Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Generationenwechsel

Das Wohn-und Bürohaus von Bruno Lambart nach Sanierung und Bezug durch NIDUS Studio

Einer ganzen Generation von Architekten bot sich mit dem Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg die Möglichkeit, der jungen Bonner Republik mit ihren Bauten ein neues Gesicht zu geben. Nicht nur in der provisorischen Hauptstadt, sondern überall mussten Rathäuser, Schulen, Hochschulen und Verwaltungsgebäude in neuer Form errichtet werden. Einer von ihnen war der Düsseldorfer Bruno Lambart (1924 – 2004), der nach dem Diplom in Stuttgart dort zunächst in einer Bürogemeinschaft mit Günter Behnisch arbeitete, die sich intensiv mit den Möglichkeiten der Vorfertigung beim Bauen beschäftigte. Mitte der 50er Jahre kehrte Lambart nach Düsseldorf zurück, um dort zunächst einen zweiten Standort des gemeinsamen Büros aufzumachen, doch Behnischs formalistische Entwurfshaltung ging ihm zunehmend zu weit, wichtig waren ihm auch die sozialen Aspekte, so dass er sich 1959 entschied, sein eigenes Büro zu gründen. Das berichtet die Dortmunder Kunsthistorikerin Alexandra Apfelbaum, die zunächst ihre Dissertation über Bruno Lambart, unterstützt durch zahlreiche Gespräche mit ihm selbst, und nach seinem Tod darauf aufbauend die Monografie „Bruno Lambart: Architektur im Wandel der Bonner Republik“ geschrieben hat. Auch sie wundert sich angesichts des gewaltigen Oeuvres von rund 540 Bauten darüber, dass sein Name nicht deutlich populärer ist, doch sie kannte ihn auch als einen bescheidenen Mann, der immerhin auch zwei Professuren ablehnte, weil er weiterhin von Düsseldorf aus bauen wollte. Ein aussagekräftiges Beispiel seines Schaffens ist die zunächst nur als temporärer Bau geplante Mensa für die Ruhr-Universität Bochum (1965), die, weil sie weit mehr war als nur ein Provisorium, nach diversen Zwischennutzungen 2001 unter dem Namen BlueBox schließlich Sitz der Fachbereichs Architektur der Hochschule Bochum wurde.

Dieses Foto gab es mit dem Kauf zum Haus, heute hängt es gerahmt im Treppenhaus. Darauf zu sehen: Bruno Lambart und seine Mitarbeiter Kaiser, Kruse, Eisele 1956 kurz nach dem Einzug ins neue Büro in der Schillerstraße © NIDUS Studio

In der Reihe tanzen

Doch welcher Bau könnte mehr über einen Architekten aussagen als sein eigenes Wohnhaus? Als Lambart nach Düsseldorf zurückkehrte, war der Wiederaufbau in vollem Gange. Auch im Zooviertel, das bei Bombenangriffen 1943 stark zerstört worden war, wurde die ehemals gründerzeitliche Bebauung der Blockränder Straße für Straße wieder aufgebaut. Die tiefen Vorgärten blieben erhalten, doch gebaut wurde wesentlich einfacher als zuvor, glatte einfache Lochfassaden, kaum Schmuck, nur gelegentlich Klinker. Auch heute noch dominieren die pastelligen Töne, es ist ein gutes, aufgeräumtes Quartier. In der Schillerstraße fällt die Nummer 12 auf, nicht nur, weil sie grade saniert wurde, schon vorher unterschied sie sich durch eine bestimmte Haltung, denn Architekt und Bauherr und Bewohner des Mehrfamilienhauses mit Büro war Bruno Lambart. So ist es nur konsequent, dass auch das junge Düsseldorfer Büro NIDUS bei der jüngsten Sanierung diese drei Rollen übernommen hat.

Ansicht der Reihe in der Schillerstraße heute. © Plan NIDUS Studio

Heute wie damals

Annelen Schmidt-Vollenbroich und Ana Vollenbroich gründeten NIDUS als Studio für Architektur, Design und Immobilienentwicklung vor fünf Jahren, recht bald, nachdem die Architektin und die Juristin sich bei einem Immobilienwirtschaftsstudium kennengelernt hatten. Vom Entwurf bis zur Ausführung legt NIDUS Wert auf ganzheitlich nachhaltige Konzepte. Um ihre eigenen Kriterien und hohen Ansprüche an die Architektur ohne Abstriche realisieren zu können, kaufen sie Objekte, gerne auch historische, sanieren und entwickeln sie, um sie dann wieder zu veräußern. Das Haus Bruno Lambart ist ihr drittes fertig gestelltes Projekt, gekauft haben sie es von der Familie des Architekten selbst, die älteste Tochter hatte lange noch darin gewohnt.

