Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Der Blick von unten

Trotz jahrelangem Vorlauf und einem entschiedenen Architektenwettbewerb ist die Geschichte des geplanten Kulturzentrums am Neumarkt bislang alles andere als eine Erfolgsstory. Vielmehr ist der Umgang mit diesem kulturpolitisch und städtebaulich wichtigen Projekt von politischem Hin und Her und offenbar von einer Reihe von „Missverständnissen“ geprägt, als deren vorläufiges Ergebnis lediglich ein „Loch“ zu verzeichnen ist.

Vor dem Hintergrund des ursprünglichen Wettbewerbsbeitrages, alternativer Planungen zum städtischen Kontext und der Diskussion über den idealen Ausstellungsbau hat koelnarchitektur.de die Entwicklung vom ersten Protest über den letzten Spartenstich bis zum derzeitigen Stand der Dinge begleitet und zusammengetragen.

Neue Sichtweisen formiert der Blick von unten. Die beste Übersicht ermöglicht ein 360° Bild, direkt vom Ort des Geschehens.

Mit Interviews und Stellungnahmen will koelnarchitektur.de diese Diskussionen für die Kölner Museumslandschaft fruchtbar machen. Daher wird das Spezial zum „Kölner Loch“ auch in Zukunft fortgeschrieben.

Artikel zum Thema:

->Alles wird gut ! 21.06.2005

->Warten auf Schafhausen 09.05.2005

->Das Loch als Chance 02.03.2005

->Synergieeffekt oder städtebauliche Präsenz? 25.03.2004

->Heliport 07.11.2003

->2010 20.08.2003

->Köln braucht eine Kunsthalle 20.08.2003

->“Ärgerlicher Aggregatzustand“ 24.07.2003

->Museum statt Loch? 21.07.2003

->Chance vertan? 08.07.2003

->Muß wer A sagt auch B sagen? 14.10.2002

Rautenstrauch-Joest-Museum Planungsstand Juli 2002

Ab ins Loch! Quicktime-VR-Panorama direkt aus dem Kölner Loch:

utopia station

Plakat der Initiative zur ‚utopia station‘ auf der Bienale in Venedig 2003

abbruch

‚…..als die Abrißbirnen einsetzten waren die Unwägbarkeiten noch nicht bekannt.‘ Oberbürgermeister Fritz Schramma

Foto: Ilka&Andreas Ruby/textbild

1 Kommentar

Zur soziologischen Psychologie der Löcher

Daß die wichtigsten Dinge durch Röhren
gethan werden. Beweise: erstlich die
Zeugungsglieder, die Schreibfeder und
unser Schießgewehr. Lichtenberg

Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist.
Das Loch ist ein ewiger Kompagnon des Nicht-Lochs: Loch allein kommt nicht vor, so leid es mir tut. Wäre überall etwas, dann gäbe es kein Loch, aber auch keine Philosophie und erst recht keine Religion, als welche aus dem Loch kommt. Die Maus könnte nicht leben ohne es, der Mensch auch nicht: es ist beider letzte Rettung,
wenn sie von der Materie bedrängt werden. Loch ist immer gut. Wenn der Mensch hört, bekommt er Assoziation: manche denken an Zündloch, manche an Knopfloch und manche an Goebbels.
Das Loch ist der Grundpfeiler dieser Gesellschaftsordnung, und » ist sie auch. Die Arbeiter wohnen in einem finstren, stecken immer eins zurück, und wenn sie aufmucken, zeigt man ihnen, wo der Zimmermann es gelassen hat, sie werden hineingesteckt, und zum Schluß überblicken sie die Reihe dieser Löcher und pfeifen auf
den letzten. In der Ackerstraße ist Geburt Fluch; warum sind diese Kinder auch grade aus diesem gekommen? Ein paar Löcher weiter, und das Assessorexamen wäre ihnen sicher gewesen.
Das Merkwürdigste an einem Loch ist der Rand. Er gehört noch zum Etwas, sieht aber beständig in das Nichts, eine Grenzwache der Materie. Das Nichts hat keine Grenzwache: während den Molekülen am Rande eines Lochs schwindlig wird, weil sie das Loch sehen, wird den Molekülen des Lochs . . . festlig? Dafür gibt es kein Wort. Denn unsre Sprache ist von den Etwas-Leuten gemacht; die Loch-Leute sprechen ihre eigne.
Das Loch ist statisch; Löcher auf Reisen gibt es nicht. Fast nicht.
Löcher, die sich vermählen, werden ein Eines, einer der sonderbarsten Vorgänge unter denen, die sich nicht denken lassen. Trenne die Scheidewand zwischen zwei Löchern: gehört dann der rechte Rand zum linken Loch? oder der linke zum rechten? oder jeder zu sich? oder beide zu beiden? Meine Sorgen möcht ich haben.
Wenn ein Loch zugestopft wird: wo bleibt es dann? Drückt es sich seitwärts in die Materie? oder läuft es zu einem ändern Loch, um ihm sein Leid zu klagen – wo bleibt das zugestopfte Loch?
Niemand weiß das: unser Wissen hat hier eines.
Wo ein Ding ist, kann kein andres sein. Wo schon ein Loch ist: kann da noch ein andres sein?
Und warum gibt es keine halben Löcher?
Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein entwertet; weil an einer Stelle von ihnen etwas nicht ist, gilt nun das ganze übrige nichts mehr. Beispiele: ein Fahrschein, eine Jungfrau und ein Luftballon.
Das Ding an sich muß noch gesucht werden; das Loch ist schon an sich. Wer mit einem Bein im Loch stäke und mit dem ändern bei uns: der allein wäre wahrhaft weise. Doch soll dies noch keinem gelungen sein. Größenwahnsinnige behaupten, das Loch sei etwas Negatives. Das ist nicht richtig: der Mensch ist ein Nicht-Loch, und
das Loch ist das Primäre. Lochen Sie nicht; das Loch ist die einzige Vorahnung des Paradieses, die es hienieden gibt. Wenn Sie tot sind werden Sie erst merken, was leben ist. Verzeihen Sie diesen Abschnitt; ich hatte nur zwischen dem vorigen Stück und dem nächsten ein Loch ausfüllen wollen.

(Kurt Tucholsky 1931)