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Zur Positionierung des Kölner Stadt-Anzeigers in der Debatte um die Bebauung des Rathausplatzes

Der Titelseite des Kölner Stadt-Anzeigers vom 25. Juni war zu entnehmen: „OB lehnt Entwurf für Museum ab“. Gemeint ist der zwölf Tage zuvor im Rahmen eines architektonischen Wettbewerbs ausgewählte Entwurf zu Archäologischer Zone und Haus und Museum der Jüdischen Kultur des Büros Wandel Hoefer Lorch + Hirsch. Verwundert dürfte sich der ein oder andere die Augen gerieben haben: Hatte Schramma nicht noch vor wenigen Tagen von einem „sehr gelungenen“ Entwurf gesprochen? – Seltsam.

Kommentarkommentar

Wenige Seiten weiter spricht Franz Sommerfeld, der Chefredakteur des Stadt-Anzeigers, in einem Kommentar von einem „Verlust für die Stadt“, sollte das Haus tatsächlich auf dem vorgesehenen Grundstück zu stehen kommen. In einer Gedankenkette, die ihn zurück zur Judenverfolgung in der Zeit des Nationalsozialismus’ führt, regt er eine Bebauung des dem Platz benachbarten Grundstücks des ehemaligen Kaufhauses Kutz an. – Schade, möchte man meinen, dass die Komplexität der jüdischen Kultur erneut auf die Verfolgungen der NS-Zeit heruntergebrochen wird. Hatte doch Benedikt Graf Hoensbroech, Vorsitzender der „Gesellschaft zur Förderung eines Hauses und Museums der jüdischen Kultur in Nordrhein-Westfalen“, darauf hingewiesen, dass die jüdische Geschichte in diesem Haus eben nicht „mit erhobenem Zeigefinger“, sondern als historischer wie aktueller Teil der Kölner Stadt- und Kulturgeschichte präsentiert werden solle.

Sichtbezüge

Es geht noch weiter: Im „Köln-Teil“ des Stadt-Anzeigers warten auf einer Doppelseite zwei Fotos auf den Leser, auf denen der Siegerentwurf als rot-weiß gestreiftes „Warnschild“ zu sehen ist. – Wiederum schade, dass bereits die Art der Darstellung, die lautstark ein „Achtung“ impliziert, das Urteil des Lesers vorwegnimmt. Wenig ist dort zu lesen von einer maßstäblichen Einbindung der Rathauslaube oder von einer großzügigen Einhausung der archäologischen Funde, die die historische Dimension des Ortes lesbar machte.

Schramma wird erneut zitiert, um die Marschroute des Stadt-Anzeigers in der – leider wenig architektonisch geführten – städtebaulichen Debatte zu untermauern: „Weder die Fassade des Rathauses noch die des Wallraf-Richartz-Museums sind überhaupt noch in der Sichtachse erkennbar, die werden schlichtweg zugebaut.“ Wusste er als Auslober etwa nichts von einer Bebauung des „Rathausplatzes“, die er nun scheinbar in Frage stellt und die doch eindeutig in der Auslobung am authentischen Ort des ehemaligen Jüdischen Viertels gefordert wurde: „Mit dem Bauvorhaben (…) wird das städtebauliche Ziel verfolgt, einen attraktiven, zeitgemäßen Stadtraum zu schaffen, der sich an dem Stadtgrundriss von ca. 1800 orientiert und diesen strukturell interpretiert.“ Dieser historische Stadtgrundriss – der sich nicht zwingend an der Zeit „um 1800“, sondern vielmehr an der tradierten, kleinmaßstäblichen Schließung des Rathausplatzes festmachen lassen sollte – impliziert doch unmissverständlich die Bebauung der, nun ja, Freifläche zwischen Spanischem Bau, Rathaus und Wallraf-Richartz-Museum.

