Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Landmarkenarchitektur

„Fünf hoch eins“ neues Wohnen auf dem Wasserturmgelände in Stammheim

Der Immobilienmarkt in Köln ist angespannt. Inserate für Wohneigentum in sogenannten bevorzugten Lagen wie Lindenthal oder Sülz werden – falls sie überhaupt im Netz landen – nach wenigen Stunden wieder herausgenommen, da die Immobilienmakler mit der Bearbeitung von Anfragen im dreistelligen Bereich beschäftigt sind. Für Eigentumssuchende in diesen Lagen bleiben zwei Konsequenzen: entweder sie wohnen weiter zur Miete oder sie suchen ihr Eigentum in einem weiteren Radius. So entsteht teilweise eine Binnenmigration mit städtebaulichen oder architektonischen Konsequenzen für Stadtviertel, die bisher als weniger attraktiv galten. Plötzlich tauchen hier neuartige Architekturen und Wohnlösungen auf, die auf den ersten Blick wie städtebauliche Versatzstücke wirken, häufig aber einen Puzzlestein in einer Kette neuerer Bebauungen bilden.

 

Lageplan Freiraumplanung
Lageplan Freiraumplanung @ Club L 94

 

 

Mehr Mülheim

Wie im Fall der Überbauung fünf hoch eins auf dem Wasserturm Gelände in Köln Stammheim. Stammheim ist einer von neun Stadtteilen des Bezirks Mülheim, dem nördlichsten der Kölner Stadtbezirke auf der rechten Rheinseite, der sogenannten „schäl Sick“. Seit ein paar Jahren befindet sich das ehemalige Industrie- und Arbeiterviertel Mülheim im Umbruch und mausert sich zu einem Standort für Kreative. Seit der Spielzeit 2013/14 gastiert das Schauspiel Köln auf dem Carlswerk-Gelände. Im E-Werk, dem ehemaligen Umspannwerk, finden ebenso wie im benachbarten Palladium Konzerte und Events statt. Großstädtisches internationales Flair bietet nicht weit davon entfernt die Keupstraße, Ruhe und Erholung findet man am Rheinufer. Hier hat sich Mülheim in den letzten Jahren einige neuere Wohnanlagen mit Eigentumswohnungen zugelegt.

 

Perspektive Strasse
Straßenseitige Ansicht von „Fünf hoch eins“ @ Visualisierung Sven Schröter und LK | ARCHITEKTEN

Locker um die Landmarke

Ein städtebaulich wie architektonisch hervorstechendes Bauprojekt ist die geplante Überbauung des Wasserturmgeländes. Im Süden von Stammheim gelegen, grenzt das Grundstück unmittelbar an die Rheinpromenade an. Das von LK ARCHITEKTEN – Regina Leipertz und Martin Kostulski geplante Bauprojekt „Fünf hoch eins“ umfasst die Umnutzung und Restaurierung des 30 Meter hohen denkmalgeschützten Wasserturmes als weiterhin bestehende Landmarke sowie eine lockere Wohnbebauung des umliegenden autofreien Grundstücks. Seit ein paar Wochen laufen hier die ersten Erdarbeiten, Baubeginn ist für Sommer 2016 und die Fertigstellung für Anfang 2018 vorgesehen.

 

In Abstimmung mit der städtischen Denkmalpflege wird der historische Wasserturm als Bürogebäude umgenutzt und erhält auf dem bestehenden Turmsockel eine Aufstockung, die in Maßstab und Materialität dem historischen Wassergefäß entspricht. Um den alten Wasserturm und den zentralen Quartiersplatz herum gruppieren sich fünf zweigeschossige Wohnbauten mit Staffelgeschossen, deren schrägwinklige Grundrisse durch Berücksichtigung diverser Grundstücksrestriktionen entstanden und spannende räumliche Beziehungen ergeben. Obwohl die Wohneinheiten als Eigentumswohnungen angeboten werden, entsprechen sie von ihrer Typologie her eher Doppelhaushälften beziehungsweise Reihenhäusern. Im Innenraum profitieren die ineinander verschachtelten, individuell geschnittenen Wohneinheiten von großzügigen, unkonventionellen Raumfolgen und geschoßübergreifenden Lufträumen. Insgesamt entstehen auf dem Areal 13 Eigentumswohnungen, deren Größe zwischen 99 und 227 Quadratmetern variiert. In der Projektbeschreibung der Architekten wird der „räumliche Eindruck und die Qualität einer freistehenden Villa“ beschrieben. Mit diesem Anspruch hebt sich die Bautypologie deutlich ab von der direkten Umgebung Stammheims, die von teilweise genossenschaftlichem Siedlungsbau geprägt ist.

 

INNENA
So stellt man sich das Wohnen in Stammheim nicht vor. Doch rund um des Wasserturm kann es zukünftig richtig schick werden. @ Visualisierung Sven Schröter und LK | ARCHITEKTEN

Die andere Rheinseite nicht vergessen

Die neue Bautypologie und der der hohe Baustandard sind symptomatisch für den derzeit anvisierten Wandel Mühlheims vom ehemaligen Industrie- und Arbeiterquartier zum attraktiven Stadtquartier. Entsprechend gestaltet sich auch die Entwicklung der Immobilienpreise. Laut iib-Datenbank 2015 werden neue Eigentumswohnungen in Mühlheim durchschnittlich für 3359 Euro pro Quadratmeter gehandelt, was nicht mehr allzu weit entfernt ist von Lagen wie Riehl mit 4064 Euro. Auf der anderen Seite bietet die Lage Vorzüge wie Grundstücke in unmittelbarer Lage am Rhein, die in anderen Stadtteilen überhaupt nicht mehr zu erwerben sind. Inwiefern das Bauprojekt auf dem Wasserturmgelände weitere qualitätvolle Projekte nach sich zieht und zu einer Aufwertung der „schäl Sick“ beiträgt, bleibt abzuwarten. Die Vermarktung hat vor rund zwei Wochen begonnen.

 

Katja Hasche