Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Eine Stadtloggia für Rodenkirchen

JSWD gewinnt den Wettbewerb für das Rathaus Rodenkirchen

Für JSWD Architekten war es quasi ein Heimspiel. Nur wenige Minuten zu Fuß läuft man von ihrem Büro am Maternusplatz zum Bezirksrathaus Rodenkirchen. Vor neun Jahren wurde der Maternusplatz nach ihren Plänen neugestaltet, vor Kopf des belebten Platzes steht wie ein Schaukasten das fünfgeschossige Bürogebäude der Architekten. Die Situationen ähneln sich, denn wie dort soll nun auch der Platz an der Hauptstraße mit dem Neubau des Bezirksrathauses ein neues Profil erhalten und – von Autos befreit – als klassischer Stadtplatz fungieren.

Wie viele Baugeschichten in Köln ist auch die des Rodenkirchener Rathauses lang und zäh. Zahlreiche Bürger stehen den Plänen, wie auch damals beim Maternusplatz, mit einer grundsätzlich skeptischen Haltung gegenüber. Dabei wurde der Abriss und Neubau des 1967 gebauten und als nicht mehr sanierungsfähig geltenden Rathauses schon 2008 beschlossen, die Grundlagen der angestrebten städtebaulichen Neuordnung des Planungsgebiets wurden 2009/2010 im Rahmen einer Mehrfachbeauftragung geklärt. Das dem Wettbewerb zugrundeliegende Konzept sieht anstelle des heutigen achtgeschossigen Rathausbaus einen Neubau mit fünf Vollgeschossen sowie eine deutlich attraktivere Wegeverbindung zwischen dem Platz vor dem Rathaus an der Hauptstraße und dem Rheinufer vor. Einige Rodenkirchener hätten die Investitionen lieber im Schulbau gesehen, doch auch die öffentliche Hand kann ihr Geld nicht einfach von einem Topf in den anderen schütten. So lobte die Gebäudewirtschaft der Stadt Köln nach einem knappen Beschluss im Bezirksparlament im September 2017 einen nichtoffenen Wettbewerb mit 12 Teilnehmern aus. Anfang März vergab die Jury (Vorsitz von Hilde Léon, Berlin) unter den elf eingereichten Arbeiten drei Preise und zwei Anerkennungen und empfahl den mit dem 1. Preis ausgezeichneten Entwurf von JSWD zur Umsetzung.

 

Der mit dem 1. Preis ausgezeichnete Entwurf von JSWD Architekten für das neue Rodenkirchener Bezirksrathaus überzeugte die Jury durch seinen starken Charakter im Stadtbild und durch klare Fassadengliederung, Materialität und Gebäudefügung. © JSWD Architekten

 

1. Preis: Stadtloggia

JSWD Architekten GmbH & Co. KG, Köln (Generalplaner, Architektur) mit

  • RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, Bonn (Landschaftsarchitekten)
  • TEN Ingenieure GmbH, Aachen (Technische Gebäudeausrüstung)
  • ING – Büro für Bauwesen GbR, Dortmund (Tragwerksplanung)
  • THOR Bauphysik GmbH & Co. KG, Bergisch Gladbach (Bauphysik)

 

Das neue Bezirksrathaus bildet einen kompakten sechsgeschossigen Kopfbau, vor dem sich der Rathausplatz gleich einem Teppich ausrollt – wir erinnern uns an den Maternusplatz. Auch hier verschwinden die Autos in einer Tiefgarage, so dass ein qualitätvoller öffentlicher Raum entsteht. Auch Einzelhandel und Gastronomie können sich auf der Platzfläche ausbreiten und den neuen Rathausplatz zu einem weiteren attraktiven Treffpunkt in Rodenkirchen machen. Die Architekten haben die Typologie der flankierenden Arkadenhäuser fortgeführt, so dass die an der straßenseitigen Platzkante gelegene Bushaltestelle und der Tiefgaragenausgang eine wettergeschützte Anbindung zum Rathaus erhalten. Eine grüne Wegeverbindung bindet das Platzensemble an das nahgelegene Rheinufer an.

 

Das neue Rathaus soll einen städtisch geprägten Vorplatz und eine landschaftliche Gegenseite mit guter Anbindung an das angrenzende Quartier erhalten.© JSWD Architekten

 

Der Entwurf von JSWD Architekten bildet das vorliegende Raumprogramm ab, kann aber noch flexibel auf sich ändernde Vorgaben reagieren. Der kompakte Baukörper belässt rückseitig einen großen Gartenanteil, der den Übergang zur kleinteiligen Wohnbebauung des Auenviertels bildet und gleichzeitig Pausenraum für MitarbeiterInnen des Rathauses sein kann. Bei Bedarf könnte ein Teil des Gartenraums als Erweiterungsfläche Rathaus überbaut werden.

