Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Hinter den Kulissen

„Visionen und Alpträume – Die Stadt der Zukunft im Film“, Ausstellung und Filmreihe des Filmmuseums Düsseldorf im NRW-Forum.

„Och nee, nicht schon wieder“, denkt selbst der geneigteste Besucher, wenn ihn eine nachgebaute Kulisse aus „Metropolis“ in einer Ausstellung über Filmarchitektur begrüßt. In Düsseldorf lohnt es sich – im wahrsten Sinne des Wortes – hinter die Kulissen zu blicken.

Der „Turm zu Babel“ aus Fritz Langs Science-Fiction-Klassiker „Metropolis“ von 1927 steht im Eingang des ersten Raumes der Schau „Visionen und Alpträume – Die Stadt der Zukunft im Film“ im ehemaligen NRW-Forum. Daran anschließend direkt Kolonnen der Arbeiter im Pappnachbau und einige Kostüme. Was dies mit Architektur zu tun hat, erschließt sich nicht direkt – davon abgesehen, dass „Metropolis“ immer dann zitiert wird, wenn es um Architektur im Film geht. Vermutlich inspirierte ein Besuch in New York 1924 Fritz Lang zu der ausdrucksstarken Filmstadt, die mehr als nur Kulisse für eine plakative Handlung ist. Lang war aber auch vorbelastet: Sein Vater war Architekt, er selbst studierte zunächst Bauingenieurwesen, bevor er sich der Kunst und später dem Film zuwandte.

Kulissenmalerei

Und mit den Zeichnungen zum Film wird es dann auch interessant: Sie deuten an, wie aus der ursprünglichen Utopie eine Dystopie wurde, die Stadt zunächst einen freundlichen Charakter hatte, mit der weiteren Entwicklung der Filmidee aber immer düsterer wurde. Im Filmausschnitt zur Filmtechnik wird dann erklärt, dass die Entwurfszeichnungen für die Kulissen teilweise gleich im Film verwendet und abgefilmt wurden. Die übrigen Kulissen bestanden größtenteils aus Modellen – und die wurden aufwändig bespielt: „Acht Tage Arbeit für zehn Sekunden Film“, vermerkte Kameramann Günther Rittau nach tagelangem Abfilmen von Modellautos, die nach jeder Einzelaufnahme um Millimeter bewegt wurden, um den Verkehrsstrom auf der Hauptverkehrsader der Stadt zu zeigen.

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Fritz Lang erdachte die ausdrucksstarke Filmstadt ‘Metropolis’. Der Nachbau der Kulisse ist im NRW – Forum zu sehen. Fotograf: Christoph Göttert

 

Finstere Zukunft

Um wie vieles leichter macht es da die heutige digitale Technik, die Regisseuren hilft, ihre Ideen von Stadt zu verwirklichen. „Star Trek into Darkness“ oder „Cloud Atlas“ aus den Jahren 2013 und 2012 werden, neben zahlreichen anderen Filmen, als Beispiele angeführt. Der weitere Schwerpunkt der Schau im zweiten Raum widmet sich aber „Blade Runner“ von Ridley Scott aus dem Jahr 1982. Auch hier führen nachgebaute Kulissen in den Ausstellungsraum. Ein schwarzer Gang und Zellen werden angedeutet – ob die Anmutung vom Inneren einer Mülltüte allerdings Absicht oder Unvermögen ist, wird nicht aufgelöst. Es soll wohl die düstere Zukunftsvision von „Blade Runner“ verdeutlichen, der im Los Angeles von 2019 spielt, verseucht und so überbevölkert, dass ein besseres Leben auf fernen Planeten angestrebt wird.

Vermeintlich heile Welt

Dieses Bild von der Stadt der Zukunft mag durchaus dem skeptischen Blick der 1980er Jahre entsprungen sein. Dass aber fast alle in Bildtafeln und kurzen Texten angeführten Filme negative Zukunftsvisionen zeigen, ist sicher eher der Tatsache geschuldet, dass die Dystopie den viel besseren Filmstoff bietet, als eine heile zukünftige Welt. Und selbst wenn die Vorstadt im Film nicht bedrohlich, sondern ganz normal wirkt, steht sie nur im Gegensatz zur herrschenden Unterdrückung und dem sich einschleichenden Grauen – so im Film „Fahrenheit 451“, über eine hedonistische Gesellschaft, in der das Lesen von Büchern verboten ist.

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Der Kulissennachbau aus “Blade Runner” von Ridley Scott aus dem Jahr 1982. Fotograf: Christoph Göttert

 

Kritik am Architekten

Mit der Architektur an sich setzen sich die meisten Regisseure nur am Rande auseinander, oft ist sie tatsächlich nur Kulisse. Anders zum Beispiel Jacques Tati mit „Mon Oncle“ aus dem Jahr 1958. Hier wird die Gegenwelt von moderner Architektur und Altbau präsentiert. Das durchdesignte, schicke Einfamilienhaus der Familie Arpel erinnert an die französische Moderne, besonders an Le Corbusier, ist aber furchtbar unpraktisch und engt die Familie trotz seiner Großzügigkeit ein. Anders der Altbau, in dem der unkonventionelle Onkel lebt: Absurd verschachtelt sorgt er doch für die Freiräume zum Leben. Der Film wurde in Cannes und mit einem Oscar ausgezeichnet, die Architekten der Zeit aber reagierten aufgebracht – wie schon in „The Fountainhead“ von King Vidor (1949) wurde ihre Rolle als Geschmacksinstanz der Bauherren angegriffen. Dabei kritisierte Tati nicht zwangsläufig die zeitgenössische Architektur, sondern den Wandel von der Avantgarde zum kleinbürgerlichen Statussymbol.

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Neben Kulissen werden auch Modelle in der Ausstellung gezeigt, wie hier ‚Raumschiff Enterprise’. In der Kult-Science-Fiction-Fernsehserie aus den 1960er-Jahren »….drang die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.« Fotograf: Christoph Göttert

 

Filmisches Begleitprogramm

Diese Zusammenhänge sind spannend, drohen aber in der Masse der präsentierten Filme unterzugehen, in denen die Architektur oft nur Nebensache ist. Eine Fokussierung hätte womöglich auch den Ausstellungsmachern geholfen, die Informationen zu sortieren. Zu oft stimmen Beschriftung und Bilder nicht überein, Hinweise auf Architekturideen, die Regisseure verwirklichen oder darstellen wollten, fehlen. So geht es mehr um Science-Fiction-Filme mit Architekturkulisse. Trotzdem lockt die Schau, sich ins Thema zu vertiefen und vielleicht auch, die ganzen Filme anzusehen: Ausstellung und filmisches Begleitprogramm laufen noch bis August.

Vera Lisakowski

 

„Visionen und Alpträume – Die Stadt der Zukunft im Film“
NRW-Forum
Ehrenhof 2
40479 Düsseldorf
Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, Freitag bis 20 Uhr

 

Hompage der >>Quadriennale, in deren Rahmen die Ausstellung läuft

>>Filmreihe zur Ausstellung