Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Architekten sind sexy

Ein Bericht über ‚Halbgötter in Schwarz‘, der Veranstaltung von koelnarchitektur.de zur lit.COLOGNE 2005

Sie führen ein Leben zwischen den Klischees. Jedenfalls, wenn man den Arbeitsalltag von Architekten aus Romanen beurteilt. Ein Bericht von der lit.COLOGNE-Veranstaltung „Halbgötter in Schwarz“, die koelnarchitektur.de präsentierte.

Architekten sind einzigartig

Sie tragen schwarze Rollkragenpullover und fahren Porsche. Ihr Alltag besteht aus Überstunden und für den Auftrag ihres Lebens würden sie sogar ihre Traumfrau verlassen. Im Rahmen der lit.COLOGNE präsentierte koelnarchitektur mit „Halbgötter in Schwarz“ einen Leseabend, der aufräumen sollte mit den Vorurteilen über Architekten. Doch die Suche nach den Klischees misslang: Die Spezies Architekt ist schließlich einzigartig.

Fragen an die Experten

Was für ein Bild gibt er ab, der Architekt in der Literatur? Und steckt hinter den Klischees der Branche nicht auch ein Fünkchen Wahrheit? Im gerade fertiggestellten, mit 360 Gästen ausverkauften KölnTriangle in Deutz fragte Wolfgang Bachmann, Chefredakteur der Zeitschrift „Baumeister“, bei denen nach, die es wissen müssen: Seit 1993 führt Regine Leibinger mit ihrem Mann das renommierte deutsch-amerikanische Büro Barkow Leibinger Architekten in Berlin. Mit ihr diskutierten Niklas Maak, Redakteur für Kunst und Architektur im Feuilleton der F.A.Z. Sonntagszeitung, die Schriftstellerin Dagmar Leupold und Michael Vesper, Minister für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen.

Bauen aus Leidenschaft?

Mit einer Auswahl von Textauszügen, gelesen von dem Schauspieler und Sänger Bernd Tauber, stimmte Bachmann seine Gesprächsrunde zunächst auf die Frage „Bauen aus Leidenschaft?“ ein. „Sie modellierte ein Haus zwischen den Händen“ heißt es in Brigitte Reimanns Roman „Franziska Linkerhand“. Aber wie ist das Gefühl wirklich, wenn ein Haus „geboren“ wird? Über das Pathos der Autorin Reimann konnte die Architektin Leibinger nur schmunzeln. „Es ist großartig, wenn man bauen kann, aber nicht so romantisch, wie man sich das vorstellt.“

Konflikt zwischen Künstler und Dienstleister

Überhaupt würde schon die Zusammenarbeit zwischen Bauherrn und Architekten einigen Illusionen ein Ende bereiten. „Er hat das Gebäude in die Luft gejagt, weil die Baufirma seine Pläne geändert hat“, beschreibt Philipp Kerr in seinem Roman „Game Over“ das Schicksal eines Baumeisters. Bauminister Vesper zeigte sich über den Konflikt eines jeden Architekten verständnisvoll: „Sie sind einfach tragische Figuren, immer im Konflikt zwischen Künstler und Dienstleister.“ Leibinger musste sich eingestehen, dass sie Demokratie schlichtweg hasse. „Natürlich soll sich der Auftraggeber später in seinem Haus wohlfühlen, aber zuviel Mitspracherecht des Bauherrn ist einfach schädlich“, sagte die Architektin mit einem Schmunzeln. Ein passendes Beispiel sei schließlich sie selbst: Da sie sich mit ihrem Mann nie auf einen passenden Neubau einigen konnte, wohne sie jetzt in einer Altbauwohnung.

Lieber Alt- als Neubau

Tatsächlich war die Literaturwissenschaftlerin Leupold die einzige, die sich einst einen Neubau hatte bauen lassen. Weder Leibinger noch der Journalist Maak, der selbst Architektur studierte, konnten sich zu einem selbstgebauten Eigenheim durchringen. Beide wohnen sie in Wohnungen aus der Gründerzeit. Schließlich sei es einfacher, bereits bestehendes zu kritisieren und zu verändern, als seinem selbstgebauten Eigenheim Fehler einzugestehen.

Graue Schläfen und wenig Zeit

Wie erfolgreiche Architekten in der Regel aussehen, dafür gibt Stefan Heym in seinem Roman „Die Architekten“ Anregungen: „Sein Haar war voll wie je; vor ein paar Jahren war es grau an den Schläfen geworden – sein Diplomatengrau, wie er es nannte.“ In „Farfallone“ jedoch zeigt Anita Albus auch die Kehrseite dieser Spezies: „Als viel beschäftigter und verheirateter Architekt bleibt ihm für die Liebe nur gestohlene Zeit“, schreibt die Autorin über ihre Romanfigur und ergänzt sogar: „Mit zunehmenden Alter wir eine Neigung zur Fettleibigkeit sichtbar.“

Überstunden zwischen Pizzastücken und Computer

Das Klischee, Architekten würden ihr Liebesleben vernachlässigen, weil der Job 24-Stunden-Dienste von ihnen verlange, ist nicht weit hergeholt. „Noch mitten in der Nacht arbeiteten Architekten, Konstruktionszeichner, Ingenieure, Modellkonstrukteure und Computerexperten mit ihren Arbeitsteams im abgestimmten Gleichzeitrhythmus“, zeichnet Kerr in „Game over“ ein Bild vom modernen Architekturbüro. Und tatsächlich gehören Überstunden zwischen Pizzastücken und Computer zum ganz normalen Alltag. „Ich habe auch schon 48 Stunden durchgearbeitet“, erinnert sich Leibinger, die mit gemeinsam mit ihrem Ehemann das eigene Architekturbüro leitet. Noch so ein Klischee also.

Architekten sind sexy

Der Schriftstellerin Leupold versuchte Bachmann zu entlocken, warum der Baukünstler sich überhaupt als Titelheld in einem Roman eigne. „Es ist die Aura seiner Kreativität“ urteilte die Autorin entschieden, musste jedoch zugeben, dass es wohl nie einen Architekten auf dem Fernsehbildschirm geben wird. „Ein Arzt, der Herzen operiert ist eben spannender als ein Architekt, der sich die Nacht vor dem Computer um die Ohren schlägt.“ Während Professor Brinkmann Leben rette, fehle dem „Halbgott in Schwarz“ die Aura des Heilenden. Dafür fand der Journalist Maak doch noch einige Gründe, Architekt zu werden: „Sie verdienen viel Geld durch gute Projekte, haben Stil und können, selbst wenn sie arbeitslos sind, immer noch nebenbei soziale Neubausiedlungen erfinden.“ Architekten sind also sexy. Wenn das mal kein Anreiz ist.

Annika Wind

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Der Vorleser: Bernd Tauber

Foto: Florian Schwinge

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Die Diskutanten: Dagmar Leupold, Niklas Maak, Regine Leibinger, Michael Vesper und Moderator Wolfgang Bachmann (v.l.n.r.)

Foto: Florian Schwinge

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Michael Vesper

Foto: Florian Schwinge

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Der Film: Ayn Rand, The Fountainhead, Plume Book

Foto: Florian Schwinge