Archiv des Kölner Architekturmagazins. 2000 - 2021.

Sieg des Fassadenvorhangs

kister scheithauer gross gewinnen den Hochbau-Wettbewerb für das Nordfeld des Laurenz-Carrés

Kölner kennen das, was für Ortsfremde sehr irritierend ist: Man steht an einem prominenten Ort, geht dann nur wenige Meter um eine Ecke, und plötzlich verschlägt einem der ungute Dunst und der schäbige Anblick einer großstädtischen offside ganz wörtlich den Atem. Folgt man konkret vom Roncalliplatz der als Nationales Projekt des Städtebaus intensiv geförderten Via Culturalis, ist es soweit, noch bevor man das Historische Rathaus, die MiQua-Baustelle oder das Wallraf-Richartz-Museum passiert hat oder in das Einkaufstreiben der Hohe Straße eintaucht. Über die beiden Blöcke zwischen Roncalliplatz und Rathausplatz – kuriose Cluster aus vernachlässigten Park- und Bürohäusern und dem denkmalgeschützten Senats-Hotel sind mehrfach verkauft und umbenannt worden. Seit Sommer 2017 ist das nun Laurenz-Carré genannte 9.000 qm große Areal im Besitz der Düsseldorfer Gerchgroup. Die möchte bis auf das Denkmal alle Bestandsgebäude abreißen und ersetzen. Da es sich bei den Flächen um kulturhistorisch bedeutende Innenstadtgrundtücke handelt, ist ihre Entwicklung an ein zweistufiges Verfahren gebunden.

Lageplan der Preisträger des Hochbau-Wettbewrbs für das Nordfeld des Laurenz-Carrés © kister scheithauer gross architekten und stadtplaner

Immer noch: lieber dicht als hoch

In dem 2018 durchgeführten Städtebaulichen Verfahren überzeugte das Kölner Büro ksg kister scheithauer gross in der dritten Runde, nachdem Stadt und Auslober die Grenzen des Verträglichen lange verhandelt hatten. Zwar suchten Stadt und Investor gleichermaßen eine qualitative Aufwertung des Planungsgebietes, doch die Stadt legte großen Wert auf die Sichtbarmachung der Via Culturalis. Die Gerchgroup dagegen war eher an der marktgerechten Umsetzung und der zukünftigen Rendite der von ihr geforderten 33.000 Quadratmeter BGF interessiert.

Kurz noch einmal zusammengefasst: Deutlich unterschied sich der Entwurf der Preisträger von den drei Konkurrenten durch die im Altstadtcharakter angelegten Baukörper und die ausgeprägte Dichte im Quartier, die sich insofern positiv auf das Gesamtbild auswirkten, als dass sich die Masse deutlich weniger in den Höhen abzeichnet. Die Jury lobte die kleinteilig parzellierte städtebauliche Konzeption, die ihrer Einschätzung nach sensibel auf den Straßenraum und das Gegenüber reagiere. An Stelle neuer Plätze bieten ksg allein mit Aufweitungen in der Großen Budengasse Aufenthaltsqualitäten in der wichtigen Ost-West-Wegeachse zwischen Altstadt und Neustadt. So wird auch die Sporergasse als „Domblickgasse“ von ihrem Schicksal als ewige Rückseite befreit und in das neue Quartier integriert.

1. Preis ksg: Standort Theo-Burauen-Platz mit Blick auf den Hotelneubau, links das denkmalgeschützte Senats-Hotel © Visualisierungen kister scheithauer gross/rendertaxi

Bekannte Gesichter und ein paar Neue

Zu dem im Februar 2019 von der Gerchgroup nun ohne die Stadt ausgelobten Realisierungswettbewerb für das dem Dom zugewandte Nordfeld wurden neben den 6 Teilnehmern des ersten Verfahrens noch drei weitere hinzugeladen. Ende Mai dieses Jahres fiel schließlich die Entscheidung und wieder überzeugten ksg. Auf den 2. Platz kamen Henning Larsen (München), auf den 3. Platz caspar. (Köln), die neu hinzugekommen waren. Einen Ankauf bekamen Schilling Architekten (Köln), die wie Henning Larsen schon in der ersten Runde wichtige Impulse geliefert hatten und damals gemeinsam den dritten Rang belegt hatten.