NIDUS sucht nach außergewöhnlichen Objekten, Häusern mit Geschichte. Wie genau das Lambart-Haus einmal ausgesehen hat, ließ sich anhand bauzeitlicher Fotografien und eines vollständigen Ordners mit sämtlichen Plänen gut rekonstruieren. Für die Planerinnen war es ein großes Glück, dass sie diese Zugabe beim Kauf des Haues bekamen, jetzt wollen sie damit aber die einzige Lücke in dem im A:AI (Archiv für Architektur und Ingenieurbaukunst NRW in Dortmund) verwahrten Lambart Nachlass schließen.

Ansicht der Straßenfassade nach der Sanierung. Ohne die Zufahrt zur Garage im Untergeschoss, die nun als Badezimmer genutzt wird, wird der Getaltungsspielraum im Vorgarten größer © Foto Marie Kreibich

Gestalterische Freiheiten

Im Frühjahr 2020 konnten die fünf Wohnungen frisch saniert bezogen werden, die zweigeschossige Gartenwohnung bewohnen Annelen Schmidt-Vollenbroich und Ana Vollenbroich selbst. Trotz des Baujahrs 1955 ist das Haus kein Denkmal, was allein daran liegt, dass die 50er Jahre in Düsseldorf noch nicht erfasst sind. Das gab NIDUS gestalterische Freiheiten, doch spürten beide, so Ana Vollenbroich, dass sie mit dem Kauf auch eine große Verantwortung für das Haus und seine Architektur übernommen hatten. Erkennen Respektieren Weiterentwickeln steht als Leitmotiv und Handlungsanweisung auf ihrer Bürohomepage.

Die alten Pläne zeigen, dass Lambart sich an den Höhen des linken Nachbarhauses orientiert hat, vier Geschosse plus Dach, Traufkante und First waren bündig, die Geschosse leicht versetzt, da das EG wegen der Garage im UG (heute ein Badezimmer) etwas höher sitzt. Auf dem Grundstück zur Rechten, in den Originalplänen noch als Ruine eingetragen, wurde die Reihe einige Jahre später weit weniger inspiriert fortgesetzt. Die wenigen Mittel, die Leichtigkeit, Offenheit und Ausgewogenheit, das Spiel mit der Asymmetrie und die betonte Horizontale – Lambarts gestalterisches Repertoire entsprechen heute – wieder – sehr unserer Ästhetik. Wie eingespannt zwischen zwei mit dunklem, rauem Klinker verkleideten Wandscheiben sitzt das Haus, das mit seinen neun Metern Achsmaß erstaunlich schmal wirkt. Durch die raumhohe und stützenfreie Verglasung der 1. bis 3. OGs erscheint es schwerelos, auch die Balkone sind einschließlich der einfachen Geländer extrem filigran erstellt und fügen der Ansicht kaum Gewicht hinzu. Einziger Schmuck sind schmale Platten aus hellem Sichtbeton, die rechtsbündig tief vor die Balkone gesetzt wurden. Montiert mit verdeckten Stahlärmchen, scheinen sie fast zu schweben. Ob die auf alten Ansichten zwischen Platte und Balkongeländer gestellten Pflanzen Teil der ursprünglichen Planung waren, lässt sich nicht mehr sicher sagen, heute jedoch grünt dort nichts. NIDUS hat die wichtigen Stilelemente aufarbeiten lassen, die Fenster allerdings, die längst nicht mehr original waren, mit dunkelbraun-anthrazitfarbenen Rahmen und Schiebeelementen ersetzt.

Die Haustür sitzt nun weiter Innen, ablesbar bleibt die frühere Position am Materialwechsel © Foto: Marie Kreibich

Neues Leben

Der dunkle Farbton tut der Ansicht gut, abgeleitet wurde er aus dem braungrauen Spektrum des Klinkers, der die leichte Fassade durch sein ungewöhnlich flaches Format, die raue Oberfläche und die dunkle Verfugung erdet, indem er ihr Materialität und Substanz verleiht. Dies tritt besonders bei dem in die Tiefe versetzten Eingangsbereich hervor. Im Rahmen der Sanierung haben NIDUS die Haustür sogar noch ein Stück weiter nach Innen versetzt und die feststehenden Elemente mit vertikal profilierten dunklen Holzelementen ersetzt.

