Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Zahlen, bitte!

„Wohnen in Köln“ ein Blick in die Statistik

Im Herbst 2016 lud die Kölner Oberbürgermeisterin Reker 64.000 Bürgerinnen und Bürger zu Teilnahmen an einer repräsentativen Umfrage „Leben in Köln“ ein. Rund 14.325 davon beantworteten den 16-seitigen Fragebogen, was einer Rücklaufquote von 22,8 % entspricht. Aufbauend auf den Ergebnissen der Umfrage legte die Stadt seitdem vier Themenberichte vor. Nach „Erwerbstätigkeit und wirtschaftliche Lage der Kölner Bevölkerung“, „Aktive Bürgerschaft“, „Zufriedenheit mit Köln und dem Wohnumfeld“ ist jetzt der Bericht zu „Wohnen in Köln“ erschienen. Beachtet werden sollte bei der Betrachtung der Ergebnisse, dass es es im Teilbereich „Wohnen“ nur um den frei finanzierten Wohnungsmarkt ging, ausgeklammert wurde der öffentlich geförderte, der in Köln in den letzten Jahren einen konstanten Anteil von 6,8% hat.

 

Zufriedenheit mit der Wohnung / dem Haus nach Wohnform (in % der Befragtengruppe) © Quelle Stadt Köln: Amt für Stadtentwicklung und Statistik „Leben in Köln“ Umfrage 2016

 

Mieten oder Kaufen?

Nach ihrer eigenen Situation gefragt, zeigten sich die Befragten mehrheitlich (78%) mit ihrer Wohnung/ihrem Haus (sehr) zufrieden, lediglich 5 Prozent sind sehr (sehr) unzufrieden. Auffällig, aber nicht überraschend ist, dass Eigentümer, egal ob sie nun ein freistehendes Einfamilienhaus, eine Doppelhaushälfte oder eine Geschosswohnung besitzen, grundsätzlich zufriedener sind als die entsprechenden Mieter. Köln hat einen Anteil von 36 Prozent beim Wohneigentum und liegt damit unter dem Schnitt von NRW (43 %) und unter dem Bundesdurchschnitt (51,7%). Deutlichster Ausreißer im bundesweiten Vergleich ist Berlin mit einer Eigentümerquote von nur 16 Prozent. Schaut man über die deutschen Grenzen hinaus auf Europa, liegt Deutschland hier vor der Schweiz auf dem vorletzten Platz. Die höchsten Wohneigentumsquoten mit über 90 Prozent finden sich in Rumänien, Litauen und Kroatien, allesamt Länder mit einem sehr niedrigen pro-Kopf-Einkommen. Die Verknüpfung von Wohlstand und Wohneigentum lässt sich also nicht ohne weiteres übertragen. Dass Deutschland ein Mieterland ist, hat mehrere Gründe: Gerade in den großen deutschen Städten, die wie Köln von den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs stark betroffen waren, gibt es einen großen Anteil von Mietwohnungen. Das Wohnen zur Miete ist hierzulande längst nicht so schlecht beleumundet wie zum Beispiel in Großbritannien, wo schon Uniabsolventen ganz bald die erste Sprosse auf der „property-ladder“ besteigen wollen. Und – auch wenn es vielen nicht so scheint, weil der Markt andere Wege kennt – ist Deutschland mit der derzeitigen Gesetzeslage ein mieterfreundliches Land.

 

Bewertung des Kölner Wohnungsangebots (Anteil „sehr schlecht“ und „schlecht“ in Prozent der in den Stadtteilen lebenden Befragten) © Quelle Stadt Köln: Amt für Stadtentwicklung und Statistik „Leben in Köln“ Umfrage 2016

 

Angebot und Nachfrage

Die Mehrheit der in Köln Befragten beurteilte das Wohnungsangebot als schlecht oder sehr schlecht. Dabei zeigt sich, dass die Zufriedenheit mit dem Alter und dem Besitz von Eigentum zunimmt. Alle, die wie die jüngste Altersgruppe der Studenten und Berufsanfänger sowie die Alleinerziehenden auf günstigen Wohnraum angewiesen sind, beurteilen das Angebot an Wohnungen wie die Mehrheit der Alleinlebenden zu etwa zwei Dritteln als schlecht und sehr schlecht.