Da die Kubaturen, die Erschließung und Nutzung der Baukörper schon mit dem städtebaulichen Verfahren weitgehend festgelegt waren, ging es in dem nun entschiedenen Realisierungswettbewerb darum diese zu konkretisieren. Besonderes Augenmerk galt aber dem Entwurf der Fassaden, die zum Indikator für die Angemessenheit der Mittel und Massen gemacht wurde, um die neue Nutzung nicht zum Antagonisten des Ortes werden zu lassen.

1. Platz ksg: Abwicklung der Ansicht Große Budengasse mit Vorschlägen für den Ersatz der beiden nicht verkäuflichen Immobilien in Grau © Visualisierungen kister scheithauer gross/rendertaxi

Um die Ecke, um die Kante

Der Entwurf von ksg zeigt eine deutliche Hierarchie der Fassaden und somit auch der Gebäude. Prominent ist der dem Dom zugewandte Gebäudekopf, der klassisch in Sockel, Mittelbau und Krone gegliedert ist. Der erhöhte Sockel gibt den Ladenlokalen und der Gastronomie viel Raum, notwendig ist die Höhe aber auch, damit der Neubau aus der Perspektive der hier um acht Stufen erhöhten Domplatte nicht versinkt. Die Arkaden und die gerundeten Gebäudeecken sind Zitate der Nachbarschaft, doch was zum Beispiel am Domhotel klassizistisch-üppig erscheint, wird hier von ksg in einer zeitlosen Sprache wiedergegeben. So setzen sie zwar auch auf Plastizität, reduzieren sie jedoch nur auf den Mittelbau des Bürogebäudes, dessen Modulation, so die Architekten „den Faltenwurf schwerer Vorhänge“ suggeriere. Ästhetisch und hochwertig erscheint die Verkleidung mit grünem Sandstein im Kontrast zu den Profilen in Messing- und Bronzetönen, die betonen, dass die Fenster, der Plastizität der Fassade folgend, abwechselnd rechts und links um die Kante geführt werden. Ein schönes Alleinstellungsmerkmal, das auf der Kostenersparnisliste aber leider sicher ganz oben steht. Das vorspringende Dachgesims zeichnet die eigentliche Traufhöhe nach, doch die Architekten möchten mit der Zinkblech-Eindeckung des Dachs bis zum Staffelgeschoss den Eindruck eines Gesamtbaukörpers erzeugen.

1. Platz ksg: Abwicklung der Ansicht Unter Goldschmied © Visualisierungen kister scheithauer gross/rendertaxi

Während der Sockel Unter Goldschmied auf einer Höhe fortgeführt wird, schließt das Bürogebäude mit einer runden Ecke ab, damit das daran anschließende Hotel „mit eigenem Gestaltungsanspruch in den Stadtraum tritt“. Dieser materialisiert sich mit der Kombination aus papyrusweißen Elementen und graugrünen Aluminium-Fassadenprofilen. Die altstädtische Feinkörnung wird in der Großen Budengasse, wo es eine dritte Fassadenvariante gibt, noch deutlicher, auch weil hier zwei schmale Stadthäuser stehen bleiben, deren Besitzer nicht zum Verkauf an den Investor bereit waren.

Wenn die Historische Mitte als Schaltstelle zwischen Stadt und Kirche gebaut ist, wird das Laurenz-Carré zwar eine Reihe weiter nach hinten rücken, aber auch dort hinter der deutlich moderneren Architektur von Volker Staab sehr gut aufgehoben sein. Gut, wenn man dann nicht schon wieder an der nächsten Ecke kurz mal den Atem anhalten muss.

