Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Der Kölner Architekturpreis 2021

DIE AUSZEICHNUNGEN

Was für ein Fest: Fünf Auszeichnungen und fünf Anerkennungen konnten bei dem diesjährigen Kölner Architekturpreis an die jeweiligen Architekt*innen mit ihren Bauherr*innen gerichtet, die mit diesem Preis gemeinsam gewürdigt werden vergeben werden. Die durchgängig hohe Qualität aller 66 eingereichten Arbeiten von 52 Architekturbüros hatte es der Jury nicht leicht gemacht.

Donatella Fioretti, Berlin als Vorsitzende der Jury zusammen mit Anne Kaestle, Zürich; Thomas Kroeger, Berlin; Laura Weißmüller, München und Marcel Odenbach © Foto Marie Kreibich

In diesem Jahr wird der Kölner Architekturpreis nun schon zum 14. Mal vergeben. Im Jahr 2017 feierte er sein 50-jähriges Bestehen und gehört mit zu den ältesten deutschen Architekturpreisen. Er wird für vorbildliche Bauwerke (Neubau, Umbau, Ausbau), städtebauliche Anlagen, Freianlagen und Interventionen im öffentlichen Raum in Köln und Umgebung verliehen. Dazu gehören nicht nur prominente Projekte, sondern ebenso die alltäglichen Bauaufgaben, die das Gesicht unserer Städte und Landschaften prägen. Die Auszeichnung soll dazu beitragen, das öffentliche Bewusstsein für Baukultur zu schärfen und die kulturelle Relevanz des Planens und Bauens zu verdeutlichen.

AntoniterQuartier, trint+kreuder d.n.a.

AntoniterQuartier von trint+kreuder d.n.a © Foto: Christian Richters

In einer städtebaulich sehr schwierigen Situation ist den Architekten eine auf mehreren Ebenen überzeugende Lösung gelungen. Zwischen zwei intensiv genutzten Verkehrsverbindungen, auf der Rückseite einer mehrspurigen schlecht überwindbaren Schnellstraße und auf der Vorderseite eine der beliebtesten Fußgängerzonen, bildet das von trint+keuder gebaute Gebäudeensemble, einen Ort der Stille und Begegnung.

Flankiert von dem dominanten Solitär von Renzo Piano und der kleinen, fast bescheidenen gotischen Antoniterkirche ist es den Architekten geglückt eine städtische Situation zu schaffen, die sich baulich gestaffelt öffnet, gleichzeitig, aber intime Situationen anbietet. Die Strukturierung der Baukörper setzt sich auf der einen Seite selbstsicher, fast hochnäsig dem gläsernen Kaufhaus entgegen und auf der anderen Seite bindet sie wie eine Spange die filigrane mittelalterliche Kirche mit ein. Durch einen überzeugenden architektonischen Rahmen entstehen im Außenbereich Orte in unterschiedlichen Qualitäten, die der städtischen Hektik eine Alternative bieten.

Mit dem Antoniterquartier hat der Auftraggeber und die Architekten einen Komplex geschaffen, der auch eine Neuorientierung der Kirche nach außen hin projiziert. Es entstand ein innerstädtisches Zentrum, das neben der Gemeindefunktion, der caritativen Betreuung, auch gewerbliche Nutzungen, sowie Wohnflächen miteinander vereinigt. Sie bilden souverän ein gemeinsames Ganzes, das sich fast selbstverständlich in das Kölner Stadtbild eingliedert. Die Fassadengestaltung, sowie die Ausführungen im Innern, strahlen in ihrer gezielt eingesetzten Schlichtheit, eine puristische Eleganz aus, die der sozialen Struktur der Nutzung entspricht.