Und der Markt hat schnell auf diesen Bedarf schnell reagiert. Zunehmend häufig finden sich Angebote für Micro-Apartments, die möbliert und mit einem Dienstleistungspaket zu einem überdurchschnittlichen Preis auf den Markt kommen.

Interessant ist aber auch, dass die Unzufriedenheit mit dem Wohnungsmarkt weitgehend unabhängig vom Einkommen der Befragten ist. Ob dies ein Indikator für einen generellen Mangel an Wohnungen oder für mangelnde Qualität des Angebots ist, beantwortet die Statistik leider nicht.

Etwas detaillierter wird sie in der Betrachtung der Stadtteile. In der Innenstadt sowie in den angrenzenden populären Veedeln von Nippes über Sülz, Ehrenfeld und Klettenberg, wie auch in Mülheim bewerten die Bewohner das Wohnungsangebot mehrheitlich als schlecht und sehr schlecht. Das ist nicht neu. Und seit Jahren schon setzt die Stadt auf Nachverdichtung, um Wohnraum dort zu schaffen, wo er am stärksten nachgefragt wird. Der Deutzer Hafen und die Parkstadt Süd werden in der nächsten Dekade sicher große Zahlen liefern, doch 2017 wurden im Stadtgebiet nur 2140 Wohnungen fertiggestellt, das sind im Vergleich zum Vorjahr noch einmal 10 Prozent weniger – wobei die Tendenz eine ganz andere sein müsste. Nur zum Vergleich, 2017 wurde auch der Zielwert von 1000 öffentlich geförderten Wohnungen mit 850 Wohnungen, die Förderungszusagen erhielten, deutlich unterschritten.

Die Stadt selbst erläutert die hohe Unzufriedenheit mit dem Wohnungsangebot in der Innenstadt auch damit, dass dort der Anteil der jungen Erwachsenen sehr hoch sei, und diese Bevölkerungsgruppe ziehe vergleichsweise häufig um, jeder Mieterwechsel biete wiederum die Möglichkeit die Miete bei der Neuvermietung zu erhöhen.

Höhe der monatllichen Nettokaltmiete in frei finanzierten Wohnungen (in Prozent der Befragten) © Quelle Stadt Köln: Amt für Stadtentwicklung und Statistik „Leben in Köln“ Umfrage 2016

 

Die Kostenfrage

Die durchschnittliche Nettokaltmiete in freifinanzierten Wohnungen beträgt zum Befragungszeitpunkt neun Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Im Durchschnitt bezahlt ein Haushalt in Köln  599 Euro (Nettokaltmiete). Doch erst im Vergleich wird eine solche Zahl interessant. Eine Marktanalyse von immowelt.de wurden die Mieten und Mietpreissteigerungen über 10 Jahre in 14 deutschen Großstädten verglichen. Köln ist dort mit einer Miete von 8,20€/qm im Jahr 2008 recht hoch eingestiegen, verzeichnete aber bis 2018 nur eine Steigerung um 30% und liegt damit auf Platz 13. (Führend ist Berlin mit einer nahezu irren und weiterhin ungebremsten Steigerung von 104%). Dennoch ist die Durchschnittsmiete in Köln mit 10,70 € die fünfthöchste im Ranking.

Groß sind die Unterschiede der Durchschnittmieten im gesamten Stadtgebiet, während die Mieten in Lindenthal, in der Altstadt Nord, in Marienburg und Ehrenfeld über 10 Euro liegen, zahlen Mieter in Finkenberg und Chorweiler rund 6,50 Euro pro Quadratmeter.

 

Mietbelastung (nettokalt) nach Personengruppen und Haushaltstypen (frei finanzierte Wohnungen) © Quelle Stadt Köln: Amt für Stadtentwicklung und Statistik „Leben in Köln“ Umfrage 2016

 

Setzt man die Miete in Relation zum Haushaltseinkommen, klafft die Schere noch weiter auf: Haben Haushalte mit weniger als 1.000 Euro Nettoeinkommen eine Mietbelastung von 54 Prozent, beträgt sie bei Haushalten mit mehr als 3.000 Euro Nettoeinkommen 21 Prozent oder weniger. Alleinerziehende, Arbeitslose und ältere Menschen haben eine überdurchschnittliche Mietbelastung.

