Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Unauffälligkeit gewinnt

Der Wettbewerb ‚Rheinboulevard‘ zur Neugestaltung des rechten Rheinufers ist entschieden.

„Auf den ersten Blick sieht man in diesem Plan sehr wenig Neues“, fasst Jurymitglied Benedikt Stahl den Siegerentwurf zum Rheinboulevard zusammen. Und richtig, die eigentlichen Veränderungen zum bisherigen Zustand des rechten Rheinufers sind nur schwer zu entdecken: Der hässliche Parkplatz am Kloster Alt St. Heribert wird in eine Grünfläche umgewandelt, um das Lufthansa-Hochhaus wird die Außenebene sanft an das Erdgeschoss herangeführt und Baumreihen werden vervollständigt.

Freitreppe und Sportplatz

Hervorstechendstes Merkmal des Siegerentwurfes vom Berliner Landschaftsarchitekturbüro Planorama ist wohl die 500 Meter lange Freitreppe, die zwischen Hohenzollernbrücke und Deutzer Brücke zum Ufer hinunterführt. Oberbürgermeister Fritz Schramma vergleicht sie mit einem Theater, „auf der anderen Rheinseite ist die Szene, da passiert etwas“ – und das kann man sich dann vom rechten Rheinufer aus ansehen. Genauso ist die markante Treppe jedoch auch vom Rheingarten aus zu sehen und soll die „Zuschauer“ auf die „Schäl Sick“ locken. Attraktiv sind in dieser Gestaltung sicher auch die Balkone oberhalb der Freitreppe, die die Promenade an besonderen Punkten aufweiten und so den Passanten dazu anregen, stehen zu bleiben und den Ausblick zu genießen. Als Alleinstellungsmerkmal des Siegerentwurfes sticht – zumindest im Plan deutlich zu erkennen – die Sportfeldmarkierung der Deutzer Werft hervor. Das Areal zwischen Deutzer Brücke und Severinsbrücke soll künftig nicht nur als Festwiese genutzt werden, sondern den Deutzern als attraktiver Naherholungsraum dienen, mit Schotterwiese und mobilen Sportelementen. Diese Anforderung hatte sich im Rahmen der Bürgerbeteiligung zu diesem Wettbewerb herauskristallisiert: Die Deutzer sehen die Deutzer Werft als ihren „privaten“ Raum, das Gebiet nördlich der Deutzer Brücke wird als öffentlicher Raum angesehen, der aber einen attraktiven Weg zum Rheinpark bieten soll.

Kein großer Wurf

Auch wenn der erste Preisträger in der Umsetzung dieser Anforderungen alles richtig gemacht hat, sind doch einige entscheidende Punkte nicht gelöst: Nur von der Hohenzollernbrücke wurde ein attraktiverer Abgang zum Rheinufer geschaffen, von den Brückenköpfen der Deutzer Brücke und der Severinsbrücke kommen Fußgänger und Radfahrer nach wie vor nur schwer zur Rheinpromenade. Und das Lufthansa-Hochhaus blieb weitestgehend unangetastet, steht in seiner gesamten Hässlichkeit da, auch wenn Fritz Schramma prophezeit, dass dies so nicht bleiben wird. Überhaupt wird bei der Präsentation des Siegerentwurfes häufig davon gesprochen, noch zu modifizieren und daran weiterzuarbeiten, wenn man es auch nicht „so stutzen darf, dass von der Idee nichts mehr übrig bleibt.“ Nur bleibt fraglich, was eigentlich die Idee ist. Insgesamt ist der Entwurf doch eine eher brave Umsetzung der Vorgaben aus der Bestandsanalyse des Arbeitskreises Rheinboulevard, sicherlich hinterher angenehm zu erleben, aber – der große Wurf ist das nicht.

Große Geste – zweiter Platz

Mit einer großen Geste arbeitet schon eher der Zweitplatzierte, relais Landschaftsarchitekten, ebenfalls aus Berlin. In einer klaren und sehr markanten Linie überspielt die Form der neuen Promenade die Uferkante. In diesem innovativen Festival der Formen weist auch die Deutzer Werft eine Besonderheit auf: Unterschiedliche Höhen geben der Brachfläche eine neue Struktur und schaffen intimere Aufenthaltsbereiche, wobei darauf geachtet wurde, dass der Platz weiterhin als Festwiese genutzt werden kann. Nicht überraschend weist auch dieser Entwurf eine Freitreppe zum Wasser auf, an gleicher Stelle platziert, jedoch nicht so lang und aus Holz. Die Wahl dieses, zwar einladenden aber doch empfindlichen, Materials hielt die Jury für falsch. Und doch zeigte sich das Preisgericht sehr bewegt von diesem frischen und jungen Entwurf, bezweifelt aber die Umsetzbarkeit großer Teile – dienen soll er als Ideenpool für den weiteren Prozess der kommenden Jahre.

