Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Köln will nicht sehen lernen

SEHSTATION, ein Projekt der StadtBauKultur NRW, scheitert an der Stadtverwaltung

Im August sollte das Tourneefinale unter dem Motto „Köln anders sehen“ auf dem Opernplatz stattfinden.

Sich mit geschultem Blick einer Sache anzunehmen, verheißt Verbesserung für die Sache selbst. In diesem treuen Glauben konzipierten die Mitarbeiter der StadtBauKultur NRW ein Projekt, das den Stadtbewohner sehen lehren will. Die 2007 vom Wettbewerbssieger Andy Brauneis entwickelte mobile SEHSTATION setzt der Architektur Rahmen, so daß man ein neues Bild von ihr bekommt.

Bühne frei für Architektur

Die zentrale SEHSTATION ist eine begehbare hölzerne Bühne, die sich in die Tiefe verjüngt und nach hinten öffnet. Die Stirnflächen der Rahmenabschnitte haben leuchtende Farben, genauso wie die zehn weiteren im Stadtraum verteilten Holzrahmen. Nicht die üblichen „Sehenswürdigkeiten“ rücken die Seh-Rahmen in den Blick, sondern Plätze und Orte, die typisch für aktuelle Entwicklungen und Potenziale in den einzelnen Städten sind. Diskussionen und Veranstaltungen mit Akteuren vor Ort begleiten den Aufenthalt.

Im Startjahr 2008 haben Aachen, Essen, Duisburg und Münster den Mut bewiesen, sich dieser kontroversen Sichtweise zu stellen, 2009 kamen Düsseldorf, Bonn, Lemgo, Siegen und Oberhausen hinzu. Die diesjährige und letzte Tournee startete Ende April in Rheda-Wiedenbrück, geht im Juni nach Dortmund und im Juli nach Bielefeld. Das Finale unter dem Motto „Köln anders sehen“ sollte im August auf dem Offenbachplatz stattfinden.

Köln weiß, was Baukultur ist

Denn dieser Platz steht für „die beispielhafte Einmischung der Stadtbewohner für den Erhalt des Schauspielhauses, die geplante Sanierung der bedeutenden Riphahn-Oper aus den fünziger Jahren, die weiterhin umstrittende Nord-Süd-Fahrt“, so Ulrike Rose, Leiterin der Initiative StadtBauKultur NRW. Im Fokus wäre ebenfalls die andere Straßenseite, „der Beweis, dass Köln sehr wohl weiß, was Baukultur ist mit Kolumba und Disch-Haus.“

Bernd Streitberger lehnte das Projekt SEHSTATION nicht grundsätzlich ab: „Es war lediglich nicht möglich, den ursprünglichen Standortwunsch Offenbachplatz der Kampagnenleitung zu erfüllen“, schreibt er in einer Stellungnahme. Als Alternative bot die Stadt den Harry-Blum-Platz an. Doch dieser Ort ist für das Projekt gar nicht geeignet, da er kein öffentliches Gelände ist, nicht an zentraler Stelle in der Stadt liegt und auch nicht repräsentativ für Kölns städtebauliche Verfassung in der Innenstadt ist.

Ulrike Rose zog das Projektangebot, das für die Stadt Köln kostenlos gewesen wäre, daraufhin zurück: „Ich bedauere die Absage der Stadt Köln, den Offenbachplatz für die SEHSTATION zur Verfügung zu stellen. In Köln gibt es meiner Meinung nach keinen besseren Ort als den Offenbachplatz, der Baukultur so umfassend in all seinen Facetten abbildet. Wie schade, dass sich die Stadtverwaltung Kölns nicht traut, auf dem Offenbachplatz in der SEHSTATION den Dialog mit den Bürgern über die Entwicklung der Stadt weiterzuführen.“

Verschenktes Potenzial

Auch Christian Wendling, Geschäftsführer vom Haus der Architektur Köln, bedauert dies: „Wir haben in diesem Festival ein großes Potential für Köln gesehen, daher wollten wir die Koordination übernehmen. Vierzig Initiativen aus dem Bereich Baukultur hatten ihr Interesse angemeldet. Hier wurde eine einzigartige Gelegenheit verschenkt, eine breite Öffentlichkeit an das Thema Baukultur heranzuführen und darüber zu diskutieren.“

Daß sich eine gewisse Konfliktscheu angesichts einer sehr kritikfreudigen Öffentlichkeit hinter dem lahmen Vorschieben von Sachzwängen verbirgt, wäre eigentlich noch die hoffnungsvollere Diagnose – Energielosigkeit und Unlust sind das schlimmere Übel.

Ira Scheibe

Landesinitiative StadtBauKultur NRW

Als erstes Bundesland in Deutschland begründete NRW im Jahr 2000 eine Initiative zur Verbesserung der Baukultur. Sie ist angesiedelt beim Ministerium für Bauen und Verkehr, in ihr kooperiert die Landesregierung NRW mit der Architektenkammer, der Ingenieurkammer-Bau, der Arbeitsgemeinschaft der Kommunalen Spitzenverbände, der Vereinigung der Industrie- und Handelskammern, den Verbänden der Bau- und Wohnungswirtschaft und den Künstlerverbänden in Nordrhein-Westfalen. Seit Oktober 2002 wird die Initiative von dem Europäischen Haus der Stadtkultur auf dem ehemaligen IBA Emscher Park Gelände Rheinelbe in Gelsenkirchen koordiniert.

Weiterführende Links

Zur Internetseite der Initiative >>>StadtBauKultur NRW

Zur Internetseite der Kampagne >>>SEHENLERNEN

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SEHEN LERNEN – Eine Kampagne zur Sensibilisierung für die gebaute Umwelt. Der Siegerentwurf wurde gekürt.

Aus- und Aufblicke: nach 12 Stufen erreicht der Besucher die zweite Öffnung in luftiger Höhe.

Foto: Initiative StadtBauKultur NRW

Die Hauptstation ist eine begehbare hölzerne Bühne von sieben mal sieben Meter Größe und 12 Meter Tiefe. Die Stirnflächen der Rahmenabschnitte sind leuchtend bunt, die Kompartimente verjüngen sich nach hinten zum offenen Ende hin.

Foto: Uta Winterhager

Bühne frei für die Architektur. Der Architekt Andy Brauneis konzipierte diese mobile SEHSTATION als Ergebnis eines 2007 ausgelobten Wettbewerbes.

Die Bonner Sehstation fasste das Münster und das Universitätshauptgebäude in einen Rahmen.

Foto: Uta Winterhager

„Das Wichtigste in der Kunst ist der Rahmen,“ fand ja schon Frank Zappa. Der Blick auf die Dinge ändert sich, je nachdem womit man sie einrahmt.

Sichtfenster Medienhafen Düsseldorf 2009

Foto: Initiative StadtBauKultur NRW

2 Kommentare

Der Kölner an sich ist zu faul zum Diskutieren…
Konsens oder keinen, darauf kommts an.

Stadtver(ge)walt(ig)ung gegen Kultur!!!
Motto:
„Kost nix- ess nix!!!“