Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Netz 2010

Gestaltung im Untergrund: die acht Haltestellen der neuen Nord-Süd U- Bahntrasse

Mit dem Bau der Nord-Süd Stadtbahn, der neuen U-Bahn-Strecke zwischen Hauptbahnhof und Südstadt, wird sich eine Lücke im Schienennetz des öffentlichen Nahverkehrs in Köln schließen. Seit den 60er-Jahren diskutieren Kölner Verkehrsexperten und Politiker über diese riesige Investition. 1992 entschloss sich der Rat zum Bau. Über zehn Jahre vergingen, bis die Trassenführung, parallel zum Rhein, ausgetüftelt war. 2003 konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden. Die vier Kilometer lange Stadtbahntrasse mit sieben Kilometern Tunnelröhren wird weitestgehend unterirdisch gebaut. Im sogenannten Schildvortriebsverfahren fressen sich gigantische Bohrer durchs Erdreich.

Im gesamten Baustellengebiet finden sich mächtige archäologisch Schichten der römischen bis frühneuzeitlichen Stadt. Deshalb ist die gesamte Trasse als Bodendenkmal in die Denkmalliste der Stadt Köln eingetragen. Die Grabungen in diesem Bereich ermöglichen einen immensen Zuwachs an archäologischem und historisch-topographischem Wissen über die Stadt.

Auch wenn die neuen Linien erst 2010 in Betrieb gehen sollen, so werfen sie doch ihre Schatten voraus. Begonnen wurde mit Ausschachtungsarbeiten an der Severinstraße, dem Breslauerplatz und dem Heumarkt. Besonders hier zeugen täglichen Autoschlagen von reger Bautätigkeit.

Die Direktverbindung vom Bahnhof zum Chlodwigplatz wird dem Berufspendler wertvolle Minuten (6) bescheren. Den Kostenträgern jedoch wird es erheblich den Etat schmälern. Auf 630 Mill. Euro brutto werden sich die Baumaßnahmen belaufen. Davon übernimmt der Bund 60%, das Land 30% und die Stadt 10% der Kosten.

Architektonisches Konzept

Alle acht Haltestellen, sieben davon unterirdisch, werden von renommierten Kölner Architekturbüros entworfen und umgesetzt. Sie erhielten den Auftrag durch direkte Vergabe. Einige Büros hatten sich durch vorherige Platzgestaltung der gleichnamigen Haltestelle empfohlen (z.B. Chlodwigplatz, Rathaus, Breslauer Platz), andere sammelten im Kölner U-Bahnbau bereits Erfahrung.

Auf Wunsch der Stadt soll an jeder Haltestelle ein stadtgeschichtliches Motiv den Fahrgästen vermittelt werden. So läge am Rathaus, auf Grund der Fundamentreste des Prätoriums, das Thema Römer nahe oder am Karthäuserhof die „Hanse“. Auch ein Kunstkonzept als gemeinsamer roter Faden durch die Haltestellen ist sowohl von Architekten-, als auch von Stadtseite denkbar. Konkretes hingegen ist noch nicht in Sicht, obwohl die Planungsphasen abgeschlossen sind, liegen ausschließlich Einzelentwurfsergebnisse vor. Ein transparent durchgeführtes Wettbewerbsverfahren hätte gegenüber der Direktvergabe Vorteile auf mehreren Ebenen erzielt. Das Ergebnis eines Ideenwettbewerbes könnte zum Beispiel ein schlüssiges Kunstkonzept sein, das basierend auf einem gestalterischen und politischen Konsens nachvollziehbar, öffentlich und einforderbar gewesen wären. Und nicht zu letzt hätte man auch junge Kölner Büros in die Planungsüberlegungen mit einbeziehen können und sollen.

Gemeinsame Entwurfsgedanken

Licht, ein Thema, das allen Entwürfen inne wohnt, dient im starren Korsett der Funktion vielfach als Gestaltungselement. Dort, wo Tageslicht rar ist, wird das Beleuchtungskonzept raumprägend. z.B. Chlodwigplatz/ Rathaus/ Heumarkt/Karthäuserhof. Glaselemente, verschieden variiert filtern Tageslicht in die Verteilerebenen; im Falle der Haltestelle Rathaus soll dies sogar über 20 m tief gelingen. Innen wie im Außen scheint man sich auf eine bauliche Zurückhaltung geeinigt zu haben: klare, einfache Räume und nicht mehr Aufbau als nötig, um im Stadtraum die Haltestellen zu markieren; fast alle Aufzugsgehäuse sind in Glas.

Jede einzelne Station hat ihre Eigenheiten. Jeweils eine sei hier herausgehoben:

Die bestehende Haltestelle Breslauer Platz, Architekturbüro Büder + Menzel wird um 2 Trassen erweitert. Sie liegt direkt unter städtischem Niveau, was dazu genutzt wird, hauptsächlich Tageslicht auf Bahnsteigebene und Aufgänge zu lenken.

