Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Shoppen am Leuchtturm?

Auf dem Heliosgelände in Ehrenfeld soll ein Einkaufszentrum entstehen. Gegen diese Investorenpläne wehrt sich eine Bürgerinitiative.

Bürgerprotest ist wieder in, auch in Köln. Ausnahmsweise wird aber mal rechtzeitig protestiert, also bevor geplant, abgerissen oder gar gebaut wurde. Es geht um das Heliosgelände in Ehrenfeld, ein ehemaliges Industriegelände zwischen Ehrenfeldgürtel, Heliosstraße, Vogelsanger und Venloer Straße, das inzwischen schon überhöht als „Herz Ehrenfelds“ bezeichnet wird und auf dem ein Einkaufszentrum entstehen soll.

Hier steht das „Wahrzeichen“ von Ehrenfeld, der denkmalgeschützte Leuchtturm. Die Rheinlandhalle, Heimat von zwei Möbelhäusern, einem Fahrradladen und einem Fitnesscenter ist ebenfalls denkmalgeschützt. Der Versuch, die ehemalige Fabrikhalle des italienischen Supermarktes unter Denkmalschutz zu stellen, scheiterte. Es sind aber weniger die schutzwürdigen Gebäude, für die gekämpft wird, als die Szene, die sich hier angesiedelt hat: Allen voran der Club „Underground“, aber auch Ateliers, kleine Werkstätten und der Sitz des Orchesters „Concerto Köln“, das hier gerne ein Zentrum für Alte Musik einrichten würde.

Historisches Industriegelände

1882 wurde die Helios AG für elektrisches Licht und Telegraphenanlagenbau im damals noch selbständigen Ehrenfeld gegründet. Das Unternehmen trug maßgeblich zur Elektrifizierung in Europa bei, trotzdem währte die Firmengeschichte nicht lange. Aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten wurde die Helios AG von der Berliner Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) übernommen und ab 1905 liquidiert. Geblieben ist – neben Produktionshallen und dem heute als Ärztehaus genutzten Verwaltungsgebäude „Helioshaus“ – der 44 Meter hohe Leuchtturm, der, entgegen anderslautender Gerüchte, nichts mit der Rheinschifffahrt zu tun hat. Er wurde für Versuche und Demonstrationen verwendet und erinnert nach einer Rekonstruktion 1996 noch heute an die untergegangene Industrie.

In der an den Leuchtturm anschließenden Rheinlandhalle wurden ab 1911 Motoren gebaut, später dann Sechstagerennen und Boxkämpfe durchgeführt. Diesem Vergnügen machten die Nationalsozialisten mit Neuregelungen ein Ende – und nutzten die Halle selbst für Propagandaveranstaltungen. Im Krieg wurde sie stark zerstört, wieder aufgebaut und in ihr wurde 1957 der erste Supermarkt Kölns eingerichtet.

Investorenpläne

Das gesamte Gelände um Leuchtturm und Rheinlandhalle gehört seit 2008 einer Grundstücksgesellschaft der Bauwens-Gruppe und der Mfi Management für Immobilien AG. Gerade letztere erregt Misstrauen bei Stadt und Bürgern, denn sie betreibt die Kalker Köln Arcaden, die am Ende größer wurden, als eigentlich geplant und der Kalker Hauptstraße Kaufkraft abziehen. Ein Einkaufszentrum soll auch auf dem Heliosgelände entstehen, kombiniert mit Wohnungen und Büros.

Potenzialanalyse

2009 hatte die Stadt eine Potenzialanalyse in Auftrag gegeben, die detailliert auf den Bestand in der Venloer Straße eingeht. Insgesamt wird dem Areal ein eher niedriges Qualitätsniveau attestiert, ausbaufähig sind vor allem der mittel- und langfristige Bedarfsbereich. Es werden maximal 17.000 Quadratmeter zusätzliche Verkaufsfläche empfohlen, besonders für Bekleidung, Elektrowaren und Spielwaren. Diese sollte als offenes Einkaufszentrum realisiert werden, in einer ansprechenden städtebaulichen Gestaltung.

Über die bislang existierenden Pläne für die „Helios-Höfe“ ist bislang nur bekannt, dass der Einkaufsbereich komplett überdacht, aber mit acht offenen Zugängen ausgestattet werden soll. Mindestens 20.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche plant der Investor dort, möglicherweise mit einer Markthalle, auf jeden Fall aber mit hochwertiger Kleidung und die Grundversorgung, wie zum Beispiel eine Buchhandlung oder ein Drogeriemarkt, darf auch nicht fehlen. Ganz sicher aber müssten mit einem Einkaufszentrum auch Bewohner anderer Stadtteile angesprochen werden, da der Einzugsbereich des bisherigen Stadtteilzentrums kaum über Ehrenfeld hinausreicht. Das aber würde rund um das Gelände ein noch größeres Verkehrsproblem schaffen – schon jetzt sind die Straßen oft überlastet.