Uta Winterhager

Die weiteren Platzierungen:

Henning Larsen (2. Platz)

Ansicht Roncalliplatz: Die Fassade Am Hof wird wie der gotische Dom von einer starken vertikalen Gliederung geprägt. So sind im Hauptraster immer zwei Geschosse zusammengefasst, die Geschossdecken in der Mitte der Fensteröffnung werden mit messingfarbenen Metallelementen verdeckt. Um die Fassade plastisch zu gliedern, sind die mit hellem Ziegel geschlossenen Flächen um die  Öffnungen wie die Portale des Doms nach hinten gestaffelt. © Henning Larsen
Die Fassade am Theo-Burauen-Platz orientiert sich mit ihrer Materialität am Senats-Hotel, dem Spanischen Bau und dem Historischen Rathaus. Ziegel und Fensterleibungen aus Sichtbeton interpretieren das Spiel aus geschlossener Fassade und Geschossdecken. Vor den Französischen Balkonen befinden sich elegante Stabgeländer, die als Detail Bezug zum Senats-Hotel aufnehmen und die Fassade zusätzlich rhythmisieren. Die Erdgeschosszone wird mit hellem Sichtbeton ausgeführt. Das Motiv der Rahmen wird auch hier durch eine Matrize im Beton aufgenommen © Henning Larsen

caspar. (3. Platz)

Standort Roncalliplatz: caspar. möchten „die Geschichte des Ortes weitererzählen, seine DNA wiedergeben und neu interpretieren“ und ließen sich bei den Arkaden mit Kreuzgewölben von den gotischen Elementen des Doms inspirieren, darüber geht es mit einer Rasterfassade, deren Öffnungen schräg angeschnitten sind, in die Höhe © caspar.
Standort Theo-Burauen-Platz, Blickrichtung Dom. Wiederholung des „gotischen“ Motivs in den Öffnungen des Erdgeschosses, hier jedoch ohne Gewölbe © caspar.
Gewölbe 2020: Einsatz von UHPC Ultra High Performance Concrete im Verbund mit Naturstein © caspar.

Schilling Architekten (Ankauf)

Standort Roncalliplatz: Die Verwendung des für Köln typischen Tuffsteinmauerwerks in Verbindung mit der Gliederung durch lineare Bauteile aus natürlich gefärbtem Beton soll dazu beitrageni, den Neubau von Schilling Architekten an dieser wichtigen Stelle im Bild der Kölner Altstadt zu verankern. © Visualisierungen Schilling Architekten
Standort Theo-Burauen-Platz: Wie die prominenten Nachbarn der Wiederaufbauzeit, setzen auch Schilling Architekten auf einen Materialmix bei den Fassadem und die traditionelle Betonung des konstruktiven Rasters © Visualisierungen Schilling Architekten

1 Kommentar

als Bürger der Stadt kann ich nur sagen; einfach nur furchtbar.

Dieser Bebauungsplan/Entwurf lädt überhaupt nicht zum Verweilen ein, sondern ist nur eine zugige Betonwüste aus der man so schnell wie möglich flüchten möchte.

Kein Grün, nicht mal ein Alibi-Betonkübel mit Strauch, kein Springbrunnen, keine Sitzbänke, keine Cafes.

Ich prophezeie, dass das „Entree des Kölnischen Stadtmuseums“ zur Zeit des Weihnachtsmarkts, Karnevals und an Wochenende ein beliebter Platz für Notdurften sein wird. Durch die Überdachung dessen werden sich dort wie zu alten Zeiten am Domvorplatz (unter der früheren Treppe) die Dealer treffen, die Obdachlosen und Trinker.

Kölner Stadtplanung hat nichts gelernt.

Man erwartet nun nicht Zaha Hadid Entwürfe, aber ein Traum wäre eine Art Hundertwasser Ensemble, oder zumindest Kopien der ursprünglichen Vor-Kriegsfassaden (Siehe Frankfurt Altstadt – dort hat man begriffen was die Menschen wollen und brauchen um ihre Stadt zu lieben)