 

Umzugsgründe nach Umzugsziel (Mehrfachnennungen in % der umzugswilligen Befragten) © Quelle Stadt Köln: Amt für Stadtentwicklung und Statistik „Leben in Köln“ Umfrage 2016

Es ist Bewegung in der Stadt

Etwa ein Drittel der Befragten plant innerhalb der nächsten zwei Jahre umzuziehen. Von ihnen möchten rund 70 Prozent innerhalb Kölns umziehen. Zwölf Prozent haben das Kölner Umland zum Ziel. Dabei ist für mehr als 40 Prozent der Haushalte, die beabsichtigen in den nächsten zwei Jahren umzuziehen, eine zu kleine Wohnung der wichtigste Umzugsgrund, direkt gefolgt von einer zu lauten Wohnung. Wer ins Umland zieht, ist auch deutlich unzufriedener mit der Sauberkeit und Sicherheit der Wohngegend sowie mangelnden Parkplätzen.

 

Wahrnehmung von Veränderungen im näheren Wohnumfeld (in % der Befragten, die eine Veränderung wahrgenommen haben) © Quelle Stadt Köln: Amt für Stadtentwicklung und Statistik „Leben in Köln“ Umfrage 2016

 

Dass Bewegung in der Stadt ist zeigen auch die Wahrnehmungen von Veränderungen im Wohnumfeld. Kölner Umfrage ergab, dass jeder Zweite umfangreiche Modernisierungen und deutliche Mietsteigerungen in seinem Umfeld wahrnimmt. In einigen Stadtteilen nehmen Kriminalität und Vandalismus zu, eine Tendenz, die immerhin 45 Prozent der Befragten erkannt hat. Zwei gegenläufige Trends hat jeder Fünfte erkannt: die einen bemerkten, dass die alteingesessene Bewohnerschaft wegzieht, die anderen bemerkten, dass immer mehr ärmere Leute in ihr Viertel ziehen. Etwa ein Drittel gaben an, dass lange bestehende Gaststätten und Geschäfte aus ihrem Wohnumfeld wegzögen und durch neue „schicke“ Betriebe ersetzt werden. Die Formulierung der Fragestellung legt nahe, dass die Veränderungen nur negative Auswirkungen haben, doch Erneuerungsprozesse, Generationenwechsel und eine Anpassung an den Bedarf des Umfeldes kommen einer Stadt durchaus zugute.

 

Wahrnehmung: „Die Mieten steigen im näheren Wohnumfeld auf ein kaum bezahlbares Niveau“ in den Kölner Stadteilten (in % der im Stadtteil lebenden Befragten) © Quelle Stadt Köln: Amt für Stadtentwicklung und Statistik „Leben in Köln“ Umfrage 2016

 

Detaillierte Informationen wo welche Bewegungen am stärksten ausgeprägt sind, welche Stadtteile von der Bewegung profitieren, welche darunter leiden, zeigt die Statistik leider nicht. Schlüsse darüber kann man jedoch aus der Abbildung der wahrgenommenen Mietpreissteigerungen entnehmen.

 

Die Werkzeuge und ihre Anwendung

In Fazit und Ausblick geben die Verfasser Hinweise auf die bereits für die Stadt Köln beschlossenen Instrumentarien, die helfen sollen, das Wohnungsangebot zu verbessern: Das bereits im Februar 2014 verabschiedete Stadtentwicklungskonzept Wohnen soll mit Beschlüssen zur Beschleunigung von Bauleitplanverfahren mehr Fahrt aufnehmen.

Sorge macht der inzwischen nur noch bei 6,8 Prozent liegende Anteil öffentlich geförderten preisgünstigen Wohnraums. Durch das 2010 beschlossene Handlungskonzept Preiswerter Wohnraum sollte er eigentlich höchste Priorität haben. Doch auch das 2014 eingeführte Kooperative Baulandmodell scheint hier nur marginale Auswirkungen zu haben – zu selten noch werden der Verpflichtung entsprechend 30 Prozent öffentliche geförderte Wohnungen realisiert.

 

Uta Winterhager

 

Die vollständigen Ergebnisse der Umfrage „Wohnen in Köln“ sind hier einzusehen: