Sieben Jahre haben sich die Kustoden mit dem Ausstellungsthema für die 10. Jahresausstellung in Kolumba beschäftigt. Die ursprüngliche Idee dazu lieferte eine Figurengruppe aus dem 15. Jahrhundert. Die aus dem Kölner Dom stammende Gruppe ist Teil der erzbischöflichen Sammlung und zeigt vier Schutzpatrone der Bildhauerzunft. Sie sehen aus wie echte Typen von der Straße, nur heute einmal in Heiligengewändern.
Die am eigenen Bestand orientierte Ausstellung wird um eine große Leihgabe der Hohen Domkirche und um zwei Künstlerräume erweitert, die von Chris Newman und Martin Assig realisiert wurden. Kurt Bennings »opus magnum«, der über die Dauer von vierzig Jahren entstandenen Arbeit »Burgtreswitzmensch«, widmet das Museum eine eigene Ausstellung.

Das Ich, das Selbst zum Gegenstand der Schau zu nehmen, ist aber keine Einladung zur Selbstversunkenheit, im Gegenteil, „die Ausstellung nimmt für sich in Anspruch, eine politische zu sein“ sagt Dr. Stefan Kraus bei der Vorbesichtigung, „nicht weil es politische Kunst auf den ersten Blick ist, sondern weil wir einfordern wollen, dass Kunst in ihrer politischen Dimension wahrgenommen wird.“
In einer Zeit, in der sich Terroranschläge gegen die Freiheit des Individuums richten, wird die Frage, welches Gegenbild die Kunst zur Entindividualisierung der Welt empfiehlt, stets dringender. Und so kann man sich am Anfang der Schau gewarnt und ermahnt fühlen, denn Roboter stehen da zur Begrüßung, bunte und sympathische Gesellen, aber Vorsicht, sind sie wirklich so harmlos, wie sie aussehen?

Museum in einem Nicht-Zeit Zustand
Die besondere Qualität der Schauen des Hauses besteht darin, dass Exponate nicht einfach nur an der Wand hängen oder im Raum stehen. Sie bilden Raum, nehmen in ein, verändern ihn, akzentuieren ihn. Bei dieser zehnten Jahresausstellung in Kolumba sind besonders schöne und eindringliche Wechselwirkungen gelungen. Das ist die Qualität der Räume Zumthors, die jedes Jahr eine andere Ausstellung beherbergen, und jedes Mal ein anderes Museum sind – museum in a no-time state.
Chris Newman schafft eine neue, zusätzliche Architektur, indem er den Grundriss seiner Berliner Wohnung mit hängenden Leinwänden nachstellt und abbildet. Diese sind mit mehreren Ebenen von Zeichnungen „beschrieben“, wie bei der Höhlenmalerei geht der Impuls davon aus, Alltägliches und Spirituelles zusammenzubringen.
Wohnst du noch oder lebst du schon?
Auch wenn der Satz von Ikea stammt, ist er doch museumsreif. Stefan Wewerka verbindet Möbel und Skulptur, in der Ausstellung ist ein autorisierter Nachbau seiner „CELLA“ zu sehen. In dieser Zelle ist alles da, was das Individuum zum Leben braucht, und dazu gehört für den Künstler offensichtlich unbedingt auch ausreichend Platz für Bücher.

„Me in a no-time state“ (Ich in einem Nicht-Zeit Zustand) ist der Titel von fünf Diptychen von Chris Newman, die 1994/95 entstanden sind. Newman wählt bedeutende Gemälde der Klassischen Moderne, die er ziemlich ungelenk kopiert. Wie ein seltsamer Besucher aus einer anderen Zeit steht eine Holzfigur aus dem 17. Jahrhundert mitten im Raum, eine Darstellung der Hl. Dreifaltigkeit, die mit ihrer schwungholenden Gebärde und den dreiseitigen Gesichtern scheinbar dabei ist, die ausgestellten Werke hingerissen zu erfassen.

Im großen Raum im Obergeschoß wird der Besucher Teil einer ganz besonderen Versammlung, aufgestellt sind die Archivoltenfiguren des einzigen Portals des Kölner Doms, das im Mittelalter fertig geworden ist. Und was, so Dr. Stefan Kraus, ist eine Heiligenversammlung denn anderes wenn nicht: me in a no-time state.
Ira Scheibe

Ab 15. September 2016
»Me in a no-time state« – Über das Individuum
Auftakt des Jubiläums: 10 Jahre Kolumba!
Kurt Benning – BURGTRESWITZMENSCH
Kunstmuseum des Erzbistums Köln
Kolumbastraße 4 | 50667 Köln
täglich geöffnet von 12 bis 17 Uhr, dienstags geschlossen
15. September 2016 bis 14. August 2017