Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

„Ich habe das Gefühl, jetzt an einem Platz zu sein, wo ich viel bewirken kann.“

Im Gespräch mit Eva Herr, der Leiterin des Stadtplanungsamtes der Stadt Köln

Herzlichen willkommen zurück in Köln, Frau Herr! Wir kennen Sie noch als persönliche Referentin von Franz-Josef Höing, der bis November 2017 Dezernent für Stadtentwicklung, Planen und Bauen der Stadt Köln war. Er ging dann als Oberbaudirektor in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen der Freien und Hansestadt Hamburg, Sie wurden dort Fachamtsleiterin Stadt- und Landschaftsplanung bei der Hansestadt Hamburg, Bezirksamt Bergedorf. Im September 2019 haben sie als Nachfolgerin von Anne-Luise Müller die Leitung des Stadtplanungsamtes übernommen.

Was haben Sie in Hamburg über Köln gedacht?

Eva Herr: Privat war ich immer noch sehr regelmäßig in Köln und ich habe die Stadt dabei einfach nur privat und ohne berufliche Agenda gerne genossen. Wobei ich natürlich immer Interesse an Städtebau habe! Diese Zeit gab mir die Chance, die Stadt noch einmal auf eine ganz andere Art kennenzulernen. Besonders deutlich geworden ist mir dabei, wie vielfältig und kontrastreich Köln ist. Man kann Köln ja relativ schnell mit dem Fahrrad durchqueren und erlebt in kurzen Distanzen vollkommen unterschiedliche Stadträume. Von den hochzentralen Lagen der Innenstadt oder um den Deutzer Bahnhof ist es nur ein Katzensprung zu den Auenlandschaften am Rhein. Die riesigen Industriebauten des Deutzer Hafens liegen in direkter Nachbarschaft zum kleinteiligen und verwinkelten Poll. Und wenn man die wunderbare dörfliche Idylle von Esch/Auweiler durchquert, kann man am Horizont schon die Großsiedlung Chorweiler entdecken. Wenn man einfach so ohne Ziel und Anlass durch die Stadt radelt, merkt man, wie unglaublich spannungsreich Köln ist und ich glaube, dass dies in anderen Städten nicht so ausgeprägt ist.

Sie haben mit Ihrer jetzigen Position in Köln von der politischen Ebene des Dezernats in die Verwaltung gewechselt. War das eine bewusste Entscheidung? Was bedeutet das für ihre Arbeit?

Ja, das war eine bewusste Entscheidung. Denn ich bin Stadtplanerin, das ist kein Zufall, das habe ich mir ausgesucht, weil ich es sehr gerne mache. Für meine jetzige Rolle ist es ein großer Vorteil, dass ich in Köln bereits Erfahrungen sammeln konnte und dadurch nun die Kölner Verwaltung, die Schnittstellen und die politischen Interessenslagen schon kennenlernen konnte. Ich habe diese Position im Dezernat VI sehr gerne gehabt, aber meine Kernkompetenz liegt in der Stadtplanung und deshalb war mir immer klar, dass ich dorthin auch wieder zurück muss. Ich habe das Gefühl, jetzt an einem Platz zu sein, wo ich viel bewirken kann und das ist eine sehr glückliche Fügung.

Eine Veranstaltung der Reihe „Planet Ebertplatz“ im Mai 2019 © studio polylog

Haben Sie in Hamburg eine andere Struktur erfahren als in Köln?

Jede Stadt bringt eigene Rahmenbedingungen mit, eine individuelle Organisation und hat ganz andere Themen, die eine Rolle spielen. Es ist sehr spannend, wenn man die unterschiedlichen Ansätze miteinander vergleicht. So sind wir im Moment bei den unterschiedlichsten Fragestellungen im Austausch mit München, Leipzig, Berlin und natürlich auch mit Hamburg. Ich schätze das Knowhow, der Kolleginnen und Kollegen sehr, aber trotzdem muss jede Stadt für sich selbst einen Weg finden –Köln lässt sich nur bedingt mit anderen Städten vergleichen. In den Stadtstaaten sind die Verwaltungen zum Beispiel anders aufgebaut. Jede Stadt hat darüber hinaus eigene interne Regeln und Abläufe und unterschiedliche Möglichkeiten in Bezug auf Ressourcen, sodass wir Ideen und Ansätze auf unsere eigene Situation übertragen müssen.

Ich denke da zum Beispiel an die Kölner Leitlinien für Öffentlichkeitsbeteiligung, die sind ja schon ein Alleinstellungsmerkmal.

Das Interesse bei der Stadtentwicklung mitzureden, ist immer ausgeprägt. Es gibt die Bürgerinnen und Bürger, Interessengruppen und Bürgerinitiativen, die wir qua Baugesetz an unseren Planungen beteiligen.. Oft müssen wir die gar nicht auffordern, sie kommen mit ihren Anliegen auf uns zu. Das zeigt zum Beispiel die ARD Dokumentation „Wem gehört die Stadt“ sehr anschaulich, in der ja auch das Stadtplanungsamt eine Rolle spielt. In Köln gibt es eine große Zahl der Baukulturinitiativen, die sich aus unterschiedlichen Perspektiven mit der Stadtentwicklung auseinandersetzen und sich einbringen. Auch wenn diese Diskussionen für alle Beteiligten auch mal anstrengend werden können, sind sie sehr wichtig. Es können viel weitreichendere Aspekte in den Blick genommen werden und dadurch kommen fundiertere Entscheidungen zustande. Fast alle Projekte verändern sich in ihrer Entwicklung und die Beteiligung trägt dazu bei. Wichtig für alle ist, neugierig zu bleiben und eine Portion Kompromissfähigkeit und Lösungsorientierung mitzubringen. Denn Beteiligung ist ja kein Selbstzweck, sondern irgendwann muss es auch ein Ergebnis geben.

Im Sommer 2016 führten die Büros Urban Catalyst GmbH und Umschichten vor Ort in Chorweiler einen Beteiligungsprozess durch, der Gestaltungsideen für die drei Plätze Liverpooler Platz, Pariser Platz und Lyoner Passage sammelte, testete, diskutierte und in einen landschaftsarchitektonischen Plan übersetzte.© Foto Urban Catalyst

Lässt Ihnen das Amt als Leiterin des Stadtplanungsamtes noch Spielräume?

Natürlich prägt auch die Persönlichkeit die Ausübung eines Amtes, was hat man für Steckenpferde, was bringt man mit, wo hat man selbst ein besonderes Auge drauf. Die aktuellen Themen, mit denen ich jetzt zu tun habe, sind die wachsende Stadt, nicht nur der Wohnungsbau, sondern auch die Frage, wie wir all das, was daran hängt, mitziehen können, die Freiräume, die soziale Infrastruktur, denn wir sind ja auch für die Ausgewogenheit in der Stadt verantwortlich. Gleichzeitig schieben wir auch die Großprojekte an, die schon unter Streitberger oder Höing behandelt wurden, ich denke da an den Deutzer Hafen oder die Parkstadt Süd, Kreuzfeld und den Mülheimer Süden – diese Projekte werden die Stadt nachhaltig verändern. Dass wir hier mit solch außergewöhnlicher Substanz arbeiten, wie der Industriekultur, dem Inneren Grüngürtel oder der Wasserlage der Stadt, bietet uns die Chance, die Kölner Perlen noch weiter zu entwickeln.

Blick vom Dom auf die Achse der Via Culturalis © Foto Stadt Köln / Thilo Schmülgen

Wer ist bei Ihnen im Amt eigentlich für den Input zuständig? Kommt das von oben, informiert sich jeder selbst über aktuelle Themen oder wie tauschen Sie sich intern aus?

Es kommt eine Menge Input rein, aus allen Ecken, das ist sicher. Wir haben Schnittstellen innerhalb der Verwaltung, mit den Ämtern für Mobilität, Grünflächen oder Schulentwicklung, wo es ganz andere Denkweisen gibt. Fachlich spielt z.B. der schon erwähnte Austausch mit anderen Kommunen eine Rolle, wir haben ein gut strukturiertes Fortbildungsprogramm, das umfasst natürlich alles von fachlichen über methodische und soziale Kompetenzen. Wir können auf Konferenzen gehen, im letzten Jahr gab es zum Beispiel eine zum Thema Großprojekte. Einzelne sind auch immer wieder eingeladen, bei Veranstaltungen beim BDA oder dem HdAK mitzuwirken, auch das würde ich als „Bildungsmaßnahme“ bezeichnen, weil wir uns dort ja austauschen. Und natürlich lernen wir auch von den Investoren und externen Planern, die mit ihren Ideen an uns herantreten. Nicht zu vergessen ist natürlich der eben schon angesprochene Austausch mit der Öffentlichkeit. Und zu guter letzt kommt ein maßgebliches Input durch die Politik, die die Verwaltung durch ihre Aufträge und Entscheidungen steuert.

Ein zurzeit sehr populäres Thema ist „der Dritte Ort“, in Köln wurde darüber zum Beispiel im Rahmen der Stadtbibliothek diskutiert. Konsumfreie öffentliche Räume lassen sich am leichtesten angeschlossen an öffentliche Bauten realisieren. Sehen sie hier die Stadt in der Verpflichtung? Gegebenenfalls auch, um Räume dieser Art bei anderen Investoren einzufordern?

Ja, die Stadt sieht sich hier in jedem Fall in der Verpflichtung. Der ist sie unter anderem im Zuge des Kooperativen Baulandmodells nachgekommen, das der Rat 2014 das erste Mal verabschiedet hat. 2017 wurde es weiterentwickelt und inzwischen sind wir an der dritten Überarbeitung. Zunächst geht es zwar darum, private Bauherren ab einer bestimmten Entwicklungsgröße zu verpflichten, geförderten Wohnungsbau zu realisieren. Aber das Kooperative Baulandmodell macht auch Vorgaben für öffentliche Spiel- und Grünflächen, sodass bei privaten Entwicklungen nutzbare öffentliche Räume für alle entstehen. Besonders in historisch industriell geprägten Stadtbezirken wie Mülheim, Ehrenfeld oder Kalk gibt es sehr viele private Gewerbeflächen, die derzeit zu Wohnquartieren umgenutzt werden. Da spielt das Baulandmodell eine große Rolle, weil jetzt auf Flächen, die nie öffentlich zugänglich waren, neuer öffentlicher Raum entsteht.

Chorweiler in der Vogelperspektive, Blick aus Süden. Vorne Turkuplatz, groß in der Mitte der Liverpooler Platz, daran übereck anschließend der Pariser Platz © Grafik arge chorweiler

Glauben Sie oder spüren Sie, dass – angestoßen durch die Pandemie – die Stadt nun anders gedacht wird?

Öffentlichen Raum fanden wir immer wichtig und werden das auch weiter tun, die Pandemie hat da im Prinzip nichts daran geändert. Uns beschäftigt viel mehr die Frage, wie wir in Zukunft mit unseren Innenstädten umgehen werden. Die Veränderungen durch den Online-Handel hatten wir schon vor Corona, aber dieser Trend wurde nun erheblich beschleunigt. Wird sich das Kaufverhalten der Menschen ändern, wird der Handel sich viel stärker ins Netz verlagern, so dass weniger Menschen die Innenstädte aufsuchen werden? Gibt es neue Formen von Online- und Präsenzhandel, die zukunftsfähiger sind? Wie sehen in den Innenstädten zukünftige Frequenzbringer aus? Werden innerstädtische Lagen wieder günstiger und ermöglichen dadurch ganz andere Nutzungsmischungen? Brauchen wir weiterhin so viele Büros oder wird man in Zukunft mehr von Zuhause aus arbeiten und weniger pendeln? Bekommen beispielsweise vermeintliche „Randlagen“, solange sie digital gut angebunden sind, plötzlich eine andere Bedeutung und einen anderen Wert, weil man dort plötzlich viel einfacher wohnen und arbeiten kann? Ich denke dabei zum Beispiel an Kreuzfeld, da wollen wir ja einen gemischten Stadtteil auf der grünen Wiese realisieren.

Besonders interessant sind die Auswirkungen von Corona auf Bürgerbeteiligungen, die wir nun digital durchführen. Einerseits wird natürlich der direkte und manchmal auch intensive und kontroverse Austausch vermisst. Andererseits haben wir bei den digitalen Beteiligungsformaten eine viel größere Reichweite. In Präsenzveranstaltungen sind ca. 500 Teilnehmer das Maximum. Beim Live-Stream zu Kreuzfeld im Dezember haben sich an die 3.000 Menschen eingewählt.

Zielkarte Wohnen: Realisierung von gemischten, lebendigen und gut angebunden Quartieren, Stand Juni 2020 © Kölner Perspektiven 2030+

Haben Sie die im Sommer veröffentlichten Kölner Perspektiven 2030+ auf dem Schreitisch griffbereit?

Für uns ist das ein ganz wichtiges strategisches Dokument, weil darüber ein paar Grundsatzfragen geklärt werden können, die uns in der Projektumsetzung im städtebaulichen Maßstab sehr gut weiterhelfen können. Die Kölner Perspektiven 2030+ haben nicht nur die Gesamtstadt im Blick, sie haben auch den Anspruch, einmal quer über die gesamte Verwaltung zu steuern, wodurch sie auch die Vielfältigkeit der Schnittstellen aufzeigen und Zielkonflikte lösen können. Räumliche Schwerpunkte zu setzen und die große Entwicklungsräume, die wir voranbringen müssen, aufzuzeigen ist sehr hilfreich. Auch wenn bei diesen großen Planungen häufig die Stadtplanung an vorderster Front gesehen wird, gibt es in der Regel maßgebliche Beiträge aus den Bereichen Verkehr, Freiraum, Umwelt und auch Bildung und Soziales. Es ist sehr sinnvoll, dies zu einem frühen Punkt zusammen zu führen. Im Rahmen der Kölner Perspektiven 2030+ gibt es auch eine Diskussion über bauliche Dichten auch unter Gesichtspunkten des Klimawandels, in welcher Dichte wollen wir bauen, wenn wir da klare Vorgaben haben, ist das für uns sehr hilfreich.

Aber auch der Masterplan Innenstadt, der sich ja sehr dezidiert mit Gebäudekanten auseinandersetzt, wird noch einmal neu aufgestellt und natürlich haben wir uns da auch Gedanken über die Schnittstellen zwischen der beiden Dokumente Gedanken gemacht.

Visualisierung für den Deutzer Hafen © Cobe

Gibt es ein Projekt, das Sie als beispielhaft für die Zukunft in Köln betrachten?

… ein Projekt????  Wir haben 200 Projekte in allen Größenordnungen. Und in Bezug auf die unterschiedlichsten Fragestellungen ist wahrscheinlich jedes davon beispielhaft … da fällt es mir sehr schwer, ein einzelnes herauszuheben. Weil wir gerade schon das Thema öffentlicher Raum angesprochen haben, möchte ich drei Projekte aus diesem Bereich nennen. Ich finde es toll, dass wir im Rahmen der Nationalen Projekte des Städtebaus Bundesmittel zur Förderung gekommen haben, damit konnten wir zwei sehr unterschiedliche Projekte weiterentwickeln. Das eine sind die neuen Plätze in Chorweiler, dabei konnten wir den öffentlichen Raum in der wichtigsten Kölner Großsiedlung mit großer Bürgerbeteiligung aufzuwerten, um ihn nutzbarer zu machen. Ein zweites vollkommen gegensätzliches Projekt ist die Via Culturalis südlich des Kölner Doms, mit der das Historische Erbe der Stadt, die vielen Schätze in diesem kleinen Gebiet, sichtbar gemacht werden soll. Das dritte Projekt, das ich hier noch nennen würde, ist der Ebertplatz, ein vermeintlicher Un-Ort aus der sehr verkehrsgetriebenen Stadtplanung der 1970er Jahre, den wir mit intensiver Bürgerbeteiligung nun vollkommen umdeuten. Natürlich nehmen großen Projekte wie der Deutzer Hafen viel unserer Kapazität ein. Dass der Hafen bereits vorab den DGNB Status in Platin erhalten hat, macht uns natürlich sehr stolz und sendet ein gutes Zeichen in die Zukunft.

Die Fragen stellte Uta Winterhager

1 Kommentar

PARS Pro TOTO Die Aussage zur Via Culturalis ist ernüchternd, nicht erwähnt bezw nicht reflektiert : Demnächst wird eine jahrelange Phase von Abriss ( Kuriengebäude und Bauten Am Hof ), Baustelle der großen Museen , nicht enden wollende Baustelle MIQUA.
An deren Ende ist ja auch St Georg ( nicht nur Maria im Kapitol mit zudenken und direkt daneben der Ort an dem vor 12 Jahren das
Szdzarchiv einstürzte und wir es sei ausseht, als würde die Stadtplanung da weitermachen.als wäre nichts geschehen.