Der Gebäudekomplex überzeugt in städtebaulicher, architektonischer und funktionaler Hinsicht und hat eine Auszeichnung verdient.

aus dem Protokoll des Preisgerichts

Feuerwehrzentrum Köln-Kalk, Knoche Architekten Leipzig

Feuerwehrzentrum Kalk, Knoche Architekten © Foto: Roland Halbe

Begeisterung macht sich breit. Das Versprechen der Zeichnungen und die Ahnung, welche die Fotografien versprachen, lösen sich bei dem gemeinsamen Besuch der Jury schon aus der Ferne ein. Es ist ein grauer, stürmischer Tag und der wilde Wolkenhimmel scheint sein ruhiges Pendant in der rhytmisch organisierten, verzinkten Stahlblechfassade zu finden. Wir werden von einem Feuerwehrmann empfangen und in die komplexe Struktur des Gebäudes und seiner Funktionen mitgenommen. Von der Kleiderkammer über die Reinigungsräume der Löschschläuche bis zu den Hallen des rot blitzenden Fuhrparks – leuchtende Augen! Es ist eine Kunst einerseits die mannigfaltigen Abläufe und Notwendigkeiten funktional auf den Punkt zu bringen und anderseits das Gebäude und seine Räume über Materialität, Farbigkeit und Detail zu beruhigen und wertig zu gestalten.

Spätestens im Bereich der Ruheräume und dem Öffnen der versteckt liegenden Rutschstange ist es auch um den letzten geschehen. Hier möchte man Feuerwehrfrau und Feuerwehrmann sein. Die Übung des Rutschens muss verschoben werden, denn der Weg führt weiter nach oben in die schöne, lichte Sporthalle und die angenehmen Aufenthaltsbereiche welche sich kompromisslos in das große Ganze fügen. Von hier hat man den Blick über das mäandernde Gebäudeensemble mit seiner klug gegliederten Fassade und Volumetrie. Sie sind rar, die sachlichen Gebäude, welche sich auf das wesentliche reduzieren und dabei nicht ihre Poesie verlieren. Der Stolz der Berufsfeuerwehr uns durch Ihr Haus zu führen ist nur zu gut nachvollziehbar und es steht ausser Frage, daß wir dieses Haus als ausgezeichnet betrachten.

aus dem Protokoll des Preisgerichts

Schulerweiterung und Wohnen, Köln-Lindenthal

Schulerweiterung und Wohnen, LRO Architekten © Foto: Roland Halbe

In einer städtebaulich heterogenen Situation mit der ikonografischen Kirche von Gottfried Böhm und dem Schulkomplex aus den1990er Jahren bildet der Neubau ein verbindendes Element und ordnet die bestehende Situation sowohl architektonisch als auch städtebaulich.

Mit einer großen Selbstverständlichkeit und Einfachheit werden die Übergänge zum Bestand gestaltet – anstatt des Neubaus mit einer „Fuge“ zur Kirche zu realisieren, setzt er mit einem separierten Baukörper direkt an die Kirche an und schafft so einen „Auftakt“ und bravourösen Übergang von alt zu neu. Mit der gleichen Sensibilität entwickelt sich die Höhe des Hauptbaukörpers mit Mensa, Übungsräumen und Chorraum, der dem Wohnungsbau als zweigeschossiger Sockel dient.

Dieser wohlüberlegte Umgang mit Proportionen, der sich im Außen abzeichnet, setzt sich im Innern in der Raumabfolge und den Raumgeometrien fort. Der introvertierte, zweigeschossige Erschließungsgang, der über runde Dacheinschnitte belichtet wird, zelebriert Enge und Weite, Geschlossenheit und Offenheit. Fast kann man von einer sakralen Anmutung sprechen. Die Übungsräume als kleine Raumzellen bilden einen Kontrapunkt und setzen gleichzeitig mit ihren konisch verlaufenden Zugängen das Thema von Enge und Weite fort.

Dieser Umgang mit Themen und Formen, die den gesamten Entwurf durchwirken und sich sowohl im Großen als auch im Kleinen wiederfinden, zeichnet den Neubau aus. Das Motiv der Rundungen zum Beispiel zeigt sich in dem zweigeschossigen Erschließungsraum, in der Detaillierung der Deckenbeleuchtung, in den Oberlichtern und
nicht zuletzt in dem großen Rundbogenfenster der Mensa. Die Verbindung oder das Verhältnis von Innen und Außen, dem der Aspekt der Lichtführung inhärent ist, und das unter anderem in der gezielten Anordnung und Ausformulierung von Oberlichtern und Fensteröffnungen zum Tragen kommt, ist als Thema durchgängig

aus dem Protokoll des Preisgerichts

Naumannsiedlung meuterarchitektur / florczak plan-ing

Naumannsiedlung Sanieung durch meuterarchitektur / florczak plan-ing © Foto: Jens Willebrandt

