Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Damit das nicht das Ende ist von „Ferne und Heimat“

Offener Brief gegen die geplante Interimslösung für den Tunnel Johannisstraße

Für den Johannistunnel, der die Domumgebung mit der Bahnhofsrückseite verbindet, gibt es bereits seit 2017 ein prämiertes Wettbewerbsergebnis. Trotzdem soll nun zunächst eine Interimslösung umgesetzt werden, um den dunklen und ungemütlichen Zwischenraum aufzuwerten. Warum fragen die Kölner Architektin Ute Piroeth und der Berliner Künstler Wolfgang Rüppel in einem offenen Brief (den wir hier ungekürzt abdrucken) und schlagen sinnvolle, nachvollziehbare und umsetzbare Lösungen vor.

 

„Der Tunnel „Johannisstraße“, nördlicher Anfang der Via Culturalis und eine wichtige Rad- und Fußwegeverbindung zwischen Breslauer Platz und Chargesheimerplatz, ist seit Jahrzehnten ein „Schandfleck“, dunkel, übel riechend und der Boden nicht nur von Taubenkot verdreckt. Einen seit Jahrzehnten bestehenden Schandfleck im städtischen Raum über einen Wettbewerb zu verändern war ein positiver Schritt, ihn aber nun durch eine Interimslösung zu konservieren, das ist der falsche Weg.

Im Jahre 2017/18 wurde für die Neugestaltung des Tunnels Johannisstraße ein Wettbewerb ausgelobt, unser Entwurf „Ferne & Heimat“ erhielt den 1.Preis. Durch die Planung wird der nördliche Anfang der „Via Culturalis“ als Foyer in die Stadt festgelegt und die Fertigstellung wäre in Kürze gefeiert worden hätte nicht vor einem Jahr die Deutsche Bahn bekannt gegeben, dass die Bürger*Innen der Stadt Köln weitere 10 Jahre mit dieser unwirtlichen Bahnunterführung leben müssen. Der Grund: Die grundsätzliche Sanierung des Brückenbauwerks sei nun erforderlich. Durch diese Feststellung wurde die Planung, die in enger Abstimmung mit der Stadtverwaltung sowie der Deutschen Bahn erfolgte, erst einmal auf Eis gelegt. Soweit die Historie.

Aktuell haben wir durch die Presse erfahren, dass nun von der Verwaltung eine Sanierung des Tunnels Johannisstraße als Interimslösung geplant wird. Mitte November sollen folgende Maßnahmen dieser Zwischenlösung durch den Rat beschlossen werden: ein neuer Asphaltbelag, eine wirksame Sperrung für den motorisierten Individualverkehr, eine verbesserte Beleuchtung sowie eine tierschutzgerechte Taubenvergrämung. Für die Umsetzung der Interimslösung wurden ca. 500.000,00 € genannt. Dass dieser unwirtlicher Ort in den Fokus genommen wird finden wir erfreulich. Dennoch erlauben wir uns die Frage zu stellen, ob es nicht eine nachhaltigere und zukunftsfähigere Lösung gibt, die den Aufbruch signalisiert und gleichzeitig den ästhetischen Ansprüchen genügt, anstatt einer „gnadenlos praktischen“ Interimslösung, durch die vorhandene Defizite konserviert oder sogar verschlimmbessert werden. Aus diesem Grund haben wir uns unseren Entwurf „Ferne & Heimat“ nochmals genauer angeschaut und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ja auch „einzelne Gestaltungselemente“ aus dem Gesamtentwurf unabhängig und zeitlich versetzt umgesetzt werden können. Das Ergebnis würde dem ursprünglichen gestalterischen Ansatz entsprechen und dem wichtigen Ort gerechter werden, als die funktionalen Maßnahmen des Provisoriums. Die schrittweise Umsetzung stellen wir uns wie folgt vor:

Der Schnitt durch den Tunnel Johannisstraße zeigt bereits im Wettbewerbsergebnis die Zugänglichkeit der Brückenkonstruktion, sie war bereits im Entwurf integraler Bestandteil der Planung. Links die Funktionswand aus Streckmetall, in der Mitte die Radspur, rechts der Gehweg ©Ute Piroeth Architektur

 

  • Schritt Eins: Statt des vorgesehenen Asphaltbodens der Interimslösung könnte der prächtige Mosaikbelag aus Natursteinpflaster entsprechend dem Entwurf realisiert werden.
  • Schritt Zwei: Die Netze, die zur Zeit zur Taubenvergrämung an der Brückenkonstruktion angebracht werden, ließen sich gut in den Entwurf integrieren. Die vorliegende Lichtplanung könnte gleichzeitig umgesetzt werden. Die Ausführungsplanung, erstellt durch die RheinEnergie, liegt vor.
  • Schritt Drei: Die Realisierung der geplanten seitlichen Streckmetallwand, einschließlich der Beleuchtung. Die „Verrichtungsnischen“ würden geschlossen und dadurch eine Hauptursache, die den Ort so unwirtlich macht, beseitigt werden. Die Muster vom geplanten Bodenbelag und der Wandbekleidung sind vor Ort am Breslauer Platz als Original zu sehen.

Die Sanierung der Brückenkonstruktion ist auch jederzeit möglich, denn eine Beeinträchtigung der Sanierung durch die Deutsche Bahn ist durch die Umsetzung der Maßnahmen aus der Entwurfsplanung nicht gegeben. Die Zugänglichkeit und Revisionierbarkeit der Brückenkonstruktion war immer gefordert und ist integraler Bestandteil der Entwurfsplanung. Unser Ziel ist es eine Interimslösung zu vermeiden und die geplante Aufwertung des Tunnels Johannisstraße sowie den Beginn der Via Culturalis, als einen weiteren wichtigen städtebaulichen Baustein der Domumgebung, entsprechend unseres Entwurfs zu realisieren. Die vorliegende Planung kann so Schritt für Schritt verwirklicht werden und tut bitter not!

Besonderes Merkmal des neuen Tunnels ist sein Belag aus farbigem Betonpflaster, für das die Architektin in Zusammenarbeit mit dem Künstler Wolfgang Rüppel einen Rapport als Abstraktion eines dekorativen Ornaments entwickelt hat. ©Ute Piroeth Architektur

 

Das ist unser Anliegen, dafür möchten wir uns einsetzen und daran möchten wir mitarbeiten. In der Hoffnung auf eine positive Wende freuen wir uns auf Ihre Einschätzung und stehen für ein Gespräch zur Verfügung.“

UTE PIROETH ARCHITEKTUR und Wolfgang Rüppel

 

red|bs

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2 Kommentare

Die dem Offenen Brief vorangestellte Visualisierung des Tunnels zeigt die großartige Attraktivität des Entwurfs von Ute Piroeth und Wolfgang Rüppel. Man muss sich ernsthaft fragen, warum die Stadt Köln eine einmalige Chance – noch dazu grundlos, wie der Offene Brief nachweist – verstreichen lässt, ihren Bürgerinnen und Bürgern und vor allem ihren Besucherinnen und Besucherin ein architektonisches und städtebauliches Highlight zur Verfügung zu stellen. Die selbst für den Laien ersichtlich untaugliche Interimslösung kostet die Stadt Köln am Ende nur Geld, ohne an dem Schandfleck wirklich etwas zu verbessern.

Ich Kann Nicht einsehen, wieso eine halbe Million Steuergelder für ein Weniger als 10-jähriges Interim genutzt werden sollen. Entweder richtig, oder erst mal gar nicht, wobei ja wohl ein Voranschreitet möglich scheint