Zudem fragt sich, welche Sichtachse gemeint sein könnte. Das Wallraf-Richartz-Museum jedenfalls ist nicht nur von Westen her mitsamt seinem Anschluss an die Kirchenruine St. Alban in Gänze sichtbar. Und was das Rathaus betrifft, so kritisiert der Stadt-Anzeiger selbst die dortigen Neubauten aus den fünfziger bis siebziger Jahren als nicht „sonderlich inspirierend“ – der Neubau aber bildete zum eben noch verschmähten Verwaltungstrakt, den Karl Band zwischen 1965 und 1972 errichtete, eine Gasse und steigerte damit die Wirkung vor allem der Rathauslaube.

Und ob das Argument, der 1. FC Köln benötige den Platz für seine zukünftigen Meisterschaftsfeiern, wirklich schlagend ist – die Beurteilung sei den Lesern selbst überlassen.

Ausarbeitung statt Ablehnung

Der scheinbare Sinneswandel des OB verlangt nach einer Klärung. Die findet sich in der Person Gregor Timmer, dem Leiter des Amtes für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Köln: Er bezieht im Hinblick auf die fragliche Ausgabe des Stadt-Anzeigers eine klare Position, die als Kontrapunkt zum Zeitungstitel folgendermaßen wiedergegeben werden könnte: „OB lehnt Entwurf für Museum nicht ab.“

Schramma halte weiterhin an seiner Position fest, den 1. Preis zu unterstützen. Es gebe jedoch, wie bereits beim Entscheid des Preisgerichts angemerkt, Klärungsbedarf bei einigen Fragen des Entwurfs. Die größten Sorgen bestünden hinsichtlich der Baudurchführung: Der Siegerentwurf sieht eine gleichzeitige Realisierung der Projekte „Archäologische Zone“ und „Haus und Museum der jüdischen Kultur“ vor. Ersteres ist ein Regionale 2010-Projekt und wird daher auch mit Landesmitteln finanziert, letzteres ist ein Vorhaben privater Trägerschaft durch den Förderverein. Dieser soll die Finanzierung des Museumsneubaus bis Anfang 2009 nachweisen, doch bislang seien „keine Fakten“ vorgelegt worden. Für den Fall einer Finanzierungslücke, die eine zeitnahe und parallele Durchführung beider Projekte gefährde, soll gemeinsam mit den erstplazierten Architekten die Alternative einer zweiphasigen Realisierung ausgearbeitet werden.

Warum also legt der Stadt-Anzeiger den Fokus auf „entkoppelte“ Äußerungen Schrammas und setzt sie in einen Kontext, der nicht der reflektierten Wahrheit entspricht? Eine mögliche Erklärung könnte in der Person Alfred Neven DuMont zu finden sein: Er ist nämlich nicht nur Herausgeber des Stadt-Anzeigers, sondern zugleich auch Vorsitzender des Stifterrates des Wallraf-Richartz-Museums – ein Interessenskonflikt mit einem weiteren Museum am Platze dürfte nicht ausgeschlossen sein. In diesem Fall käme eine publizistische Einflussnahme auf das Stimmungsbild in Köln nicht ungelegen, um den Rat der Stadt unter Druck zu setzen…

Rainer Schützeichel

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Definition des Platzes und Schaffung von Räumen: der Entwurf des Büros Wandel Hoefer Lorch + Hirsch

jüdisches museum_whl 02

Übersicht: Im Norden Spanischer Bau, im Süden Wallraf-Richartz-Museum – der Neubau gesellt sich im Westen des Rathauses hinzu

jüdisches museum_modell

So sieht das Modell des erstplazierten Entwurfs im Stadtmodell aus…

jüdisches museum_ksta_whl

…und so zeigt es der Kölner Stadt-Anzeiger in seiner Ausgabe von 25. Juni 2008.

