Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

plan04: „Unbestelltes Land“ – Kunstprofile

Installationen auf der Mülheimer Industriebrache ‚Alter Güterbahnhof Mülheim‘ bis 10.10.2004

„Gottverlassen“ – dieses treffende Wort für die Fläche des früheren Güterbahnhofs in Mülheim stammt von dem Informationsblatt zu John Bergs Installation „Die Heilige der Von-Sparr-Straße“. Sein Kapellenbildstock nutzt ein Trafohäuschen als Gehäuse für eine schwarze Marienfigur und das in einer muslimisch dominierten Umgebung. Berg schuf damit einen ironisch gebrochenen Kommentar zum Standort, einen Anstoß zur Besinnung zwischen Mülltonnen und Straßenbahnhaltestelle.

Gottes Segen scheint dieser Teil Mülheims schon lange zu vermissen. In den 1970er Jahren setzte mit Massenentlassungen im Walzwerk Böcking und bei Felten & Guilleaume die Desindustrialisierung des Stadtteils ein. 1984 wurde Mülheim Nord zum Sanierungsgebiet erklärt und im darauffolgenden Jahr der Güterbahnhof Mülheim stillgelegt. Seither liegt das rund 15 Hektar große Gelände brach. Nur einige spärliche Reste von Gleiskörpern erinnern noch an die frühere Nutzung.

Es ist ein unwirtliches Gelände, das wie eine Barriere zwischen Wohnhäusern der Markgrafenstraße und den Medienunternehmen liegt, die sich seit den 1990er Jahren an der Schanzestraße angesiedelt haben. E-Werk, Viva, Palladium, Brainpool und Bonito TV sowie diverse IT-Firmen sind Zeichen des Strukturwandels. Doch, was tun mit der Brache, die das Viertel zerschneidet? Obwohl Vorschläge von Mülheimer Initiativen vorliegen, die schon 1997 in einen Bebauungsplan mündeten, und trotz eines 2002 realisierten Architektenwettbewerbs für diese Fläche, ist der Zustand bis zum heutigen Tag unverändert.

Die Mülheimer Kulturwochen unter dem Titel „Unbestelltes Land“ bündeln verschiedene Initiativen und Ansätze, die sich mit dem Wandel des Stadtteils beschäftigen. Sie wurden gleichzeitig mit der plan04 eröffnet und dauern noch bis 3. November. Von Stadtführungen über Theater, Ausstellungen und Workshops – z.B. des BDA – bis hin zu Diskussionsveranstaltungen verbindet das Projekt Bildende Kunst, Kultur und Geschichte und versucht den Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Zukunft, Wohnen und Arbeiten.

Noch bis zum 10. Oktober ist auf der Brache die Ausstellung „Kunstprofile“ mit Installationen verschiedener Künstler zu sehen. Da ist zum Beispiel der weithin sichtbare Dinosaurier von Odo Rumpf. Die Figur aus rostigem Stahl erinnert an eine längst untergegangene Epoche. Der Künstler sieht darin eine Gemeinsamkeit mit der Großindustrie des Viertels. Sein Schienenwagen nimmt ebenfalls Bezug auf den Standort, denn der Wagen ruht und erscheint so fast wie ein vergessenes Relikt der Bahnhofsvergangenheit.

Einen anderen Weg geht Joachim Röderer mit seinem „Trojanischen Fisch“. Das ebenfalls stählerne Objekt trägt als bewegliche Installation zur Wiederbelebung der Brache bei. Es ist zugleich aber auch ein Fisch auf dem Trockenen, der vergeblich nach Luft schnappt, wie der sich öffnende und schließende Kiefer belegt. Röderer bringt außerdem Grundbausteine des Lebens auf das verlassene Gelände, indem er einige als Chromosomen bezeichnete Objekte dort plaziert.

Die Künstlerin Christine Santema pflegt einen spielerischen Umgang mit der Umgebung. Sie kombiniert Fundstücke aus Metall und Blech zu neuen, skurrilen Phantasiegestalten wie dem „Windmacher“. Die Metamorphose ist Santemas eigentliches Thema. Das harte und spröde Material verarbeitet sie zu filigranen und fröhlichen Objekten und verwandelt damit die Ödnis der Brache in einen Ort der Phantasie und Lebensfreude.

Petra Metzger

Kunstprofile F&G

Bestelltes Land und

Kunstprofile unbestelltes Land

…unbestelltes Land. Foto: designCooperation.

Kunstprofile4

John Berg: Die Heilige der Von-Sparr-Straße

Kunstprofile6

Schienenwagen von Odo Rumpf

Kunstprofile7

Joachim Röderer: Trojanischer Fisch

Kunstprofile8

Christine Santema: Windmacher