Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Mies in Köln!

Die Ausstellung „Mies im Westen“ hat im LVR Landeshaus den richtigen Ort gefunden.

 

Sie würdigt erstmals das Wirken des gebürtigen Aacheners Mies van der Rohes in seiner Heimat NRW. Spurensuche im Westen – konzeptionell bohrt das ein dünnes Brett, und doch: Hingehen lohnt sich.

Die Schau behandelt früheste Arbeiten in Aachen, die Wohnhäuser und das Fabrikensemble in Krefeld und Planungen für hiesige, nicht verwirklichte Projekte, die Mies schon von Chicago aus über den Teich schickte. Und sie thematisiert damit die große Bandbreite seiner Architektursysteme, die er in den USA weiterentwickeln sollte: die Stahl-Mauerwerk-Konstruktionen an Haus Lange und Haus Esters, der verkleidete Stahlskelettbau der Verseidag und das Zusammenspiel von Wandscheiben und Kreuzstützen wie in den Plänen für Haus Ulrich Lange und dem Krefelder Golfclub.

 

Sieht aus wie die Lake Shore Drive Appartments in die Waagerechte gelegt: das LVR Landeshaus von 1959. Die beiden Wohnblöcke in Chicago waren Mies erste Hochhäuser; er baute sie 1951, als er 65 Jahre alt war. © Uwe Weiser, LVR

 

Kölner Funktionalismus in Blau-Gold

Und es geht in der Ausstellung auch darum, wie diese Systeme von anderen Architekten aufgenommen und weiterentwickelt wurden. Folglich ist das LVR Landeshaus nicht nur der Ort der Ausstellung, sondern findet sich in ihr auch als Exponat wieder. Die Kölner Auswahl an Stätten der Internationalen Moderne ist mehr als bescheiden. Das Landeshaus errichteten die jungen Düsseldorfer Architekten Eckhard Schulze-Fielitz und Ernst von Rudloff. Es ist der einzige Ort in Köln, wo van der Rohes Erbe wirklich spürbar wird. Und das war so gar nicht nach dem Geschmack der Kölner, so dass das Gebäude ohne Nachfolge bleib. Das Haus eröffnete 1959 und feiert dieses Jahr sein 60jähriges Jubiläum.

Rote Kunststoffrohre wachsen aus der strengen Rasterfassade des LVR Landeshauses. Die Sprache der Architektur soll in ihnen nach draußen fließen. © Uwe Weiser, LVR

 

Ulrich Schmidt von Altenstadt war Gründungspartner bei Schulze-Fielitz und von Rudloff, als sie den 2. Preis im Wettbewerb für das Landeshaus gewannen und dann den Auftrag erhielten. Er saß bei der Ausstellungseröffnung im Publikum und erinnerte sich schmunzelnd an das Kölner Unbehagen mit dem funktionalistische Gebäude: „Uns wurde dann ernsthaft nahe gelegt, die Brüstungen und Rahmen in Blau-Gold zu fassen.“ Suaviter in modo, fortiter in re ist seither sein Motto – sanft im Umgang, aber hart in der Sache.

 

Immer noch Mitglied im BDA, dabei schon lange amerikanischer Staatsbürger: Dirk Lohan spricht zur Ausstellungseröffnung. © Uwe Weiser, LVR

 

Mies als Mensch

Auch Dirk Lohan, der Enkel Mies van der Rohes, der in den USA im Büro mit ihm zusammenarbeitete, bestätigte die spürbare Nähe des LVR Sitzes zu den Entwürfen seines Großvaters: „Ich fühle mich zu Hause in diesem Gebäude, obwohl ich nie hier war.“ Nach seinen Schuljahren in Salem wandte er sich der Architektur zu, „was vielleicht ein bisschen in der Familie lag.“

Lohan zeichnete in seinem sehr persönlichen Vortrag das menschliche Bild seines Großvaters, der als Rheinländer sehr gut Leute für sich gewinnen und Witze erzählen konnte, „aber nur auf Deutsch, nicht auf Englisch.“ Er lehrte am Armour Institute in Chicago, ohne richtig Englisch zu sprechen. Didaktisch war er sehr gradlinig: Entwürfe kommentierte er grundsätzlich nicht, sondern ging einfach wortlos weiter. Wenn ihm etwas nicht gefiel, dann sagte er schlicht „you have to work a little harder.“

Ausstellungseröffnung „Mies im Westen“ Landeshaus Köln-Deutz © Uwe Weiser, LVR

 

Mies, ein Bauhausarchitekt?

„Mies war nie ein richtiger Bauhäusler. Er interessierte sich nur für die Architektur.“ Diese Einschätzung Dirk Lohans bestätigt auch ein weiteres Familienmitglied, Mies‘ Tochter Georgia van der Rohe. Sie sagte in einem Interview 2009: „Er wollte übrigens unter keinen Umständen Bauhausarchitekt genannt werden, wie viele das hier in Deutschland immer noch tun. Ich bemühe mich pausenlos, das den Leuten beizubringen. Er ist kein Bauhausarchitekt. Das hat er gar nicht nötig.“ Immerhin aber war er Bauhausdirektor, der letzte in der Reihe, und das ist auch der eigentliche  Anlass für die Schau: „Mies im Westen“ ist Teil des Bauhaus-Jubiläums in NRW.