Über die verglaste Foyerzone öffnet sich das Rathaus schwellenlos auf den neu gestalteten Vorplatz. Weiträumig verglast lässt die Fassade Einblicke in die Tiefe des Gebäudes zu, macht Foyers, Meldehalle und Sitzungssaal schon von außen erlebbar. Empfang, Meldehalle und die vertikale Erschließung sind auf den ersten Blick lesbar und verschaffen den Besuchern eine einfache Orientierung. Das in Bezug zur Meldehalle stehende Bürgeramt mit ebenfalls großer Besucherfrequenz ist unmittelbar angeschlossen.

 

Die Jury bewertete positiv, wie der öffentliche Raum sich mit dem Eingang zum Rathausfoyer verbindet. Das Foyer ermögliche so die Anbindung an den Rathausvorplatz für bürgerschaftliche Aktionen und Marktgeschehen. © JSWD Architekten

 

Aufzüge und eine großzügige Saaltreppe führen in die Obergeschosse und in die zweigeschossige „Belle Etage“ mit Ratssaal und vorgeschaltetem Saalfoyer. Der Sitzungssaal kann in unterschiedlichen Möblierungsvarianten bespielt und bei Bedarf über mobile Trennwände in zwei Einheiten geteilt werden. Der Rathausbalkon ist dem neuen Stadtplatz zugewandt. Als Stadtbühne bietet er Raum, besondere Anlässe gemeinsam mit dem Publikum auf dem Rathausplatz zu feiern, was die Jury als reprsentative aber nicht überzogene Geste bewertete. Die Gartenterrasse dient als „Raucherlounge“ und Raum zum Luftholen in den Sitzungspausen. Auf gleicher Ebene und in unmittelbarer Nähe zum Sitzungssaal liegen die Fraktionsräume der Bezirksvertretung. Die einfache Organisation der aufgehenden Bürogeschosse ermöglicht spätere Veränderungen von Bürogrößen ohne großen baulichen Aufwand.

Etwa 67 Autos wird die unter dem Neubau gelegne Tiefgarage schlucken, so dass der Vorplatz autofrei bleiben kann. © JSWD Architekten

 

Das Rathaus wird, so die Jury „stadträumlich selbstverständlich“ Bestandteil des Gebäudekontinuums, das den Rathausplatz zu einem kraftvollen Stadtraum macht. Das filigrane Raster der Fassade öffent sich im Erdgeschoss zur Arkade, die organisch an die vorhandenen Strukturen anschließt. Langlebige Materialien in Fassade und Platzraum (Werkstein, Naturstein/Architekturbeton) unterstreichen die Wertigkeit des Ensembles und versprechen eine in Pflege und Unterhalt hohe Wirtschaftlichkeit. Die Jury überzeugte bei dem Entwurf von JSWD der starke Charakter und die gelichzeitig heitere, offene Anmutung, mit denen das Haus zu einem neuen Identifikationsort in Rodenkirchen werden kann.

 

Lehmann Architekten ergänzen die vorgefundene Struktur durch einen sechsgeschossigen Würfel und eine dreigeschossige Platzrandbebauung. Der multifunktional nutzbare Vorplatz des Rathausneubaus artikuliert sich städtisch-steinern, lediglich aufgelockert durch wenige Bäume in durch Bänke gefassten Pflanztrögen. © Lehmann Architekten

 

2. Preis: Vermittler zwischen den Welten

Lehmann Architekten GmbH BDA – DWB, Offenburg (Generalplaner, Architektur) mit

  • office03 // Waldmann & Jung-blut Architekten Partnerschaft mbB, Köln (Architektur)
  • rheinflügel severin, Björn Severin Architekt BDA Stadtplaner DASL, Düsseldorf (Stadtplanung)
  • RAUM, Landschaftsarchitektur und Stadtentwicklung, Krefeld (Landschaftsarchitektur)
  • Fuhrmann + Keuthen Beratende Ingenieure, PartG mbB, Essen (Technische Gebäudeausrüstung)
  • ahw Ingenieure GmbH, Münster (Tragwerksplanung/ Bauphysik)

 

Durch die klare räumliche Fassung des vom ruhenden Verkehr befreiten Vorplatzes erhält das neue Bezirksrathaus eine eindeutige Adresse. Als raumbildender Solitär dient der sechsgeschossige Neubau dem Stadtraum, gleichwohl unterstreicht die selbstbewusste Haltung die Bedeutung seiner Funktion. Entsprechend der unterschiedlichen Umgebung bildet das neue Bezirksrathaus an der Schnittstelle zwischen Ortsmitte und aufgelockerter Bebauung am Rhein zwei unterschiedliche Gesichter aus – urban und kompakt mit maximalem Volumen zur Hauptstraße, sowie kleinteilig gegliedert und in der Höhe gestaffelt zum Rhein. Der Neubau versteht sich damit als Vermittler zwischen beiden Welten und bietet über die differenziert gestalteten Freiräume eine attraktive Wegeverbindung von der Hauptstraße zum Rhein an.