Wenige Dinge braucht Deutschland gerade so dringend wie bezahlbaren Wohnraum.   Der Boom der Städte hat einen Verdrängungsmechanismus in Gang gesetzt, der in so beliebten Metropolen wie Köln längst hässlich geworden ist. Die öffentliche Hand kommt als Bauherr nur meist sehr langsam und in vielen Fällen nicht in überzeugender Qualität ihrer Aufgabe nach. Die Naumannsiedlung in Köln ist der Beweis, dass es anders gehen kann – und zwar gerade indem man sich ein Beispiel an der eigenen Vergangenheit nimmt. Denn die seit 1995 denkmalgeschützte Siedlung entstand Ende  der Zwanzigerjahre und damit in einer Zeit, in der die öffentliche Hand die damals dramatische Wohnungsnot in deutschen Städten mit bis heute vorbildlichen Wohnungsbauprogrammen zu bekämpfen versuchte. Der Entwurf der Architekten Manfred Faber, Otto Scheib und Fritz Fuß der Naumannsiedlung kann bis heute überzeugen: Das Quartier besitzt eine angenehme Dichte, gewerbliche Nutzungen im Erdgeschoss erzeugen eine gewisse Lebendigkeit und großzügige grüne Innenhöfe  sorgen nicht nur für eine Durchlüftung, sondern auch für ein angenehmes Miteinander. Nicht zu vergessen die baukünstlerische Qualität, sichtbar etwa in den plastisch gestalteten Fassaden, die der Siedlung ihren ansprechenden Gesamteindruck verleihen. Bei der Modernisierung der Anlage, die die GAG als Bauherr in Auftrag gab, gelang nun die Quadratur des Kreises: Denn während die Qualitäten der Siedlung bewahrt und zum Teil wieder zum Vorschein gebracht wurden, schuf man gleichzeitig deutlich mehr Wohnraum. Und das, ohne die Grundstruktur zu zerstören. So wandelte man etwa ehemalige Garagen-­ und Kellerräumen in ansprechende Gartenwohnungen um. Die Anzahl der Wohnungen konnte so von 450 auf 611 erhöht werden. Gleichzeitig wurde der Standard in den bestehenden Wohnungen verbessert und heutigen Lebensgewohnheiten angepasst. Die Naumannsiedlung in Köln zeigt damit, wie ein Denkmal mit nötigem Bedacht und Weitblick weiterentwickelt werden kann. Eine Vorgehensweise, die in ganz Deutschland Schule machen sollte.

aus dem Protokoll des Preisgerichts

Bildungslandschaft Altstadt-Nord, gernot schulz : architektur

Bildungslandschaft Altstadt-Nord BAN, Neubau eines innerstädtischen Schulcampus bestehend aus Kita, Realschule, Studienhaus, Mensa mit Selbstlernzentrum und Werkateliers sowie der denkmalgerechten Sanierung und Erweiterung einer Grundschule, 2013-2020, gernot schulz : architektur GmbH © Foto Stefan Schilling