Feine Nuancierung – dritter Platz

Schöne Ideen prägen auch den drittplatzierten Entwurf des Kölner Landschaftsarchitekturbüros club L94. Besonders die Landschaftsarchitekten in der Jury lobten die feine Nuancierung der sehr ruhigen Gestaltung. Eine Baumpromenade mit drei unterschiedlichen Baumarten zieht sich entlang des Rheinufers, das sich in die drei Bereiche Festwiese, Ufercampus und Messegarten teilt. Gerade Schienen verbinden die Promenade mit dem angrenzenden Stadtgebiet. Zentrales Element dieses Entwurfes ist keine Freitreppe, sondern ein Ponton-Badeschiff zwischen Hohenzollernbrücke und Deutzer Brücke. Schifffahrtsrechtlich sind Einbauten in den Rhein und eine Änderung der Uferkante jedoch nicht möglich – und somit kann diese Planung, trotz interessanter Ideen, nicht realisiert werden.

Innovation vs. Konvention

„Innovative Ideen sind nicht immer gute Ideen“, stellte Benedikt Stahl schon vor der Präsentation der drei Siegerentwürfe fest. Wichtig war dem Preisgericht, dass der Entwurf nicht nur einfach modern ist, sondern für eine lange Zeit Bestand hat. Bis zur Regionale 2010 soll der Bereich zwischen Hohenzollernbrücke und Deutzer Brücke, also die markante Freitreppe, als Impulsprojekt fertig gestellt sein. 6,5 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung, der gesamte Rheinboulevard wird etwa 16 Millionen Euro kosten. Das Jahr 2008 ist für die Planungsphase vorgesehen, die der Arbeitskreis Rheinboulevard weiter begleiten wird. Auch die bisher praktizierte Bürgerbeteiligung soll weiter fortgesetzt werden. Diese Form des Wettbewerbs, mit umfassender Vorbereitung durch den Arbeitskreis und mit Beteiligung der Anwohner schien bislang vorbildlich. Bei der Betrachtung des Ergebnisses stellt sich jedoch die Frage, ob sich die Jury bei der intensiven Beschäftigung mit dem Plangebiet nicht schon zu sehr auf eine bestimmte Gestaltung festgelegt hat und wenig offen für neue Ideen war. Die gewünschte Freitreppe jedenfalls wird jetzt kommen – und Benedikt Stahl ist sich sicher, dass „auch Düsseldorfer kommen, um sich da hin zu setzen.“ Die haben zwar schon eine eigene Treppe am Rheinufer, die von Beginn an als Vorbild diente, aber eines ist sicher: Die Kölner Treppe wird definitiv den besseren Ausblick haben.

Vera Lisakowski

Im Rahmen der „plan07“ vom 21. bis 28. September werden alle eingereichten Wettbewerbsbeiträge im Lufthansa Hochhaus ausgestellt. Am 28. September, 18.00 Uhr findet dort auch die nächste öffentliche Diskussionsveranstaltung zum Projekt statt. Thema: Das Ergebnis des Wettbewerbs liegt vor – wie macht Köln weiter?

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Rheinboulevard Köln

Website zum Wettbewerb

rheinboulevard planorama 1

Der erstplatzierte Entwurf des Berliner Landschaftsarchitekturbüros Planorama: Im Süden die Sportfelder der Deutzer Werft, nördlich davon die lange Freitreppe mit den Balkonen.

Rechte: Planorama

rheinboulevard planorama 2

Die lange Freitreppe mit den Balkonen des erstplatzierten Entwurfes.

Rechte: Planorama

Blick auf Freitreppe und Hohenzollernbrücke

Rechte: Planorama

rheinboulevard planorama 4

Der Bereich zwischen Hohenzollernbrücke und Deutzer Brücke im Detail.

Rechte: Planorama

rheinboulevard relais 1

Der zweitplatzierte Entwurf von relais Landschaftsarchitekten.

Rechte: relais

rheinboulevard relais 2

Der zweitplatzierte Entwurf, im Vordergrund die neu strukturierte Deutzer Werft.

Rechte: relais

rheinboulevard relais 3

Die Freitreppe aus Holz.

Rechte: relais

rheinboulevard clubL94 1

Der ruhige drittplatzierte Entwurf von club L94 LandschaftsArchitekten.

Rechte: club L94

rheinboulevard clubL94 2

Das nicht realisierbare Ponton-Badeschiff.

Rechte: club L94

2 Kommentare

Köln sollte den gewählten Ansatz der strategischen und ganzheitlichen Stadt- und Landschaftsplanung beibehalten und bei anderen städtebaulichen Projekten anwenden. Ich finde den Entwurf gelungen. Endlich hat man mal den Blick für den großen Zusammenhang und nicht nur Insellösungen.

Eine vergleichbare Freitreppe war seinerzeit elementarer Bestandteil der
Planung des Kölner Architekten Clemens Klotz zum Gauforum Köln. Clemens Klotz wurde kurz vor Kriegsende von Adolf Hitler auf die „Gottbegnadetenliste“
gesetzt, nicht unbedingt eine Empfehlung, ihm 70 Jahre nach Beginn des Krieges ein solches Denkmal zu setzen. Dass für diese Entgleisung auch noch der gesamte
Adolf Abel-Park nördlich der Deutzer
Brücke gerodet werden soll, ist eine Schande. Ich hätte nicht geglaubt, dass
dieses Projekt in unveränderter Form tatsächlich realisiert wird. Den Blick für den großen Zusammenhang hatte man schon mal, in den dreißiger Jahren.
Der stadtbildprägende Baumbestand des
Adolf Abel-Parks ließe sich erhalten und dem Projekt ließe sich die Nähe zur
NS- Architektur nehmen. Die Verantwortlichen müssten es wollen.

Harald von der Stein