Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Rot sehen auf Clouth

Nieto Sobejano Arquitectos überzeugten im Gutachterverfahren für Clouth. TOR2

Die ehemalige Gummifabrik Clouth in Nippes verwandelt sich seit dem städtebaulichen Wettbewerb 2004 in ein offenes Stadtquartier – und so langsam schließen sich die letzten Lücken. Nur wenige bauliche Spuren der industriellen Vergangenheit haben überdauert. Die nordwestliche Stadtkante mit den denkmalgeschützten Bauten am ehemaligen Tor 2 ist daher von zentraler Bedeutung für die Identitätsbildung des Quartiers. Das Projekt mit Theatersaal, Tanzakademie und Cafés und Restaurants kann endlich die Hoffnungen auf mehr städtisches Leben im Quartier erfüllen.

Nieto Sobejano Arquitectos, ein 1984 in Madrid gegründetes, international tätiges Büro mit einer Niederlassung in Berlin, gewannen das dreistufige Gutachterverfahren zur architektonischen Qualifizierung. Ausgelobt hatte es der Projektentwickler SiebersPartner im Mai 2020, kurz nachdem er im Rahmen einer Konzeptausschreibung das Grundstück von der Entwicklungsgesellschaft moderne stadt gekauft hatte.

Vom Ehrenhof führt ein Durchgang zum Theater- und Akademiegebäude. © Nieto Sobejano Arquitectos

Die Jury (Vorsitz: Thomas Bieling) mit Vertretern von SiebersPartner, der Stadt Köln und moderne stadt lobte an dem Siegerentwurf vor allem die wohlgewählten Durchdringungen des Denkmals und „eine nahezu selbstverständliche Symmetrie der Volumina.“ Sie verlieh zweite Preise an Michels Architekturbüro und an rethmeierschlaich architekten, beide aus Köln. Drei weitere Büros, Schaller Architekten und Heinrich Böll aus Köln und Chaix & Morel aus Paris, waren in der zweiten Runde ausgeschieden.

Clouth. Mit Punkt.

Was heute als „TOR2“ angesprochen wird, war kein Fabriktor im eigentlichen Sinne, sondern die Verwaltung der Clouth Werke. Über dem mittig gesetzten Pförtnerhäuschen in der Hofeinfahrt liegt ein Verbindungsdach, das die beiden Seitenflügel zusammenbindet. Sehr auffällig sind die halbrund vorspringenden Treppenhäuser mit hohen Fensterstöcken. Die schlicht-eleganten Klinkerbauten mit Kunststein-gefassten Fensterlaibungen entstanden zwischen 1951 und 1957. Der Firmenschriftzug, vom Gründer Franz Clouth persönlich entworfen, dient jetzt als Name für das letzte und komplexeste Projekt im Quartier: Clouth. TOR2. Im Rendering fehlen zwar der Schriftzug „Clouth.“ auf der Pförtnerloge und der Gedenkstein, sie sind aber denkmalgeschützt und bleiben erhalten.

Klaus Braß, geschäftsführender Gesellschafter von SiebersPartner, sagt: „Mich hat die charaktervolle, elegante Architektur und individuelle Sprache des Entwurfs von Nieto Sobejano überzeugt. Das Team hat in der Vergangenheit schon oft bewiesen, mit viel Fingerspitzengefühl eine herausragende Architektur für Areale mit besonderer Geschichte zu entwerfen.“

Altes und Neues in klinkerrot

Diese Feingefühl zeigten die Madrider Architekten vor allem mit Museumsbauten und -erweiterungen in Spanien, und nun haben sie es mit der bescheidenen Kölner Wiederaufbau-Architektur zu tun: „Das äußere Erscheinungsbild entspricht dem Wunsch, den denkmalgeschützten Bestand in seiner Eleganz und Würde zu respektieren und ein harmonisches Gesamtensemble zu schaffen. Das neu hinzugefügte, horizontal liegende Volumen ist in seiner sanften Strenge und klaren Geometrie Interpretation des Bestandes,“ schreibt das Team von Nieto Sobejano im Erläuterungstext.

