Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Schutzraum

Angewandte Umbaukultur: Wohnungen für Flüchtlinge im Bunker. Wie weit kann man gehen?

Luftschutzbunker wurden gebaut, um unzerstörbar zu sein – fensterlos, massiv, monofunktional. So überdauerten sie die Jahrzehnte, viele ungenutzt, manche fanden eine neue Bestimmung als „Kulturbunker“, andere stehen mahnend und als Denkmal geschützt immer noch mitten in den Städten. Der dreigeschossige Hochbunker an der Rothenburger Straße in Kalk/Vingst fällt durch seine langgestreckte Form kaum auf in den endlosen Reihen einfacher Mietshäuser der Nachbarschaft. Er wirkt etwas plump vielleicht, doch die nachträglich eingeschnittenen Fensteröffnungen an den Längsseiten machten ihn temporär als Jugendwerkstatt nutzbar, ein weißer Anstrich mit pinken Akzenten kaschierte die krude Sichtbetonansicht. 2016 verließ die Jugendwerkstatt den Bunker und zog in die Stegerwaldsiedlung. Im selben Jahr erreichte die Zahl der Flüchtlinge in Köln mit über 13.000 einen Höchststand, dementsprechend stieg auch der Bedarf an Wohnraum und betreuten Unterkünften. Also sichtete die Stadt ihr Immobilienportfolio und entdeckte den Hochbunker.

Neue Nachbarn im alten Bunker, vielleicht ein Anstoß im Veedel noch mehr zu bewegen © Foto Christoph Seelbach

Aber kann man guten Gewissens Wohnungen für Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind, in einem Bunker planen? Diese Frage stellte sich auch Ute Piroeth, als ihr Büro gefragt wurde, ob sie das Projekt übernehmen wolle. Schließlich traute sie sich zu, die Erscheinung des massiven Gebäudes so zu verändern, dass daraus trotz des knappen Kostenrahmens, drängender Zeit und einer Vielzahl von Auflagen ein Wohnhaus, ein Zuhause, wenn auch nur auf Zeit, werden würde. Der Mut von Ute Piroeth und ihrem Projektleiter Dirk Thomas hat sich gelohnt, denn schon im Mai 2018 konnten die 14 Wohnungen sowie die Büros des Sozialen Dienstes und des Wachdienstes bezogen werden. Natürlich ist die Massivität des Bunkers nicht vollständig überschrieben worden, wohl aber wurde die einst nutzungsbedingt vollständige Abschottung aufgebrochen und damit dem Inneren das Dunkle und Schwere genommen.

Rückbau vor dem Umbau © Foto Christoph Seelbach

Wandel als Chance für alle

Der ehemalige Bunker wurde im Inneren vollständig entkernt und schadstoffsaniert. Doch das schmale Budget erlaubte es den Architekten nicht, neue Öffnungen in die bis zu 1,70 Meter starken Außenwände zu schneiden oder die vorgefundenen Maße zu verändern. Für die Gestaltung der Wohnungsgrundrisse war dies eine große Herausforderung. Die 14 auf drei Etagen autark geplanten Wohneinheiten mit Küche und Bad sind zwischen 37 und 98 Quadratmeter groß und bieten Platz für vier bis acht Personen, wobei sich das Wohnungsangebot speziell an Familien und Mütter mit Kindern richtet. Dass die Wohnungen in der ersten Etage über eine gemeinsam nutzbare Dachterrasse auch von außen erschlossen werden können, ist eine positive Nebenwirkung des zweiten Fluchtwegs und der vorgefundenen Struktur des Baukörpers.

Im Erdgeschoss liegen drei barrierefrei geplanten Wohnungen und das Büro des Wachdienstes, sowie im hinteren Bereich die Räume des Sozialen Dienstes. Denn die dort im Nachbargebäude angrenzende KiTa wollte den unmittelbarer Sichtkontakt zwischen den Bewohnern und den von ihnen betreuten Kindern vermeiden. Die an der Grundstücksgrenze gewünschte Mauer konnte Ute Piroeth in Form einer Hecke noch abschwächen.

Im ersten Untergeschoss sind neben einem Wäscheraum alle erforderlichen Technik- und Hausanschlussräume untergebracht. Die beiden weiteren Untergeschossen können als Lagerräume genutzt werden, sind jedoch nur für das Personal zugänglich.

Süd-Ost-Ansicht der Flüchtlingsunterkunft, rechts die KiTa © Foto Christoph Seelbach

Neue Ansichten

An der Kubatur des Bunkers konnten die Architekten nichts verändern, doch erlaubte das schmale Budget noch einen Anstrich des rauen Betonfassade mit einem lindgrünen Anstrich in zwei Tönen, der dem Gebäude im Zusammenspiel mit den als Sichtschutz gepflanzten Hecken auf der Dachterrasse und vor dem Laubengang im Erdgeschoss eine freundliche Erscheinung verleiht.

Während der Bauphase wurden die Architekten immer wieder mit Aussagen der Nachbarn konfrontiert, die beobachteten, wie der Bunker durch die Sanierung, schöner und moderner wurde, während ihre eigenen Wohnungen, die im Besitz einer Genossenschaft sind, schon länger vernachlässigt wurden. Natürlich kann man das als Ungerechtigkeit empfinden, „schwierig“ beschrieb auch Ute Piroeth so manche Konfrontation vor dem Einzug der Bewohner. Doch inzwischen habe sich die Situation entspannt, die Transformation des Bunkers habe der Nachbarschaft sogar noch einen positiven Impuls gegeben, so die Architektin.

Es ist ein ungewöhnliches Projekt, das gerade wegen der massiven Substanz ein unglaubliches Fingerspitzengefühl von den Architekten erforderte. Nicht nur Ute Piroeth, auch das Wohnungsamt der Stadt Köln hat hier Ungewöhnliches gewagt, über Projekte dieser Art möchten wir gerne häufiger berichten.

Uta Winterhager