus von einem längeren Riegel in der Achse des RGM absetzten und die Achse Via Culturalis / Südquerhaus in straßenbreite offen halten.

 

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Das große Volumen des einzelnen Baukörpers lassen Christian Kerez unter der Erde verschwinten. Grafik: Christian Kerez, Zürich

Offene Südseite

Sechs Büros (Allmann Sattler Wappner Architekten (München), Caruso St John Architects (London), Christian Kerez Architekten (Zürich) Carmody Grake Architects (London), sowie Schilling Architekten und Van den Valentyn Architektur (beide Köln), bleiben mit ihremneuen Baukörper in der Achse des Römisch Germanischen Museums, so dass der Roncalliplatz mindestens zu zwei Dritteln offen bleibt. Natürlich ist die Bebauung auf diese Weise höher, die Baumasse lässt sich aber, nimmt man die Traufkanten von Dom Hotel und Hotel Mondial als Richtlinien harmonisch in den Bestand einfügen, wenn sie dem Gefälle der Topografie folgt.

 

Trotz aller Gemeinsamkeiten, gab es einige sehr schöne Details zu sehen. Geschickt ist die Anordnung der Baukörper bei Carmody Grake, die alle Eingänge in den Neubau, sowie einen Zugang für das RGM in den schmalen Zwischenraum gelegt haben, de gleichzeitig auch eine sehr schön inszenierte Fußgängerverbindung zwischen Domplatte und Kurt-Hackenberg-Platz darstellt.

Peter Kulka erregte Aufsehen mit einer gotisch-arabesken Fassade, mit der er sein Kurienhaus-Solitär umhüllte. Städtebaulich wollte Kulka „einfach werden“, was ihm auch durchaus gelingt, da kann man sich gewisse Kapriolen in der Gestaltung vielleicht erlauben. Auch wenn das Werkstattverfahren noch im städtebaulichen Maßstab arbeitet, suchten viele Teilnehmer eine gewisse Legitimation für ihre Neubauten, in dem sie die Erdgeschosse mit Arkaden öffneten, wie sie am Dom Hotel und beim RGM zu finden sind.

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Die Sanierung des RGM wird an die 20 Milionen Euro kosten, Allmann Sattler Wappner würden lieber in den Neubau investieren. So werden Platz und Museunskomplex größer. Grafik: Allmann Sattler Wappner, München

 

Zum Erstaunen vieler, die das Werkstattverfahren schon in der ersten Runde mit verfolgt haben, sind Allmann Sattler Wappner bei ihrer Idee geblieben, das in ihren Augen nicht mehr zeitgemäße RGM abzureißen. Im Plan mag dies durchaus sinnvoll erscheinen, denn der 1974 auf dem Dombunker errichtete Bau von Heinz Röcke und Klaus Renner (Braunschweig) scheint dort städtebaulich etwas erratisch platziert, auch wenn er durch den Fundort des Dionysosmosaiks durchaus begrüdbar ist. Allerdings gliedert der flache aufgeständerte Bau den Roncalliplatz auf eine äußerst harmonische Weise, wie sich vor Ort leicht feststellen lässt. Ohne das RGM würde das Museum Ludwig in die erste Reihe am Roncalliplatz aufrücken und erhielte dadurch eine deutlich größere Präsenz. Allmann Sattler Wappner, die nun ein erheblich umfangreicheres Raumprogramm unterbringen müssen, zeigten so eine vergleichsweise tiefe Baumasse, und einen Campus, der von vier großen Volumen gebildet wird.

 

Kaspar Kraemers drei Solitäre stehen im orthogonalen Raster des Domes sowie der RGM, die Eingänge liegen dezentral, wodurch die auf den Kurt-Hackenberg-Platz ausgerichtete Marktplatzebene eine besondere Betonung erfährt. Von dieser um ein Geschoss angehobenen Terrasse, die durchaus Aufenthaltsqualität verspricht, werden die Museen erschlossen.

 

Vielfach sind in Köln wichtige Entscheidungen übereilt gefällt und bald bereut worden, doch hier nimmt sich die Stadt die Zeit, Sinn und Möglichkeiten ausführlich durchspielen zu lassen. Nun gibt sich auch der Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich zu äußern, bis der Wettwerb schließlich ein realisierbares Ergebnis liefern wird.

 

Uta Winterhager

 

 

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