Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Kompetenzstreit statt Kalligraphie

Pressemitteilung des Atelier Gökkus vom 3. Juli 2013

Als wir uns im März 2012, siehe: >>Wie der Rohbau zum Sakralbau wird, mit Orhan Gökkus, Pia Jansen und Kane Kampmann auf der Moscheebaustelle getroffen haben, standen alle Signale auf Start. Das kleine Baustellenbüro war voller Ideen und Materialien für den zu planenden Aus- und Weiterbau der Moschee, doch schon damals war die Situation so angespannt, dass wir viel weniger sehen und schließlich auch zeigen durften, als wir gerne wollten. Eine Auflage, die wir nur ungern erfüllten, doch wir ließen uns auf bald sichtbare Ergebnisse vertrösten. Seitdem sind 15 Monaten vergangen, und noch immer können wir keine Bilder der Innenraumgestaltung zeigen, weil es keine gibt.

In der nachfolgenden Pressemitteilung, die wir in leicht gekürzter Form veröffentlichen, beschreibt Orhan Gökkus, warum er sich gezwungen sieht, die Arbeit als Projektleiter niederzulegen.

Uta Winterhager

 

Pressemitteilung vom 03.07.2013:

„ … Anfang 2011 übernahm das Atelier Gökkus eine beratende Rolle für den Moscheebau. Die von Orhan Gökkus erstellten Konzepte wurden durch alle beteiligten Parteien (Büro Böhm/Ditib) genehmigt. Nach dem Ausscheiden von Böhm wurde die Planung, Projekt- und Bauleitung vollständig vom Atelier Gökkus übernommen.

Orhan Gökkus erarbeitete ein Nutzungskonzept für den Moscheekomplex und einen Masterplan für die Innengestaltung. Für das Innengestaltungskonzept bildete er ein Team mit Kane Kampmann und Pia Janssen. Die Kunsthistorikern Karin Adrian von Roques zeichnet sich als Kuratorin verantwortlich. Sie lud die international renommierte Künstler und Wissenschaftler, Dr. Ahmed Mustafa und Khaled Al Saai nach Köln ein, um an der Entwurfsplanung mit zuarbeiten. Als Atelier Gökkus entwickelten sie gemeinsam ein Innenraumkonzept … Der damalige Vorstand Ali Dere nahm von der Zusammenarbeit mit Achmed Moustafa Abstand.

Der politischen Dimension und der Aufmerksamkeit bewusst, die dem größten Moscheebau in Deutschland gezollt wird, war es dem Team Atelier Gökkus ein ernstes Anliegen mit künstlerischen Entwürfen internationaler zeitgenössischer islamischen Künstlern eine Vermittlung zwischen der islamischen und der westlichen Kultur zu bewirken. Kongenial … ist die Formensprache der Kalligrafie und der islamischen Ornamentik, die im Gestaltungskonzept in die Moderne übertragen wurde und auch den Architekten Böhm überzeugte. Recherche und Entwurfsgespräche wurden mit Firmen wie der Glashütte Derix Glasstudios, die auch Gerhard Richters Kölner Domfenster herstellten, und dem international tätigen tschechischen Unternehmen Lasvit für Glaskunst im Beleuchtungsbereich geführt. Ende April reiste Orhan Gökkus nach Ankara, um das Konzept der von der Ditib organisierten Planungskommission vorzustellen. Das Nutzungskonzept wurde für gut befunden. Für das Innengestaltungskonzept wurden aber keine Gelder freigegeben.

Im Mai organisierte Atelier Gökkus trotz der nicht freigegebenen finanziellen Mittel zur Durchführung des Konzeptes einen Workshop für die Wandgestaltung der Gebetshalle. Khaled al Saai erstellte (unentgeltlich) für alle Wände einen Entwurf, der von der Ditib abgelehnt wurde, weil er nicht nach den klassischen Formen der Kalligrafie schrieb. Der Workshop, von elf internationalen Handwerkern und Künstlern mit den frei zur Verwendung gestellten Materialien der Firmen Terrafino und Claytec durchgeführt, brachte auch für den Architekten Böhm ein zufriedenstellendes Ergebnis. Zumal im Vorfeld der Recherche in einer bauphysikalischen Analyse als Oberputz Lehm ermittelt wurde, der den schwierigen klimatischen Bedingungen des Raumes gerecht wird und sowohl technisch, gestalterisch und inhaltlich kongenial ist.

Moscheebeiratsmitglied Fritz Schramma war positiv erstaunt über das fortgeschrittene Innengestaltungskonzept und die dafür erbrachten Entwürfe. Der Beirat hatte immer wieder bei der Ditib nachgefragt, aber keine Informationen zum Stand der Innengestaltung erhalten.

Während der Arbeit an dem Konzept wurden von Orhan Gökkus und Johannes Müller parallel alle Maßnahmen auf dem Bau fortgeführt. Die Bauarbeiten waren bis auf die durch die nicht erbrachten Gutachten und die dadurch verhinderte Fortführung an den oben benannten Gebäudeteilen bis zu 80% fertiggestellt.

Nach dem erneuten Wechsel des Ditib Vorstandes (der dritte in der Bauphase), wurden die planmäßigen Konzepte von Atelier Gökkus dem neuen Vorstand vorgestellt. Eine Zustimmung oder Ablehnung erfolgte nicht. Der neue Vorstand berief eine Baukommission, die zuerst die Rechnungsprüfungen machen sollten. Durch diese Funktion der neuen Baukommission entstand die Situation, dass alle eingereichten Pläne von Atelier Gökkus mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt wurden. In den vergangenen Monaten kam es immer wieder zu Kompetenzstreitereien mit der neu installierten Baukommission von denen auch das Büro Böhm in seiner Beraterfunktion betroffen war. Dadurch entwickelten sich zunehmend Komplikationen mit dem Vorstand. Die Arbeitsabläufe wurden behindert und Aufträge an Handwerker blockiert. Mit dem Altvorstand bereits abgestimmte Baumaßnahmen wurden vom neuen Vorstand zurückgenommen bzw. geändert. Dadurch entstanden für Atelier Gökkus erhebliche zusätzliche Planungsleistungen. …

Atelier Gökkus ist ständig gehindert, seine Arbeit am Bau fortzuführen. Viele Handwerker und Führungskräfte sind unzufrieden, weil sie ihre Honorare nicht bezahlt oder zu spät mit Abzügen bekommen. Das ausgearbeitete Innengestaltungskonzept ist vom neuen Vorstand verworfen worden. Seit Anfang des Jahres ist das Atelier Gökkus für seine Leistungen nicht honoriert worden. Dieser unhaltbare Zustand, der respektlos und rechtlos ist, zwang Orhan Gökkus zu dem schweren Schritt, die Arbeit als Projektleiter mit seinem Team einstweilig nieder zulegen.“

 

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Tag der offenen Moschee

Bemüht um Dekor am Tag der offenen Moschee 2012

Foto: Uta Winterhager

Gökkus

Orhan Gökkus im Gebetsraum der Moschee bei unserem Gespräch im März 2012.

Foto: Uta Winterhager