Sie ist auf vielen Ebenen bemerkenswert, diese neue «Bildungslandschaft», ein Campus für Schüler aller Altersstufen im Norden der Kölner Altstadt. Allen voran die Trägerschaft: Es ist ein Verband aus 7 (sieben!) Institutionen, die hier in einem langjährigen Planungsprozess um eine gemeinsame Lösung gerungen haben. Das sind ein Kindergarten, eine Grundschule (im denkmalgeschützten Bestand), eine Realschule, ein Gymnasium, ein Jugendhaus, die Freizeitanlage des benachbarten Parks und ein Abendgymnasium auf der anderen Strassenseite gegenüber. Allein das Engagement einer diversen Trägerschaft aus privaten und städtischen Institutionen, mit allen Kräften nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen und dabei räumliche Synergien zu nutzen, ist bahnbrechend und hat den höchsten Respekt verdient. Besondere Ergebnisse entstehen durch besondere Verfahren. Die architektonische Umsetzung steht dem in nichts nach. Den Autoren ist es gelungen, ein Gebäudeensemble zu schaffen, dass eine starke eigene Identität entwickelt und sich gleichzeitig hervorragend in den städtebaulichen Kontext einbettet. Autonomie und Einordnung stehen in einem guten Gleichgewicht und auch der sympathische Bestandsbau aus den 50iger Jahren konnte ganz unverkrampft integriert werden. Während KiTa und Grundschule zwingend auf einen eigenen abgeschlossenen Aussenbereich angewiesen sind, dürfen die Schüler der Realschule in der Pausenzeit einfach den benachbarten öffentlichen Park nutzen. Der Park wird zum Schulhof. Die Bildungseinrichtung wird mit den öffentlichen Freiräumen einfach überlagert, ein kleiner Geniestreich, der sich trotz aller Bedenken bezüglich Aufsichtsplichten etc. durchsetzen konnte. Von diesem lebendigen Miteinander im Park profitieren nicht nur die Schüler,   sondern das ganze Quartier. Für die Realschüler ist es ausserdem ein Zeichen des Vertrauens und ein wichtiger Schritt in Richtung Eigenverantwortung und Selbständigkeit. Der innovative Charakter des Konzepts zeigt sich auch in den Grundrissen. Nebst den Klassenräumen sorgen vielfältige Nischen und informelle Lernzonen für ein reiches räumliches Angebot und eine szenische Vielfalt. Eine Besonderheit ist auch das zentrale «Studienhaus» auf das alle Einrichtungen gleichermassen zugreifen können. Es ist ein Zeichen, dass die Gedanken der Sharing Economy endlich auch im deutschen Bildungssystem angekommen sind. Eine kleine hölzerne Tribüne schafft einen Ort für Veranstaltungen in allen Altersklassen in einer angenehmen Masstäblichkeit, die Aussenwand wird von Bücherregalen begleitet, in die kleine Sitznischen zum Lesen eingelassen sind. In einer Welt, in der auf Information fast nur noch digital zugegriffen wird, hat es einen didaktischen Wert, Bücher in ihrer physischen Präsenz auf diese Weise zu präsentieren. Die gedankliche Sorgfalt des Konzepts setzt sich bis in die architektonischen Details fort, z.B. wie die Fensterbänke passgenau in das Steinmass eingefügt sind oder die grossen Lamellenfenster für Frischluft in den Erschliessungszonen sorgen. Die Fenster in den Klassenzimmern rahmen nicht nur die Einblicke vom Stadtraum  ins Innere, sie geben über kleine hölzerne Luken auch gezielt Ausblicke von innen nach aussen frei. Auch diese gezielten Blickbezüge sind es, die diesen Bildungscampus so gut mit der Stadt vernetzen. Insgesamt überzeugt die Arbeit mit ihrer durchgehend Kohärenz. Das Projekt führt beispielhaft vor, dass Bildung viel mehr sein kann als intelligent gestapelte Klassenzimmer. Hier geht möchte man gerne (wieder) zur Schule gehen…. Chapeau!

aus dem Protokoll des Preisgerichts

red | uw

1 Kommentar

das sind architektonisch allesamt wirklich tolle beiträge zum stadtbild – ohne frage. allerdings beweist die evangelische kirche hier – nach dem wohn-anbau an die christuskirche am stadtgarten – zum zweiten mal in kurzer folge in „sozialer“ hinsicht wenig fingerspitzengefühl: in beiden objekten sind für den otto-normalbürger absolut unerschwingliche wohnungen entstanden! das ist schon heftig, was da verlangt wird! dass im falle des antoniterquartiers ein café extrablatt (!) den betrieb des cafés übernimmt, ist zudem ein weiteres zeichen des eher ökonomischen als ökumenischen ansatzes – das ist ganz traurig und steht dem vorigen geist des ortes (dem cafe stanton) diametral entgegen. und ganz generell muss sich die kirche gerade heute schon fragen: ist es fair, sich ein paar geförderte wohnungen in den objekten „leisten“ zu können, um dann den restlichen bewohnern mieten abzuverlangen, die sich eine normale klientel nicht mal im ansatz leisten kann? zudem sind die wohnungen im antoniter-quartier allesamt auf maximal rendite aus: kleine, unglaublich teure wohnungen für singles, statt geräumige wohnungen für familien. unter dem sozialen aspekt ist hier – wie am stadtgarten – im grunde ein 100%iges privater-investor-projekt realisiert worden. ist das der ansatz der evangelischen kirche?