 

Passender Rahmen für Exponate zum Schaffen eines Funktionalisten: Das LVR Landeshaus von 1959 © koelnarchitektur.de

 

Studierende Kustoden

Die Schau ist aus einer Kooperation von drei Hochschulen hervorgegangen. Studierende der Mastervertiefung „Denkmalpflege und Planen im Bestand“ der TH Köln, der TH Mittelhessen und der Alanus Hochschule haben zusammen mit dem Museum für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW (M:AI NRW) und ihren Professoren Dr. Daniel Lohmann und Norbert Hanenberg jahrelang zu Mies geforscht und präsentieren hier die Ergebnisse. In Köln sind drei Teilausstellungen, die schon in Aachen, Krefeld und Essen gastierten, zu einer zusammengeführt.

 

„Reduktion“ – Stahlobjekt entworfen von Anna Schulz, Yvonne Rose, Martyna Sledz und Anna Pongratz anlässlich der Ausstellung „Mies im Westen“ @ koelnarchitektur.de

 

Das Bauhaus-Jahr geht langsam zu Ende. Wer wirklich eingestiegen ist in das Thema, konnte leicht auch genervt sein: Jeder Wandteppich und jeder Kaffeebecher, die sich irgendwie in einen Bauhaus-Zusammenhang zwingen ließen, wurden aus den Depots geholt, und überall war plötzlich Bauhaus, wo vorher keines war. Man kann aber an dem Thema auch einfach vorbeispazieren und hat trotzdem einen guten Grund, bis zum 14. November dem LVR Landeshaus zum 60. Geburtstag einen Besuch abzustatten.   

Ira Scheibe

 

 

Mies im Westen

Landeshaus des Landschaftsverbands Rheinland, Kennedy-Ufer 2, 50679 Köln  11. Oktober – 14. November 2019, 10 bis 18 Uhr, Eintritt frei
#miesimwesten

 

Begleitprogramm

Im Rahmen der Vortragsreihe architectural tuesday der Fakultät für Architektur der TH Köln

Dienstag, 15.10.2019, 19 Uhr, Barry Bergdoll, Architekturhistoriker, Columbia University, New York

Donnerstag, 17.10.2019, 19 Uhr, Dietrich Neumann, Architekturhistoriker, Brown University, Providence

Dienstag, 5.11.2019, 19 Uhr, Wolfgang Pehnt, Architekturhistoriker, Köln

Dienstag, 12.11.2019, 19 Uhr, Daniel Wendler, Büro David Chipperfield Berlin

Alle Vorträge finden statt im
Landeshaus des LVR
Sitzungssaal Südhalle
Kennedy-Ufer 2
50679 Köln

Sehenswert ist auch das Making of auf youtube

Lesen Sie zu Mies im Westen auch: Mies, immer dienstags | Mies van der Rohe im Westen – Vortragsreihe der TH Köln


 

LVR Landeshaus ist die Nummer 45 im Architekturführer KÖLN

Auf dem nach Kriegsende fast leeren Deutzer Ufer landete 1958 die aus Amerika reimportierte Moderne. Es war eine junge Essener Architektengemeinschaft, die im Wettbewerb für den Neubau des LVR Landeshauses eine fünfgeschossige Vierflügelanlage im Duktus Mies van der Rohes entworfen hatte und damit einen von zwei 1. Plätzen belegte. Eine Bauform hatte die Auslobung nicht vorgegeben, wohl aber einen deutlichen Hinweis auf die stadtbildprägende Bedeutung des Standortes formuliert. Mit dem Typus des rechteckig umbauten Hofes stellten die Architekten Bezüge zur benachbarten Abtei St. Heribert her, verzichteten jedoch darauf, eine Schaufront auszubilden. Die parallel zum Rhein liegenden langen Gebäudeflanken sind im Erdgeschoss aufgeständert, sodass die umgebende Grünfläche unter dem Gebäude hinweg und über den Innenhof bis zur Uferpromenade hinunter gezogen werden konnte. Ähnlich ist der Eindruck der beiden kürzeren Flanken, hier jedoch ist das Erdgeschoss mit Foyer und Sitzungssälen nicht offen, sondern um ein halbes Achsmaß eingerückt und als Kolonnade ausgebildet.

Der Grundriss des Stahlbetonskelettbaus wurde aus dem
7 × 7 Meter großen Quadrat des Stützenrasters entwickelt, sodass die außen angeklungene Transparenz und Klarheit auch in der Gestaltung der Innenräume bis hin zur Möblierung konsequent fortgeführt werden konnte. Die in den Obergeschossen liegenden Büros werden über elegant abgehängte Treppen in den inneren Gebäudeecken erschlossen.

Die Vorhangfassade wird von grauen Aluminiumprofilen gegliedert, Kippfenster und Brüstungselemente aus petrolfarbenem Opakglas füllen die Flächen. Dabei ist das Petrol ein Kompromiss zwischen der ursprünglich geplanten monochromen Farbgebung in Grau und der von der Stadt gewünschten Kombination aus Silber und Lindgrün. 1987 wurde das LVR Landeshaus wegen der bis ins Detail durchgehaltenen Anwendung der Mies’schen Gestaltungsprinzipen unter Denkmalschutz gestellt – dies jedoch zunächst gegen den Willen des Landschaftsverbandes. Seit der Grundsanierung 1999 ist das Haus wieder Sitz des LVR.