7 Kommentare

vielen dank herr schützeichel
mit Ihrem artikel sprechen Sie mir aus der Seele. Für mich ist es unverständlich, warum das geplante museum in keinem fall die sicht auf die in der Tat uninspierten Rathausbauten nehmen dürfe. gerade der alten laube würde durch den Museumsbau ein passenderer Rahmen gegeben, der der ursprünglichen Altstadtbebauung entspräche. Das Argument des Rathausplatzes als einer der letzten verbliebenden Innenstadtoase leuchtet mir ebenfalls nicht ein, da ich auf diesem Platz nie mehr als eine handvoll leute habe sitzen sehen. wie der kommentator in der heutigen ausgabe des KStA schreibt, wird der Platz zum Durchschreiten und nicht zum Verbleiben genutzt.

Ich hoffe sehr, dass es zu einer Realisierung dieses Entwurfs kommt.
Die jetzige Brachfläche ist weder attraktiv, noch hat sie irgendeine Aufenthaltsqualität. Diese würde die Errichtung von Schutzbauten über den Ausgrabungen, die bei einer „Freihaltung“ des Areals zwangsläufig errichtet werden müssten sicherlich auch nicht größer.

Wer die Möglichkeit hat, möge sich Aufnahmen vom Vorkriegszustand ansehen. Die Renaissancelaube würde bei einem kleineren Platz in seiner ursprünglichen Maßstäblichkeit enorm in ihrer Wirkung gewinnen – und auch Portalsgasse und Judengasse würden diesen Namen wieder verdienen.

Vorsicht, Schramma neigt zu provienz. Lösungen. Der KSta. wird puplizistisch schlechter und provienzieller s. frühere Kommentare Messe-City. Die Architektur -Kommentare im KSta. lassen vermuten,das man Köln mit Gebäuden in Form von „Riegeln“?! s. neue LH-Zentrale, O Gott, zupflastern müsste. Der heutige Rathausvorplatz sieht eh fürchterlich aus.

Der Platz muss freibleiben. Unser Rathaus darf diesen Anspruch erheben !…ohne Gefahr zu laufen, in eine gefühlsverletztende Diskussion geraten zu müssen.Mit der Bitte um Verständnis, auch für Herrn Schramma und dessen relativierden Kommentaren… – „gebranntes Kind scheut das Feuert“ vergl. MoscheeNeubau Ehrenfeld…?!

@Einj Bürger dieser Stadt
„unser Rathaus darf diesen Anspruch erheben?!“ Leider kann unser Rathaus nicht sprechen. Könnte es dies, würde es wohl um einen in seiner Größe ihm gerecht werdenden Platz bitten.
Rathäuser anderer Großstädte stammen meist aus der Jahrhundertwende, sind auf Größe und Repräsentation ausgelegt. Die, von ihrer Dominanz beherrschten Plätze sind Teil deren Bauplanung.
Unser, wesentlich älteres Rathaus dominiert überhaupt nichts, sondern steht verloren, seiner Würde beraubt an den Rand gedränt in der Ecke einer überdimensionierten Freifläche. Diesen Zustand gilt es abzustellen.

Mir ist die nun laufende Diskussion völlig unverständlich – muss vielleicht aber stattfinden, als Teil eines allgemeinen Meinungsbildungsprozesses…
Für das Museum der jüdischen Kultur gibt es in Köln nur einen einzigen, historisch richtigen und angemessenen Platz, und der ist vor dem Rathaus an der Stelle des ehem. jüdischen Viertels. Ein Ausweichen auf das Gelände des Kaufhauses Kutz würde eher ein Problem schaffen, als eines zu lösen, ist doch dieses Gelände für einen Erweiterungsbau des WRM vorgesehen, für den der Stifterrat bereits eine erste Spende in Aussicht gestellt hat.
Der Entwurf für das jüdische Museum wäre allerdings in einzelnen Punkten zu überarbeiten. Bspw. könnte an der Südwest-Ecke des geplanten Baus eine Platzfläche ausgespart werden, die praktisch eine Punktspiegelung des Gülichplatzes am Haus Neuerburg wäre. Auf diese Weise entstünde ein interessanter innerstädtischer Raum, der eine „freie Sicht“ auf das WRM ermöglicht.