Der Erdgeschossgrundriss des Siegerentwurfs zeigt eine klare Zuordnung von öffentlichen, halböffentlichen und privaten Außenflächen. © Nieto Sobejano Arquitectos

Die neuen Baukörper werden vertikal gegliedert, um mit diesem Kontrast zum Bestand „eine größere Lebendigkeit zu erreichen.“ Sie nehmen mit roten Fertigbetonelementen die Farbigkeit des historischen Rotklinkers auf. Alt und neu finden sich zum harmonischen Ganzen und bleiben doch klar voneinander unterscheidbar.

Wiederholte Addition

Das Team von Nieto Sobejano hat in der „additiven Baukörperkonfiguration“ eine weitere Eigenschaft des Bestands identifiziert, die es im Entwurf aufgenommen hat: Die neuen Baukörper folgen dem additiven Charakter des Bestands und erzeugen damit ein symmetrisches Ensemble. Das Theater im Norden wird von dem Wohnblock im Süden gespiegelt.  

Ein zentrales Anliegen des Entwurfs sind öffentliche und halböffentliche Freiräume, die sich mit der umliegenden Stadtstruktur verbinden. Der bestehende Ehrenhof wird zur Verteilerzone für die Büros, die Akademie und den Theatersaal und mit gastronomischem Angebot auch ein neuer Aufenthaltsort im Quartier. Vor dem Theatersaal liegt ein zweiter, intimerer Innenhof, quasi als erweitertes Foyer. So entsteht eine Folge urbaner Räume vom öffentlichen Straßenraum zum halböffentlichen des Theaters.

Modellfoto © Nieto Sobejano Arquitectos

An den Quartiersseiten entlang der Josefine-Clouth-Strasse und an der Südflanke entstehen Wohnriegel, viergeschossig plus Staffelgeschoss. Die Innenaufteilung besteht größtenteils aus Dreispännern und durchgesteckten Wohneinheiten. Die flexible Grundrissstruktur lässt es den Bewohnern offen, ob sie die Aufenthaltsbereiche der Wohnungen zum Innenhof oder zum Stadtraum hin orientieren wollen. Im Staffelgeschoss dominieren durchgesteckte Terrassen.

Der Bauantrag soll im Herbst dieses Jahres eingereicht werden, die Baugenehmigung im Frühjahr 2022 erfolgen. Die Fertigstellung ist für den Sommer 2024 geplant.

Nieto Sobejano Arquitectos, die im Wettbewerb für das Kölner Stadtarchiv mit einem beachtlichen Entwurf den zweiten Platz ergatterten, konnten sich diesmal durchsetzen. Sie zeigen mit ihrem Vorhaben Verständnis und Respekt vor der 50er Jahre Architektur und denken sie in einer Art und Weise weiter, die Modernität und gute Maßstäblichkeit verheißen. Das aus großer räumlicher Distanz gegebene Rendering mit der Ansicht zur Niehler Strasse suggeriert eine beeindruckende Monumentalität, die man allerdings von der Realität wegen des engen Straßenraums nicht erwarten darf.

Mit Blick auf die geplanten roten Betonfertigteile ist zu hoffen, dass auch die Ausführungsplanung Nieto Sobejano anvertraut wird, die für die hohe Materialgüte ihrer Bauten bekannt sind. Dann werden mit Sicherheit bald viele Architekturfreunde nach Nippes pilgern, um Rot zu sehen.

Ein zweiter Platz für Michels Architekturbüro: Die Jury wertet historische Zitate im Entwurf positiv, stellt aber funktionale und gestalterische Mängel bei der Anlage des Theaters fest. © Michels Architekturbüro
Ein weiterer zweiter Platz für rethmeierschlaich architekten: Gute Integration des Bestands, doch die Jury kritisierte die Gestaltung der Wohnfassaden und die unklare Zuordnung der Außenflächen. © rethmeierschlaich architekten
Die für Clouth klassischen Ziegel wählte der zweite Preisträger Michels Architekturbüro für die Wohnriegel. © Michels Architekturbüro

