Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Heimaturlaub: Archäologische Vitrine Aachen

5.000 Jahre Stadtgeschichte en passant

Die Aachener haben es schon geschafft: die kostbaren Zeugnisse ihrer langen Stadtgeschichte wurden in attraktiver Form in den öffentlichen Raum integriert und publikumswirksam inszeniert. Was in Köln schon seit langem ein neuralgischer Aufreger ist (mehr dazu an anderer Stelle), trägt in Aachen seit dem vergangenen Sommer in erheblichen Maß dazu bei, dass der immer ein wenig vergessen wirkende Park hinter dem Elisenbrunnen zu einem außergewöhnlichen innerstädtischen Freiraum geworden ist.

pavillon elisengarten  - kadawittfeld architekten
Und alles fügt sich harmonisch: Die angemessene Maßstäblichkeit und die zurückhaltende Erscheinung lassen den Pavillon zu einem Stadtmöbel werden, das seinen Platz im Park gefunden hat.
Foto: Jens Kirchner

 

Seit seiner Neugestaltung 2009 durch Lützow 7 (Berlin) wendet sich der Elisengarten deutlicher dem historischen Stadtzentrum am Münsterplatz zu und erscheint als ein modernes urbanes Gartenensemble, in dem sich aber auch Spuren der ursprünglichen Planung von Peter Joseph Lenné, aber auch späterer Modifikationen von 1910 und aus den 50er Jahren in Form von Pflaninseln und Wasserspielen finden. Herzstück des heutigen Elisengartens ist eine großzügige Rasentreppe, die auf informelle Weise sehr einladend wirkt.

Schichten horizontal

Während der Bauarbeiten wurden umfangreiche archäologische Funde gemacht, die in bis zu fünf Schichten von der Jungsteinzeit (4700 v.Chr.) bis zum Hoch- und Spätmittelalter (ca. 910 – 1500 n.Chr.) über einander liegen. Um einen auf etwa 60 qm begrenzten Teil der Ausgrabungen zu sichern und als eines von fünf im Stadtgebiet verteilten „Archäologischen Fenstern“ der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, suchte die Stadt Aachen mit einer Mehrfachbeauftragung nach einer geeigneten Gestaltung. Überzeugen konnte das Aachener Büro kadawittfeldarchitektur mit einem sehr transparenten Pavillon, der das Thema der Schichtung in die Vertikale überträgt. Die ellipsoide Form ihres Baukörpers fügt sich harmonisch in die Formsprache des Elisengartens ein und sitzt – fast wirkt es ein wenig frech – mit einer ihrer Schmalseiten auf der Hauptdurchwegung. Es führt also kein Weg an der Archäologischen Vitrine vorbei, wohl aber auf direktem, kurzen Weg hindurch, so dass der kleine Rundgang um die Ausgabungen ein freiwilliger Schlenker bleibt.

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Die ellipsoide Form der Archäologischen Vitrine fügt sich harmonsich in die Gartengestaltung von Lützow 7 (Berlin) ein.
Grafik: kadawittfeldarchitektur

 

Schichten vertikal

Die äußere Hülle des Pavillons besteht aus zwei diagonal überlagern Schichten filigraner Flachstahllamellen, die und eine Art großmaschiges Netz entstehen lassen. Im Inneren umschließt eine bis zur Decke reichende gläserne Vitrine die frei gelegten steinernen Relikte. Sie ermöglicht unterschiedliche Blickwinkel auf die Ausgrabungsstelle, reguliert die natürliche Belüftung und schützt die Ausgrabungen gegen Vandalismus. Gleichzeitig dient sie als Informationsträger: eine umlaufende Zeitleiste, ein Lageplan sowie kompakte, übersichtliche Illustrationen zu den gefundenen Strukturen und Artefakten (aufgedruckt auf eine leicht durchscheinende Folie) informieren den Besucher, ohne den Blick auf die Fundstelle mehr als notwendig zu verdecken. Die Maschenweite und Dimensionierung der Edelstahlprofile gewährt ein großes Maß an Transparenz und Durchlässigkeit und bietet spannungsreiche Blickbeziehungen zwischen den archäologischen Funden, der Edelstahlstruktur und dem umgebenden Park. Kadawittfeldarchitektur ist es mit dieser neu interpretierten Pavillonarchitektur gelungen, ein wohldosiertes Maß an Aufmerksamkeit zu erzeugen, und den Fokus im richtigen Augenblick von der Hülle weg auf den Inhalt zu richten.

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In den Abend- und Nachtstunden erhellt ein Sternenhimmel aus vielen kleinen LED-Downlights den Innenraum und beleuchtet die Fundstelle. Foto: Jens Kirchner

 

Auch die Umsetzung dieses Projekts ist nicht einfach oder preiswert gewesen. Und nur dem bürgerschaftlichen Engagement eines Aachener Unternehmens ist es zu verdanken, dass sie nicht gescheitert ist. Denn als die Stadt Aachen ihren Anteil an dem größtenteils vom Land finanzierten Projekt nicht aufbringen konnte, hat die Firma mit ihrer Spende den städtischen Anteil übernommen und zusätzlich die Medienplanung finanziert. Und dies sogar ohne dass der Pavillon jetzt den Namen seines Sponsors tragen muss.

Uta Winterhager

 

Kurzreisetipps:
Der wettergeschützte Zwischenraum der >>Archäologischen Vitrine ist zu einem beliebten Ausgangspunkt für Stadtführungen geworden.
Darüberhinaus ist sie eine Station der >>„Route Charlemagne“, die auf den Spuren Karls des Großenzu den historisch bedeutenden Orten der Stadt führt.