Bürgerinitiative

Gegen die Pläne für die „Helios-Höfe“ hat sich im Mai 2010 die Bürgerinitiative „Helios“ gegründet, die mit E-Mails an den Oberbürgermeister und öffentlichen Veranstaltungen für Aufmerksamkeit gesorgt. In ihren Zielen formuliert die Bürgerinitiative unter anderem den Erhalt der Subkultur und die Schaffung neuer Flächen für Kultur und Soziales, bezahlbaren Wohnraum, ein umweltverträgliches Verkehrskonzept, Grünflächen und eine öffentliche Durchwegung. Vehement stellen sich die Mitglieder gegen eine Shopping-Mall, auch unterstützt von der Interessengemeinschaft Ehrenfelder Geschäftsleute, die maximal 4.000 Quadratmeter Einzelhandelsfläche fordern. Einen Hauptpunkt ihrer Forderungen hat die Bürgerinitiative bereits erreicht: Bürgerbeteiligung. Der Stadtentwicklungsausschuss hat beschlossen, ein extern moderiertes Bürgerbeteiligungsverfahren durchzuführen.

Damit bietet sich die Chance, für die doch recht gammelige Industriebrache eine Planung zu entwickeln, die eine Aufwertung für das Viertel bringt – und vielleicht sogar allen Ansprüchen gerecht wird. Für den Wunsch der Bürgerinitiative nach einem Bürgerpark aber kommt der Protest dann doch zu spät – einem Investor zu verbieten, das zu bauen, wofür er das Gelände gekauft hat, ist wohl eher illusorisch.

Vera Lisakowski

Am 24. Januar 2011 um 19.30 Uhr diskutiert das Montagsgespräch des BDA Köln im Domforum die aktuellen Planungen für das Helios-Gelände.

Website der Bürgerinitiative Helios

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Gebäude an der Ecke Heliosstraße/Vogelsanger Straße. Im Hintergrund der Leuchtturm.

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Das ehemalige Verwaltungsgebäude der Helios AG wird heute als Ärztehaus genutzt.

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Die an den Leuchtturm anschließende Rheinlandhalle beherbergt zwei Möbelhäuser, einen Fahrradladen und ein Fitnesscenter.

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Der Club ‚Underground‘ an der Vogelsanger Straße.

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Seit Jahren Brache, die Fläche an der Ecke Vogelsanger Straße/Ehrenfeldgürtel.

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Der Leuchtturm an der Heliosstraße.

8 Kommentare

Ich war in den letzten Jahren oft im ehemaligen Ostblock unterwegs, Polen usw. Die Bilder die sie oben vom Heliosgelände zeigen erinnern mich fatal an diese Zeit. Es kann doch nicht wahr sein, das es Bürger gibt die diesen Zustand auch nur annähernd erhalten möchten. Sollten z.B nach Bulgarien übersiedeln, dort gibt es diese „erhaltenswerte Architektur“ zu hauf.

Einem derart unqualifizierten Kommentar („Architekt“ vom 07.01.2011) etwas zu entgegnen fällt schwer. Den denkmalgeschützten Bestand des Helios-Geländes zu renovieren, umzunutzen bzw. die Industriebrache neu zu bebauen/bespielen leuchtet ein – ich denke, dass sich in diesem Punkt auch die engagierten Menschen der „Bürgerinitiative Helios“ einig sind. Der Widerstand wendet sich – so wie ich es verstanden habe – gegen ein Bauvorhaben, das den Bestand an Geschäften rund um die Venloer Straße gefährdet und zudem noch aller Voraussicht nach einen Verkehrskollaps zur Folge haben könnte.
Um dem Verfasser des obigen Kommentars mit der selben (platten) Polemik entgegenzutreten: jeder, der sich offen gegen eine Mitbestimmung der Bürger bei solchen Bauvorhaben ausspricht, sollte sich überlegen, ob ehemalige Ostblockstaaten nicht vielleicht eine geeignetere Heimat wäre. Dort ist ja Ihrer Meinung nach so wenig erhaltenswert (also genug Platz zum mittelmäßigen Planen und Bauen) und Bürgerinitiativen sind dort auch Fehlanzeige…

Köln ist, abgesehen von einigen Ausnahmen, bundesweit bekannt für mittelmäßiges Planen und Bauen. Die Stadt ist nicht vergleichbar mit Düsseldorf oder München, mit Hamburg schon gar nicht! Vieles wird in dieser Stadt zerredet. Es gibt auch Beispiele wo gerade so ein Bauvorhaben alteingessenen Geschäften durch neue Kunden mehr Umsatz gebracht hat. Der Leuchtturm und das Heliosgebäude muß erhalten bleiben, aber wenn man z.B. den „Club Underground“ zum denkmal-geschützten Gebäude machen will, wirds (jetzt werd ich wieder polemisch) pervers.