Ira Scheibe

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4 Kommentare

Sehr geehrte Frau Scheibe, Sie schreiben: »Mit Blick auf die geplanten roten Betonfertigteile ist zu hoffen, dass auch die Ausführungsplanung Nieto Sobejano anvertraut wird, die für die hohe Materialgüte ihrer Bauten bekannt sind.« Die Hoffnung teile ich als Anwohnerin auf dem Clouth-Gelände! Denn entgegen Ihrem ebenfalls recht enthusiastischen Beitrag zu Clouth 104 zeigt der zähe, langwierige Einzug vereinzelter Mieter, das Verbarrikadieren hinter Sichtschutz im Erdgeschoss, der trostlose Innenhof, auf dem immer mal wieder Autos abgestellt werden, und der nun schon zwei Jahre andauernde Leerstand (der als Gastronomie gedachten Ecke und anderer Bereiche), dass das Ganze nicht so gelungen ist, wie das Lepel & Lepel selbst zu finden scheint. Der »Kiosk« ist immer noch nicht fertig, die sinnfreien und ungenutzten »Laubengänge« sind in Zeiten des Klimawandels echte »Arschitektur«, was den Materialverbrauch angeht, und die mit unterschiedlich großen Punkten bedruckten Fenster ausnehmend hässlich. Mich machen Bauprojekte immer misstrauisch, bei denen sich die Architekten selbst das beste Objekt unter den Nagel reißen (oberste Etage mit Dachterrasse) und dann davon schwärmen, wie gelungen alles sei. Mich würde mehr interessieren, was die anderen, mühsam gefundenen Nutzer zu Clouth 104 sagen…

Sehr geehrte Dr. Kalmbach,

Ihrer Kritik kann ich mich nur anschließen: Clouth 104 ist ganz sicher keine Referenz für die Architektur.
Den öden Innenhof mit den unfertigen Einfahrten und dem billigen Gußasphalt würde man einem Architekturstudenten im ersten Semester als Leistungsnachweis nicht durchgehen lassen
Die Fallrohre, die das Regenwasser in Rinnen und Pfützen direkt über den Platz leiten, erinnern dann auch eher an die Entwässerung von Kleingartenlauben. Ich finde das Bauprojekt nur lieblos umgesetzt und ist schlicht ein Ärgernis.

Karl-Heinz Stapper
Atelier für Architekturdesign
Josefine-Clouth- Str. 7
50733 Köln

Den Kommentaren der beiden Vorredner kann man sich als Bewohner des Quartiers zu 100% anschließen. Letztlich reiht sich Clouth 104 nahtlos in die restliche gesichtlose Einheits-Architektur des Geländes ein, „perfekt“ ergänzt durch den trostlosen Luftschiffplatz und asphaltierte, autogerechte Verkehrsschneisen, in denen der SUV mal „so richtig Gas“ geben kann. Hier wurde auf 14 ha eine große Chance vertan, ein lebendiges Stück Stadt neu zu bauen.

In Paris werden (teils) erst Grünanlagen auf (Industrie-/Bahn-Brachen) angelegt, dann folgt die Bebauung. Nachahmenswert! Dass im Clouth-Gelände der sogenannte Luftschiffplatz mehrere Jahre von Bauzäunen abgesperrt blieb, verdankt sich vermutlich der deutschen Bürokratie. Anwohnerfreundlich ist anders, aber Eltern mit Kleinkindern konnten ja zumindest (legal?) den Spielplatz aus anderweitigem Zugang nutzen. Absurd, oder? Dass hier jedes Haus über Tiefgaragenplätze verfügt, und dennoch ein großer Teil der Flächen für »ruhenden Verkehr« reserviert wurde, entspricht in keiner Weise einem lebenswertem Wohnviertel. Wieso wird die Einfahrt von der Niehler Strasse verbreitert, statt für Grün zu sorgen? Als wir uns für diesen »Wohnort« entschieden haben, war das so nicht absehbar. Wir ziehen hier bald wieder aus – falls wir uns das leisten können (leider allerdings angesichts der Kölner Immobilien- und Mietpreise unwahrscheinlich.). Nach beruflich bedingten Jahren in Ba-Wü und Bayern sind wir (zuvor in Sülz, Nippes und im Agnesviertel beheimatet) enthusiastisch nach Köln zurückgekehrt, um nun erheblich gedämpft auf unsere Wohnsituation zu blicken. »Verkehrsschneisen« anstatt eines lebendigen Stück Stadt, das bedauern wir auch und schauen uns um nach Alternativen…

Dr. Gabriele Kalmbach
Josefine-Clouth-Straße 31
50733 Köln
http://www.gabrielekalmbach.de