Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Schichtung der Kulturen

Ein Kommentar zur Planung von Archäologischer Zone und Jüdischem Museum

Sicher, einfach ist in Köln nichts. Der sprichwörtliche rheinische Frohsinn erfährt besonders dort recht schnell eine Trübung, wo es um politische Prozesse und damit um persönliche Interessen geht. So ist auch die Geschichte der „Archäologischen Zone“ und des „Jüdischen Museums“ in direkter Nachbarschaft des Rathauses die Geschichte eines jahrzehntelangen Planungsprozesses, der nicht selten von Befindlichkeiten beteiligter Personen und städtebaulicher Unentschlossenheit dominiert wurde. Nun – das könnte man den Beteiligten zugute halten – ist das Thema derart komplex, dass eine einfache Lösung ohnehin kaum möglich scheint: Es geht um nichts Geringeres als um die Darstellung von 2000 Jahren Stadt- und Kulturgeschichte.

Archäologische Zone

Die „Archäologische Zone“ bezeichnet den Bereich westlich des heutigen Rathauses, der Zeugnisse römischer, merowingischer, karolingischer und hochmittelalterlicher Besiedlung birgt. Vor dem Zweiten Weltkrieg, dessen Zerstörungen die Freifläche als Brache in der ursprünglichen Stadtstruktur hervorbrachten, war dieser Bereich dicht bebaut – so hatte hier die jüdische Gemeinde Kölns bis zu ihrer Vertreibung im Jahr 1424 ihre Heimat. Archäologische Grabungen, die nicht zuletzt zahlreiche Relikte jüdischen Kultus’ zu Tage brachten, wurden dort bereits in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts durchgeführt. Seit 2007 finden weitere Grabungen statt.

Der zu Beginn dieses Jahres ausgelobte internationale Wettbewerb zur „Archäologischen Zone“ umfasst die unter- und oberirdische Präsentation der Grabungsfunde: So sollen die Grundmauern des römischen Praetoriums, die zum Teil bereits unterhalb des Spanischen Baus zugänglich sind, zukünftig im Ganzen zu besichtigen sein – die jetzige Ausstellung umfasst lediglich den nördlichen Teil des Statthalterpalastes der Colonia Claudia Ara Agrippinensium. Darüber hinaus soll die unterirdische Ausstellung die baulichen Zeugnisse des Jüdischen Viertels – Hospital, „Domus Lyvermann“, Bäckerei und Warmbad – umfassen.

Die Relikte der Synagoge, die bereits heute zugängliche Mikwe und die im Platz nachgezeichnete römische Apsis sollen in Zukunft durch ihre oberirdische Präsentation die historische Bedeutung des Ortes nachvollziehbar machen, ohne dass die Besucher im wahrsten Sinne in die Geschichte „hinabsteigen“ müssten. Das Rathaus, das unschwer die Phasen seiner baulichen Entwicklung erkennen lässt, soll ebenfalls in die Ausstellung integriert werden: Der Keller unterhalb des gotischen Rathausturms, der Löwenhof und der so genannte Plassmann’sche Keller komplettieren den historischen Rundgang, der sich so vom ersten bis ins 16. nachchristliche Jahrhundert bewegt.

Jüdisches Museum

An den Planungen des „Jüdischen Museums“, das die Darstellung der Geschichte jüdischen Lebens in Köln bis zum heutigen Tag zum Inhalt haben wird, scheiden sich die Geister: Während der Wettbewerb, der Archäologische Zone und Jüdisches Museum gemeinsam zur Aufgabe hat, als Standort den Bereich westlich des Rathauses – also den des ehemaligen Jüdischen Viertels – vorsieht, gab und gibt es immer wieder Einwände, Bedenken und Unkenrufe gegen eine neuerliche Bebauung des Platzes.

Somit hat nicht nur der Ort, sondern auch seine reparierende Bebauung Geschichte. Schon Rudolf Schwarz, der nach dem Zweiten Weltkrieg die städtebaulichen Planungen zum Wiederaufbau Kölns leitete, sah die Rekonstruktion des historischen Stadtgrundrisses am Rathausplatz vor. Deutlichstes Zeichen dieser Idee dürften die Fassaden der Neubauten sein, die diesem Platz vielmehr höfische Innen- als repräsentative Schauseiten zuwenden: Sowohl Karl Band als auch Theodor Teichen und Franz Löwenstein gingen beim Entwurf des Rathausannex’ respektive des Spanischen Baus von einer kommenden Bebauung aus. In den siebziger Jahren folgten zwei entsprechende Wettbewerbe, die Joachim Schürmann für sich entscheiden konnte – der zweite aus dem Jahr 1979 hatte bereits ein „Jüdisches Museum“ zur Aufgabe. Die Realisierung seiner Entwürfe scheiterte schließlich am Protest der Bürger.

Nun war es 2005 wiederum Schürmann, der einen von der „Gesellschaft zur Förderung eines Hauses und Museums der jüdischen Kultur in Nordrhein-Westfalen“ beauftragten Entwurf für einen Museumsneubau am strittigen Ort vorstellte. Auch hier war ihm die Realisierung nicht vergönnt. Im Rahmen des nun international ausgeschriebenen Wettbewerbs hat der inzwischen 81-jährige jedoch – neben 21 weiteren geladenen Teilnehmern – erneut die Möglichkeit, einen Entwurf oberirdischer Bebauung des Platzes vorzulegen.

Schichtung der Stadt

Das Preisgericht wird am 12. und 13. Juni tagen, um über die eingereichten Arbeiten zu entscheiden. Im Lauf der Diskussion wurde stets – übereinstimmend von Beteiligten jeglicher Couleur – betont, dass der Ort seiner historischen Dimension gerecht und Abbild der wechselhaften Stadtgeschichte werden müsse. Diesem Wunsch sollte mit einer Architektur entsprochen werden, die ihr Umfeld respektiert und sich als Baustein der Stadt versteht. Eine Ikone architekturtouristischer Motivation wird sicher keine konsequente, notwendige Reparatur der städtischen Physiognomie erzielen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Diskussion mit einem hochwertigen Entwurf zu einem Ende findet und die Stadt damit die Möglichkeit hat, die seltene Chance dieses Ortes zu nutzen: Die Chance, die Geschichte der Kölner Urbanisierung, die politische Geschichte der Region und damit auch die kulturelle Vielfalt dieser Entwicklung „am Originalschauplatz“ greifbar zu machen. Wenn dies gelänge, dürften sich die Kölner der oft erhofften, doch selten erreichten internationalen Anerkennung sicher sein.

Rainer Schützeichel

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Südlicher Abschluss des heutigen Platzraums: Das Wallraf-Richartz-Museum von Oswald Mathias Ungers – im Vordergrund die Glasüberdachung der Mikwe

Schwarz Neues Köln 1950

Rudolf Schwarz „rekonstruierte“ in seiner Generalplanung für Köln im Bereich des Rathauses den ursprünglichen Stadtgrundriss