Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Der lange Weg zum Schwarzen Quadrat und wieder zurück

„Kasimir Malewitsch und die russische Avantgarde“ in der Bundeskunsthalle, Bonn

Immer mal wieder blickt koelnarchitektur auch nach Bonn. Hier verlassen wir nicht nur unsere Heimatstadt, sondern unternehmen einen für Architekten durchaus inspirierenden Ausflug in die Kunstgeschichte.

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Kasimir Malewitschs „Selbstporträt in zwei Dimensionen“ (1915) hängt so herum wie anders herum richtig. Öl auf Leinwand, Stedelijk Museum, Amsterdam
Foto: Uta Winterhager

 

„Das Quadrat ist nicht das Bild. So wie der Schalter und der Stecker auch nicht der Strom sind.“, sagte Kasimir Malewitsch 1927. Da hatte er schon alles ausprobiert, Impressionismus, Symbolismus, Fauvismus, Kubismus, Futurismus, alle Stilrichtungen der Moderne hat er zugelassen und probiert. Großes Aufsehen hatte der Russe Malewitsch (1879–1935) auch im Westen durch seine suprematistische Malerei erregt, bei der er, zur Darstellung des Geistigen auf die Abbildung alles Sichtbaren verzichtete – Höhepunkt hier 1915 ein Schwarzes Quadrat.
Die nun in der Bonner Bundeskunsthalle gezeigte retrospektive Werkschau wurde bereits im Stedelijk Museum Amsterdam gezeigt und wird weiter in die Tate Modern in London reisen, doch jedes Museum kuratiert seine Schau selbst, kann somit eigene inhaltliche Schwerpunkte setzen. Zahlreiche internationale Leihgeber konnten für die Ausstellung gewonnen werden, zum erstem Mal zusammen geführt werden hier Teile der Sammlungen von Nikolai Chardschijew und George Costakis, zwei Pionieren, die mutig und kunstsinnig die russischen Avantgarde schon sammelten, als die abstrakte Kunst in der Sowjetunion noch verboten war.

Von der Ikone zum Quadrat

Den Rundgang eröffnet das Selbstporträt in zwei Dimensionen (1915), das einen solch hohen Abstraktionsgrad zeigt, dass es auch kopfüber hängen kann. In Bonn schwebt es als Manifest säulengerahmt in einer der kreisrunden Nischen, die Peichels Kegel im Inneren des Museums abbilden. Der daran anschließende Rundgangs durch 13 Räume und drei Jahrzehnte künstlerischen Schaffens (von 1903 bis 1933) zeigt Malewitschs Lebenswerk in chronologischer Folge, und endet dort, wo er begonnen hat, bei der figürlichen Darstellung, dem Porträt.

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Kasimir Malewitsch, Selbstportrait, 1908–1910, Aquarell und Gouache auf Papier
Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau

 

Über 300 Gemälde, Zeichnungen, Kostümentwürfe, aber auch Architekturmodelle und Alltagsgegenstände laden dazu ein, Malewitsch auf dem Weg von der Figuration zur Abstraktion zu folgen, der ihn um 1917 in eine schöpferische Sackgasse geführt hatte: Nach dem Höhepunkt seiner weiß-auf-weißen Gemälden konnte nichts mehr kommen, so dass er nach einer Dekade, in der er lehrte und nicht malte, noch einmal bei der figürlichen Malerei begonnen hat.

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Kasimir Malewitsch, Rotes Quadrat (Malerischer Realismus einer Bäuerin), 1915, Öl auf Leinwand,
Staatliches Russisches Museum, St. Petersburg

Malewitschs Werken aller Epochen werden punktuell die seiner Zeitgenossen, darunter El Lissitzky und Olga Rosanowa, gegenüber gestellt, die er als Theoretiker wie auch als Künstler beeinflusst hat. Überraschend aber durchaus schlüssig sind die starken Bezüge in der Anordnung der geometrischen Formen und der Farbsymbolik der suprematistischen Kompositionen zu den drei altrussischen Ikonen, die von den Staatlichen Russischen Museen St. Petersburg geliehen werden konnten.

 

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Kasimir Malewitsch, Supremus Nr. 55, 1916, Öl auf Leinwand
Regionales Kunstmuseum F. A. Kowalenko, Krasnodar

 

Von der Form ohne Funktion

Die Ausstellungsarchitektur des Niederländers Marcel Schmalgemeijer unterstützt die unaufdringliche Ausstellungsdidaktik. Starkfarbige, dunkle Wände und weißer Hintergrund im Wechsel erden die figürlichen Darstellungen oder lösen sich hinter den abstrakten auf. Schön platziert sind die Achsen, durch die Ein Engländer im Moskau (1914) schon früh in den Fokus gerückt wird, aber nur so lange bis der Blick der Besucher auf ein Rotes Quadrat (Malerischer Realismus einer Bäuerin), 1915 gelenkt wird, das den Beginn einer neuen Epoche markiert.

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Kasimir Malewitsch, „Zeta“Original von 1923, rekonstruiert von Poul Pedersen 1989, Gips, Leihgabe des Centre Pompidou, Paris
Foto: Uta Winterhager

 

In Raum 8 werden Skizzen und Gipsmodelle von Malewitschs Architektona gezeigt. Räumliche Konstruktionen, die an Hochhauskomplexe erinnern, doch ohne Maßstab und Funktion gedacht wurden. Denn in der Folge der suprematistischen Malerei ging es Malewitsch auch bei der suprematistischen Architektur nur um die reine Form ohne praktischen Zweck. Manche nannte er Planiten, sie sollten künftigen Erdbewohnern als Behausung dienen. Wenn auch technisch unmöglich, inspirierten sie Generationen von Architekten und Visionäre, als Malewitsch selbst wieder porträtierte.

Uta Winterhager
8. März – 22. Juni 2014

Weitere Informationen zur Ausstellung „Kasimir Malewitsch und die russische Avantgarde“ finden sich auf der homepage der >>Bundeskunsthalle, Bonn.