Zum Garten heraus gibt es nun statt der kleinen Austritte große Balkone, die sich je nach Witterung als Wohnraum bespielen lassen. © Foto: Marie Kreibich

Betrachtet man die Rückseite des Hauses auf den alten Plänen, scheinen hier die Ideen der Schauseite vorne fast vergessen. Eine klassisch geputzte dreiachsige Lochfassade bekam durch kleine Balkone auf der rechten Seite ein gewolltes Ungleichgewicht. Hier sind Ana Vollenbroich und Annelen Schmidt-Vollenbroich deutlich rigoroser vorgegangen, und haben vor das EG bis zum 3. OG über die gesamte Breite eine konstruktive Einheit aus Balkonen mit seitlichem Sichtschutz gestellt. Mit der einfachen Bauweise sind sie im Duktus des Hauses geblieben, haben die Wohnungen mit diesem Element den Bedürfnissen unserer Zeit angepasst, in der Balkone nicht nur Austritte, sondern zusätzliche Wohnräume sind, sofern die Witterung es zulässt.

Eingangsbereich im Erdgeschoss mit historischem Foto und neuen Pendelleuchten im Treppenauge © Foto Marie Kreibich

Das in einem perfekten Halbrund gewendelte Treppenhaus spielte in diesem Stadthaus, in dem Bruno Lambart nicht nur wohnte, sondern in den ersten Jahren auch arbeitete, eine zentrale Rolle in der Kommunikation. Hier traf man sich, tauschte sich aus, die Türen bleiben oft einfach offen. Und das, obwohl es, der Ökonomie des Hauses geschuldet, noch nicht einmal besonders großzügig angelegt ist, dafür aber mit einem besonderen Gespür für die Schönheit der Rundung. Der Blick durch das Treppenauge nach unten ist heute kaum anders als damals, schwarzer Terrazzo, weiße Wände, ein zierliches Geländer, das dem Treppenlauf dynamisch folgt und dessen Handlauf (in einem Stück!) frisch mit schwarzem Kunststoff überzogen wurde. NIDUS allerdings fügten feine, unterschiedlich tief hängende zylindrische Pendelleuchten hinzu, die die Treppe aus ihrer Mitte heraus beleuchten.

Der Schnitt durch das GEbäude zeigt den Geländeversprung zum Blockinnenraum © Plan NIDUS Studio

Neue Großzügigkeit

Die vorgefundenen Wohnungsgrundrisse waren mit einem großen, sich über die gesamte Front erstreckenden Wohn-Essbereich zwar vergleichsweise modern gedacht, doch die kleine, zwischen zwei Schlaf- und Kinderzimmer gesteckt Küche auf der Gartenseite, entsprach den heutigen Wohngewohnheiten nicht mehr. So befreite NIDUS die Küchenzeile aus der zweckmäßigen Enge und fügte sie in den zum Lebensmittelpunkt gemachten großzügigen Raum zur Straße ein. Das Badezimmer gewinnt an der Stelle der früheren Küche ein Fenster hinzu und lässt im zentralen Eingangsbereich Raum für eine bündig integrierte Einheit aus Gäste-WC und Garderobe, so wie einen aus der Koch- und Esszone erschlossenen Hauswirtschaftsraum.

Die veraltete Haustechnik musste im gesamten Haus vollständig erneuert werden. Die Heizkörper ersetzt nun eine Fußbodenheizung, eine visuell sehr saubere Lösung, die sich nur durch eine kleine Terazzostufe an der Wohnungstür bemerkbar macht. Im Rahmen der energetischen Ertüchtigung des Hauses wurden die geputzten Flächen der Rückseite gedämmt, straßenseitig bestand hier kein Bedarf, die neuen Fenster wurden den bauphysikalischen Anforderungen entsprechend ausgewählt.

Die klaren Linien von Bruno Lambart und der vielleicht etwas spröde Charme, das Dekorative, das nicht Oberfläche, sondern Material ist, waren ihrer Zeit sicher weit voraus. Heute, da NIDUS sie freigelegt und mit ihrer eigenen sehr ästhetischen Handschrift nachgezogen und weitergezeichnet haben, ruht das Haus ganz besonnen weiter in sich selbst. Mehr Statement kann man kaum verlangen.

Uta Winterhager

 

Diesen Beitrag veröffentlichen wir mit freundlichem Dank an die Redaktion der Bauwelt, in deren Heft dieser Beitrag zunächst erschien.