Im Frühjahr 2014 lobte die Gemeinde St. Stephan in Lindenthal mit Unterstützung des Generalvikariats und in enger Abstimmung mit der Stadt einen Realisierungswettbewerb mit zehn teilnehmenden Büros für den Neubau eines Gemeindezentrums mit Kindertagesstätte aus. Mit dem ersten Preis wurde die Arbeit des Büros Lepel & Lepel ausgezeichnet. Nun sind fast drei Jahre vergangen, in denen intensiv geredet wurde, doch inzwischen sind die Bagger angerückt, um auf dem Grundstück zwischen Bachemer Straße und Herderstraße Platz für die Neubauten zu machen.

Vorgefunden haben die Architekten vor Ort bereits eine spannende Situation. Die neugotische Pfarrkirche wurde im Krieg zerstört, allein ihr Turm konnte saniert und in Form eines freistehenden Campanile erhalten werden. Das neue Kirchenschiff wurde 1958 von den damals noch ganz am Anfang ihrer Karriere stehenden Margot und Joachim Schürmann entworfen. Wie alle ihre Entwürfe scheint auch dieser Kirchenbau vollständig neu gedacht zu sein, licht und filigran, gebaut mit modernen Materialien und Techniken entstand zu Füßen des historischen Turmes ein außergewöhnliches Gotteshaus.

Zwölf blattvergoldete zwölf Meter hohe überschlanke Stahlstützen tragen das Dach eines opak-gläsernen Quaders, der geschützt in einem backsteinverkleideten, fensterlosen Umgang sitzt. Es ist ein ungewöhnliches Spiel aus Hell und Dunkel, aus Schwere und Leichtigkeit, das diese Halle so heilig macht. Doch auch vor dem Besonderen macht der Zahn der Zeit nicht halt und nach einer dringend notwendigen Sanierung konnte die Kirche feierlich wiedereröffnet werden.

Die Aufgabe des Wettbewerbs war es nun, das blocktiefe rund 5.500 Quadratmeter große Grundstück rund um die Kirche neu zu strukturieren. Gebaut werden sollte ein Gemeindehaus mit Büro- und Versammlungsräumen, eine Kindertagesstätte sowie Wohnungen. Lepel & Lepel setzen an die südliche Grenze des Grundstücks an der Herderstraße einen Riegel mit vier Geschossen plus Staffelgeschoss. Dieser Baukörper schließt eine bestehende Baulücke und nimmt mit Größe und Dachform wichtige Gestaltungsmerkmale der Nachbarbebauung auf. Gleichzeitig ordnet er seine Nutzungen – die Kita im Erdgeschoss und die darüber liegenden 15 Wohnungen – mit seiner rotbraunen Ziegelfassade deutlich den Gemeindebauten zu. Das Blockinnere, das Zentrum des Gemeindelebens, ist jedoch über einen doppelgeschosshohen Tordurchgang auch von der Herderstaße aus zu sehen zu fußläufig zu erreichen.

Auf der gegenüberliegenden Seite, an der Bachemer Straße, öffnen die Architekten den Kirchhof zum Stadtraum. Eine sanft ansteigende Treppenanlage überwindet den Höhenversprung zum Gehweg, der Zaun, der das Gelände in den letzten Jahren eingefasst hat, wird entfernt und nicht wieder ersetzt. Durch die Erweiterung des bestehenden Segmentbogenpflasters, das Kirche und Platz nun verbindet, entsteht eine große und vielfältig nutzbare befestigte Fläche, einen städtischen Kirchplatz.

Das an der Bachemer Straße neu zu bauende Gemeindehaus öffnet sich mit seinem zweigeschossigen Gemeindesaal auf den Kirchplatz und an seiner Südseite auf den Kirchgarten. Damit werden die vielfältigen Aktivitäten der Gemeinde erstmals in der Öffentlichkeit sichtbar. Hell und transparent, kann der Gemeindesaal durch eine mobile Trennwand temporär vergrößert und dem Bedarf entsprechend flexibel genutzt werden.

Einige Zeit wird die Gemeinde noch auf ihr neues Zentrum warten müssen, doch es ist jetzt schon zu sehen, dass hier eine architektonische und stadträumliche Lösung gefunden wurde, mit der die Kirche sich zwar ihren Schutzraum erhält, aber Grenzen abbaut und sich mit freundlicher Geste in die Stadt öffnet.
Uta Winterhager