 

Die Jury bewertete die Organisation des EG mit dem zentralen Foyer als gut funktionierend. Sie gebe Besuchern und Mitarbeitern Orientierung, während die Lage des Sitzungssaals angemessen prominent, durch die Arkade geschützt und doch flexibel mit Foyer und dem Platz schaltbar sei. @ Lehmann Architekten

 

Die Organisation und Erschließung des Erdgeschosses soll die Zweiseitigkeit des Rathauses mit einem dem städtischen Platz zugewandten Haupteingang und einem zum Rhein orientierten Nebeneingang, die über ein großzügiges Foyer verbunden sind, unterstützen. Der vom Platz aus einsehbare Sitzungssaal ist Herzstück des Rathauses, wenn hier nicht die Bezirksvertretung tagt, soll er offen für die verschiedensten Nutzungen der Bürger Rodenkirchens sein. Seine prominente Lage schafft maximale Transparenz der politischen Prozesse im Bezirk und verortet das Politische an dieser Stelle.

 

Der Saal schien den Preisrichtern angesichts der geforderten Gebäudetchnik zu niedrig @ Lehmann Architekten

 

Die opaken Fassadenelemente, die das strenge Raster der Büroeinheiten abbilden, werden durch Keramiktafeln verkleidet. Diese bestehen aus glasierten und gebrannten Tonscherben, ein mineralischer Baustein von sehr großer Dauerhaftigkeit und Beständigkeit. Die Farbigkeit in einem dunklen Grauton changiert abhängig von der Witterung in seiner Helligkeit und dem Glanzgrad. Abhängig von der Himmelsrichtung sind die Anteile der Verglasung und der geschlossenen Fassadenelemente unterschiedlich ausgestaltet.

 

gernot schulz : architektur schlagen eine Kubatur vor, die es auf einfachste Art und Weise ermöglicht, von den Bürgern als Rat- oder besser Bürgerhaus erkannt zu werden. Der Typus des dreigeschossigen Sockels mit mächtig aufstrebendem Dach ist in der Baugeschichte vielfach als Rathaus zu finden © gernot schulz : architektur

 

3. Preis: Das Meta-Haus als Bürgerhaus

gernot schulz : architektur GmbH, Köln (Generalplaner, Architektur) mit

  • Reicher Haase Assoziierte GmbH, Aachen (Stadtplanung)
  • Dipl.-Ing. Friedrich Altzweig, Köln (Landschaftsarchitektur)
  • GERTEC GmbH Planungsgesellschaft, Essen (Technische Gebäudeausrüstung)
  • Horz + Ladewig Ingenieurgesellschaft für Baukonstruktionen mbH, Köln (Tragwerksplanung)
  • ISRW Dr.-Ing. Klapdor GmbH, Düsseldorf (Bauphysik)

 

Es ist anzunehmen, dass der Entwurf von gernot schulz : architektur die kontroversesten Diskussionen während der Jurysitzung ausgelöst hat. Auf der Basis historischer Referenzen entwickelten die Architekten die Rathaus-Typologie des dreigeschossigen Sockelbaus mit mächtig aufstrebendem Dach zu einer zeitgenössischen und durchaus eigenständigen Form weiter. Doch der Maßstab und die Absolutheit der Form wurden in Hinblick auf die Körnung des Villenviertels zum Rhein hin teils kritisch hinterfragt.

 

Auf der nördlichen Platzseite befindet sich ein breiter Streifen als erweiterter Platzbereich, der die fußläufige Verbindung zwischen Hauptstraße, Rathaus, dem  bestehenden Parkplatz mit angrenzendem Spielplatz und damit die Erschließungsachse zum Rhein darstellt. Im besonnten Abschnitt des Rathausvorplatzes und in der Rathausgasse sind gastronomische Nutzungen wünschenswert. © gernot schulz : architektur

 

Positiv hervorgehoben wurde jedoch die klare Zonierung des Erdgeschosses, wo gernot schulz : architektur die Arkaden der angrenzenden Bauten in großformatige Einschnitte auf der Platzseite übersetzten. So ist der im Erdgeschoss liegende Sitzungssaal von der Platzfläche aus vollkommen einsehbar, während der Haupteingang an die Seite und somit in die Mittelachse des Grundrisses gerückt wurde. Die Fensterfläche im 1. Obergeschoss, der klassischen „Bel Etage“, ist in Rodenkirchen der Besucherempore vorbehalten. Somit wird bildhaft die Beteiligung und Kontrolle der Politik durch die Bürger zum Ausdruck gebracht.

 

Die formale Ausbildung der schrägen Fassade wird im Innenraum durch ein anlog zu außen gegenläufig sich nach oben schräg öffnendes, zentrales Atrium konsequent fortgesetzt, welches über alle Etagen das Innere natürlich belichtet und einen unverwechselbaren Erlebnisraum darstellt, so die Jury. © gernot schulz : architektur

 

Auch im Inneren wird die Übersetzung des historischen Typus fortgeführt. Die traditionell der Repräsentation dienende große Treppenhalle historischer Rathäuser wird beim vorliegenden Entwurf in eine über alle Geschosse führende Halle übersetzt, die es ermöglicht, schon beim Eintreten Einblick in alle Geschosse und Aktivitäten des Hauses zu erhalten. Die heute geforderte Transparenz von Verwaltung und Politik wird somit architektonisch übersetzt. Die Jury lobte den hier entstehnden unverwechselbaren Erlebnisraum.

Die Brücken in den Geschossen sind kommunikativ gegeneinander versetzt, die Wartebereiche von Bürgern und Aufenthaltsbereiche von Mitarbeitern der Verwaltung sind am großen Luftraum angeordnet. Diese Verortung ist als Impuls für Begegnungen zwischen Bürgern und Mitarbeitern des Hauses gedacht. Eine große gewendelte Treppe verbindet das Foyer im EG mit der Empore des Ratssaals und den Bürgermeisterbüros und Fraktionsräumen im 1.OG. Auch hier unterstützt die Architektur die Begegnung, die Kommunikation und den Austausch zwischen Bürgern und Politikern.

 

Der zentrale Einschnitt in der Platzfassade richtet sich mittig auf den im Dialog mit dem Haus entworfenen „Platzteppich“ aus und führt den Besucher unter dem Fassadenüberstand trockenen Fußes zum Eingang des Gebäudes. © gernot schulz : architektur

 

Die gewählten Materialien unterstützen die städtebaulichen und typologischen Überlegungen: Der steinerne Sockel verbindet im EG das Haus mit dem Boden und das Erdgeschoss mit der Platzfläche. Das Material der Platzfläche wird in Textur und Farbe im Foyer des EG und im Ratssaal fortgeführt. Die Obergeschosse sind dagegen vollständig mit schuppenartigen Klinker-Formplatten verkleidet, die dem Gebäude eine zwischen Geschichte und Zeitgeist oszillierende Erscheinung verleihen.

Die Jury betrachtete die Arbeit als einen wertvollen, kraftvollen, insbesondere aber einen eigenständigen und unverwechselbaren Beitrag zu Fragen der Typologie und Erwartungshaltung an ein Rathaus, einem Haus für die Bürger der Stadt.

 

gmp entwicklen den Neubau am Rathausplatz in drei gestaffelten Volumen. An zentraler Stelle entsteht so als baukoöperliche Zäsur das klassische Motiv eines Rathausbalkons. Die Bespielung des Platzes mit einer Wasserfläche bewertete die Jury positiv, erlaubt sie doch die gewünschte Nutzungsoffenheit z.B. durch Märkte. © gmp International

 

4. Rang, Anerkennung

gmp International GmbH, Aachen (Generalplaner, Architektur) mit

  • WES GmbH LandschaftsArchitektur mit Hans-Hermann Kraft, Berlin (Landschaftsarchitektur)
  • Fuhrmann + Keuthen Beratende Ingenieure, PartG mbB, Essen (Technische Gebäudeausrüstung)
  • Kempen Krause Ingenieure GmbH, Aachen (Tragwerksplanung)
  • von Rekowski und Partner mbB, Weinheim (Bauphysik)

 

Mit einem zweigeschossigen Sitzungssaal im Erdgeschoss sowie der Meldehalle werden die öffentlichkeitswirksamen Nutzungen an der richtigen Stelle angeordnet und durch ein großzügiges Foyer gut mit dem öffentlichen Raum verbunden, befand die Jury. © gmp International

 

 

5. Rang, Anerkennung

kister scheithauer gross architekten und stadtplaner GmbH, Köln (Generalplaner, Architektur) mit

  • stern landschaften, Köln (Landschaftsarchitektur)
  • Krawinkel Ingenieure GmbH, Krefeld (Technische Gebäudeausrüstung)
  • IDK Kleinjohann GmbH & Co. KG, Köln (Tragwerksplanung)
  • Ingenieurbüro Heinrichs, Köln (Bauphysik) sowie
  • BFT Cognos GmbH, Aachen (Brandschutz)
  • Brenner BERNARD Ingenieure GmbH, Köln, (Verkehrsplanung)
  • Höhler und Partner / H+P Objektplanung GmbH, Aachen (Kostenplanung)

 

Uta Winterhager