„Es kann doch nicht wahr sein, das es Bürger gibt die diesen Zustand auch nur annähernd erhalten möchten.“

Da muss ich Sie enttäuschen, aber gerade die alten Häuser mit Ihrer derzeitigen Nutzung stehen z.b. für mich für Vielfalt und Geschichte. Egal ob bunte Wände oder Galerien, das Underground oder auch andere Musiklokalitäten in der Ecke, da halte ich mich gerne auf und das ist interessant.
Ein „toller neuer Glaskasten“ mit genau denselben Franchise Fillialen die sowieso schon überall sind (und so endet es meiner Erfahrung nach nahezu immer wenn von „Einkaufszentrum“ die Rede ist) wären in keiner Weise mehr interessant für mich.

Das ist auch nur meine Meinung, aber gerade solche Ecken gibt es in Köln nicht viele und offenbar wissen das auch einige Bürger zu schätzen.

Dieses Areal muss dringend erschlossen werden – vor allem für die Ehrenfelder Bürger. Neben Einkaufsflächen sollte an dieser Stelle ein Hotel entstehen, dass sich an eine urbane kreative Szene richtet (z.B. ein Boutique-Hotel s. https://www.tablethotels.de/). Es gibt derzeit kein einziges gescheites Hotel in Ehrenfeld/Neuehrenfeld! Die Lage eignet sich dafür hervorragend – perfekte Anbindung zum Flughafen (20 Min.) und in die City/Messe, dazu reichlich Unternehmen in der Nähe inkl. Technologiepark. Es sollte ein Hotel mit kulturellem Anspruch sein, also mit großem Gastronomie- und Ausstellungsbereich sowohl für die Gäste als auch für die Nachbarschaft, auch eine Location für Konzerte und eine Skybar sollten darin nicht fehlen. Es darf nur kein gesichtsloses Haus werden (z.B. nH-Hotel o.ä.). Ein solches Haus wäre bestens geeignet, um die Menschen aus Ehrenfeld auf das Areal zu ziehen – ein akzeptierter Treffpunkt. International fallen mir zahllose Beispiele ein https://www.sohohouse.com/venues/houses/shoreditch-house?offset=0. Ehrenfeld ist reif.

Concerto Köln (www.concerto-koeln.de) gehört seit 25 Jahren zu den weltweit führenden Ensembles der historischen Aufführungspraxis. Hohe Auszeichnungen wie der Echo-Klassik, der Preis der Deutschen Schallplattenkritik, der Midem Classic Award oder der Grammy zeugen von der außergewohnlichen Qualität dieses Ensembles. Concerto Köln steht mit diesen Auszeichnungen beispielhaft für die qualitativ und auch quantitativ einzigartige Szene Kölns im Bereich der historischen Aufführungspraxis. Trotz dieser großen Erfolge sind die Akteure der Alten Musik alle der Freien Musikszene zuzuordnen: Keines der Ensemble wird von der Stadt oder dem Land institutionell gefördert.

Seit mehr als fünf Jahren ist Concerto Köln in der Heliosstraße zu Hause und plant und probt die Tourneen durch Deutschland und die Welt hier in Ehrenfeld. Mit zahlreichen Schülerkonzerten, insbesondere auch für die Ehrenfelder Grundschulen versucht das Ensemble, auch in dem Stadtteil präsent zu sein. In Zeiten, in denen die Ausgaben der öffentlichen Hand geringer werden und die Kultur und insbesondere die freie Szene auch von Sparmaßnahmen betroffen ist, werden private Partner umso wichtiger. Wir kämpfen daher nicht gegen die Helios Höfe, sondern sehen in dem Investor einen Partner, der Interesse hat, das Zentrum für Alte Musik zu unterstützen und an dieser Stelle zu realisieren. Für die Alte Musik in Köln tut sich hiermit die Chance auf, mit Hilfe der RheinEnergieStiftung Kultur, der Stadt Köln, dem Land NRW aber vor allem auch mit der tatkräftigen Unterstützung des Investors einen Standort zu entwickeln, der einzigartig in Europa ist und eine Bereicherung für Köln und Ehrenfeld sein kann. Mehr Informationen unter: https://concertofreunde.de/zentrum.php?main=zentrum