Der Stadt Bestes ausgerechnet in der Schildergasse zu suchen, setzt schon einen recht robusten Glauben an das Gute voraus. Der wahre Christ geht dorthin, wo die Not am größten ist. Insofern sitzt die Antonitergemeinde genau an der richtigen Stelle. Bis zu 20.000 Passanten pro Stunde wälzen sich an guten Tagen durch die Einkaufsmeile. Viele werden dabei sein, die ihre Seelennot mit neuen Sneakern zu lindern versuchen.
Und folglich öffnet sich die Antonitergemeinde furchtlos dem Trubel, anstatt ihre kleine Oase der Beschaulichkeit abzuschotten, und wuchert gar gottgefällig mit ihren Pfunden. Kirchenmusik, 10-Minuten-Andachten und auch sonst eine sehr rege „Citykirchenarbeit“ machen dieses kleine, evangelische Gotteshaus zur meistbesuchten Predigtstätte in Köln nach dem Dom.
Doch ein Feld blieb nach den Wiederaufbauten der Nachkriegszeit unbeackert: Auf dem „teuersten Parkplatz Kölns“ an der Antoniterstraße sollte ein Gemeindezentrum entstehen, um das allerdings jahrzehntelang gerungen wurde. In ähnlichen Zeiträumen dachte und plante ja auch die „Konkurrenz“ beim Neubau des Erzbischöflichen Museums. Das eindrucksvolle Ergebnis, Kolumba von Peter Zumthor, steht nur einen Steinwurf entfernt. Und so sind auch hier die Erwartungen hoch, dass das, was lange währt, in den Händen eines kirchlichen Bauherrn auch richtig gut wird.
Größer als geplant
Am vergangenen Sonntag hat die Gemeinde dafür den Grundstein gelegt. Im Sommer nächsten Jahres schon soll auf dem 3.300 qm großen Grundstück das neue AntoniterQuartier mit Gastronomie, Dienstleistung, Wohnen und Handel nach den Plänen des Kölner Architekturbüros trint + kreuder d.n.a. fertig sein. Während man von städtischen Bauvorhaben ja kennt, dass sie auf dem Weg zu ihrer Verwirklichung häufig schrumpfen, ist hier das Gegenteil der Fall. Im Vergleich zum Wettbewerbsergebnis wurde die Gebäudehöhe zur Antoniterstraße den umliegenden Gebäuden angepasst, so dass für Wohnen und Gewerbe sogar etwas mehr Nutzfläche entsteht. Das beliebte Café Stanton bleibt erst noch eine Weile erhalten, bis es dann in der letzten Bauphase auch dem Neubau weicht.
Es war eine würdige Feier, bei für Köln typischem Regenwetter. Nach einer Messe mit Chorgesang, Besinnlichkeit, sehr gelungenen Scherzen und einer Empfehlung für die anschließend kredenzte Spargelcremesuppe begab sich die Prozession zur Baustelle. Was Pfarrer Markus Herzberg über das neue Kirchenzentrum sagte – es solle zum „Ort der Begegnung, der Freiheit und Vielfalt werden“, an dem alle Menschen willkommen sind, egal wer sie sind und woher sie kommen – könnte man als frommen Wunsch ad acta legen, doch hier ist spürbar, dass eine Gruppe von Menschen zusammen gefunden hat, die diesen Geist wirklich leben.
Nächstenliebe ist das beste Argument für gute Architektur, so steht es schon in der Bibel. Das Motto in der Urkunde zur Grundsteinlegung ist ein Verse aus dem Buch des Propheten Jeremia: „Suchet der Stadt Bestes, (…) und betet für sie zum Herrn. Denn wenn ihr’s wohl geht, so geht’s auch euch wohl.“
Ira Scheibe
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