Am Alter Markt (Rathaus) befinden wir uns im historischen Mittelpunkt von Köln. Jede Epoche hat hier ihre Spuren im Boden hinterlassen, von den Römern bis zum Mittelalter. Das Büro Prof. Schürmann sieht vor, diese Ausgrabungen auch begehbar zu machen, u.a. mit einem Stichgang zu den Fundamenten des römischen Prätoriums.

Nächster Halt der Heumarkt: Hier wird das Büro Prof. Coersmeier einen unterirdischer Knotenpunkt entwickeln, denn auch die Linien 1/ 7/ 8/ 9, von Deutz kommend, verschwinden im Erdboden. Diese Überkreuzung verspricht eine spannende Verschneidung der Räumlichkeiten.

Die Abfahrtshalle in der Severinstraße erinnert mit den Säulen an eine mehrschiffige barocke Basilika. Die acht- eckigen Waben aus Aluminiumlochblech dienen der Schallabsorption und als Lichtauslass der diffusen Beleuchtung. Kister Scheithauer Gross

Eine ausgefeilte Wandgestaltung wird dem U- Bahnnutzer am Karthäuserhof erwarten. In Zusammenarbeit mit einem Künstler entwickelt das Büro Stefan Schmitz ein 2-schichtiges farbiges Wandsystem, bestehend aus der Sichtbetonwand und aufgedoppelten Glaselementen.

Die Drehscheibe des Südens, der Chlodwigplatz: der einzige Kreisverkehr Kölns bekommt eine unterirdische Entsprechung. Das Architekturbüro Schaller / Theodor sieht hier auch in 5,3 Metern tiefe eine runde Verteilerebene vor.

Am letzten Halt im Untergrund, dem Bonner Wall, besticht die weite Halle mit den geschwungenen Deckenschalen. Die Verteilerebenen sind als Brücken an den Köpfen der Halle integriert. Architekturbüro Busmann & Haberer.

nord sued1

Baustellenbetrieb am Heumarkt

nord sued end

Parallel zum Rhein verläuft die neue U-Bahntrasse. Die zukünftigen Haltestellen liegen alle im dicht bebautem Innenstadtbereich.

Breslauerplatz

Breslauer Platz, Bahnsteigebene

Visualisierung: Architekturbüro Büder + Menzel

Rathaus 1

Rathaus, Längsschnitt

Plan: Architekturbüro Prof Schürmann

heumarkt

Heumarkt, Ost-West-Bahnsteigebene mit Blick in die Nord-Süd-Ebene

Visualisierung: Architekturbüro Prof. Coersmeier

severinstrasse

Severinstraße, Bahnsteigebene

Visualisierung: Architekturbüro Kister, Scheithauer, Gross

Chlodwigplatz 2

Clodwigplatz, Blick in den Treppenraum vor der nördlichen Verteiler-Ebene

Visualisierung: Architekturbüro Schaller/Theodor

bonnerwall

Bonner Wall, Innenansicht bei Nacht

Visualisierung: Architekturbüro Busmann & Haberer

4 Kommentare

fürGeschäftsleute und Anlieger eine Katastrophe!!!!Ich habe noch keinen Menschen gesprochen ,der diese U-bahn (samt der Bauerei) einen Moment vermisst hat!!!!!!!Man kann vom Chlodwigplatz,von der Severinbrücke von der Annostrasse auf alle Arten aus dem Severinsviertel heraus fahren…….ausserdem ist Deutschland doch angeblich bettelarm,aber dafür haben Sie Geld….unbegreiflich,aber wir werden ja nicht gefragt!S.freyermuth

Gut das diese U-Bahn endlich gebaut wird. Die Verbindungen in die südlichen Stadtteile sind schlecht, die Buslinien 132 133 überlastet. Der vorhandene Tunnel (Neumarkt) gaenzlich überfüllt. Der Bau hilft, die Linien der Kölner Stadtbahn zu entflechten.
10 von 10 möglichen Punkten

Das Gejammer der Anwohner ist unerträglich. Die sollten sich mal anschauen, wie die U-Bahnen in den 60e und 70er Jahren durch die Hauptverkehrsstraßen geprügelt wurden – 100% offenen Bauweise mit Baugeräten, die nicht annähernd so schallgedämmt waren wie die heutigen. Damals gabs noch nicht mal Entschädigung.

Die bekommen einen 1a-U-Bahn direkt vor die Tür gesetzt, die Straßen werden neu gestaltet und aufgewertet (so dass ich mich auch in Zukunft sicher öfter mal in der Südstadt blicken lassen werde)..und die Anwohner sind nur am meckern! Typisch deutsch halt..

Endlich! Was soll denn das Gejammer. Natürlich ist der Stress durch die Bauarbeiten mit Unannehmlichkeiten verbunden. Doch wenn Köln von Norden bis Süden via Bahn zu erreichen ist, wird spätestens in drei Jahren jeder dieses Bauvorhaben loben – vor allem diejenigen, die ihr Business im für Köln strukturell wichtigen Rheinauhafen machen. Glück auf!